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  • 15.09.2013 13:27

  • von Roman Wittemeier

Motoren 2014: Der Kampf der Konzepte

Audi bleibt beim Diesel, Toyota beim großen V8-Benziner und Porsche setzt vermutlich auf einen kleinen Turbo: Fachleute sehen überall Vor- und Nachteile

(Motorsport-Total.com) - Die LMP1-Szene steht vor einem großen Umbruch. Im kommenden Jahr tritt das neue Reglement von FIA und ACO in Kraft. 2014 steht die Effizienz eindeutig im Fokus. Die Teams bekommen eine bestimmte Treibstoffmenge pro Runde zugewiesen. Mit dieser Energie gilt es möglichst schnell möglichst weit zu kommen. Interessant für Hersteller und Fans der Rennwagen-Technik: Das Regelwerk lässt gerade in Bezug auf die Antriebseinheiten viel Spielraum.

Titel-Bild zur News: Audi V6 TDI 2013

Fragezeichen mit Blick auf 2014: Bleibt Audi beim 3,7-Liter-V6-Turbodiesel? Zoom

Entsprechend unterschiedlich sind die Ansätze von Audi, Porsche und Toyota. Während die Ingolstädter beim Turbodiesel bleiben, setzen die anderen beiden Hersteller auf Ottokraftstoff. Dennoch gibt es zwischen den Konzepten von Toyota und Porsche riesige Unterschiede. Offenbar führt eine vollkommen konträre Grundhaltung der Techniker dazu, dass man bei Porsche auf einen kleinvolumigen Turbo (Zweiliter-V4-Motor?) und bei Toyota auf einen 3,4-Liter-V8-Saugmotor setzt. Die Konzepte der drei Le-Mans-Siegkandidaten 2014 könnten unterschiedlicher kaum sein.

Und doch haben alle ihre Gründe für den jeweils eingeschlagenen Weg. Erst im Wettbewerb auf der Rennstrecke wird man feststellen können, wer wirklich einen Treffer gelandet hat - vielleicht auch selbst dann nicht einmal. "Motoren kann man immer nur vergleichen, wenn sie mal im gleichen Auto stecken", sagt Ralf Hahn im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Der Hesse ist ausgewiesener Motorenfachmann, war an der Entwicklung des legendären TAG-Turbo (Porsche) in der Formel 1 ebenso beteiligt wie an mehreren Ferrari-Formel-1-Aggregaten.

V6-Turbo als optimale Lösung?

Hahn ist vom künftigen Reglement der Le-Mans-Szene begeistert. "Ich habe in den vergangenen Jahren die Lust an der Formel 1 verloren, weil es mehr oder weniger Einheitsantriebe sind", sagt er. "Ich hätte schon vor vielen Jahren gesagt: 'Hier habt ihr eine gewisse Menge Energie, mit der ihr auskommen müsst. Jetzt macht damit was ihr wollt.' Den Schritt zum Turbo hätte die Formel 1 beispielsweise schon vor 15 Jahren machen müssen." Diese von ihm geforderte Freiheit gibt es nun - nicht in der Formel 1, sondern in der WEC.

"Wenn ich frei wählen könnte, würde ich unter den bekannten Voraussetzungen wahrscheinlich einen Zweiliter-V6-Turbo - wenn möglich als Fünfventiler bauen. Am besten mit zwei vollständig getrennten Zylinderbänken", erklärt Hahn seine Vorstellung vom effizienten Motor für 2014. Die Trennung der Zylinderbänke ist keine neue Idee. Man habe ein solches Konzept schon vor vielen Jahren erfolgreich im Einsatz gehabt. Dies bringt unter anderem Vorteile beim Einsatz auf Rennstrecken mit unterschiedlichem Charakter, weil die Turbinengröße asymmetrisch angepasst werden kann. Fünf Ventile pro Zylinder brächten die Vorzüge eines homogeneren Brennraumes mit sich.

Porsche LMP1 Bernhard Dumas

Der Porsche-LMP1 wird angeblich von einem Vierzylinder-Turbo angetrieben Zoom

Keiner der drei großen Hersteller in der WEC setzt voraussichtlich 2014 auf ein solches Konzept. Jeder geht seinen eigenen Weg. "Ein Zweiliter-V4-Turbo könnte eine gute Lösung sein", meint Hahn mit Blick auf den vermutlichen Antrieb seines früheren Arbeitgebers Porsche. Es sei die Frage, ob der kurze V4 als tragendes Bauteil im LMP1 die gleiche Steifigkeit wie ein größerer V6 bieten könnte. Schmunzelnd fügt Hahn hinzu: "Bei zwei Liter Hubraum auf vier Zylinder habe ich 500 Kubikzentimeter pro Zylinder. Das geht für mich schon zu sehr in Richtung Agrartechnik." Allerdings könnte ein "Traktor" entstehen, der das Feld Le Mans gut beackert.

Warum bleibt Toyota beim Sauger?

"Ein Turbo hat generell viele Vorteile. Einer ist zum Beispiel der Spielraum in Sachen Benzin, den ich viel variabler nutzen kann als beim Saugmotor. Wenn ein LMP1 durch schlechtes Wetter oder Safety-Car-Phase mal weniger verbraucht, dann kann ich das gesparte Benzin beim Turbo jederzeit über erhöhten Ladedruck sofort in mehr Leistung umsetzen und prompt profitieren. Beim Sauger habe ich diesen Spielraum nur nach unten, kaum nach oben", beschreibt der Motorenfachmann.

Natürlich kann gespartes Benzin aus solchen Umständen in längere Reichweite umgesetzt werden. Aber was passiert, wenn das Plus im Tank nicht ganz für eine zusätzliche Runde in Le Mans (13,6 Kilometer) reicht? Dann hat der Turbo einen erheblichen Power-Vorteil bis zum nächsten Stopp. Dies würde im Falle der LMP1 in der Saison 2014 also Toyota zum Nachteil gereichen. Die Japaner werden ihren bisherigen 3,4-Liter-V8 zwar umfassend überarbeiten, aber dennoch beim Grundkonzept bleiben.

"Motorenexperten sind sich bezüglich der besten Architektur nicht einig. Was ist besser: ein kleiner Turbo oder ein großvolumiger Saugmotor, der bei niedrigen Drehzahlen arbeitet? Unsere Fachleute sind überzeugt, dass der große Saugmotor die bessere Lösung ist", meint Toyota-Technikchef Pascal Vasselon gegenüber 'Sportscar365.net'. Der Franzose überlässt die Entscheidung den Entwicklern in Japan. "Wir glauben an unsere Lösung. Wir werden es ja sehen."

Toyota

Der Toyota TS030 hat einen 3,4-Liter-V8-Saugmotor an Bord Zoom

Ex-Ferrari-Motorenentwickler Ralf Hahn kann sich mit der Sauger-Lösung nicht ganz anfreunden. "Ich verstehe das nicht", sagt er mit Blick auf den Toyota-Weg. "Von den drei Konzepten der WEC-Hersteller halte ich diese für die schlechteste Option. Ein Turbomotor ist generell effizienter. Das ist nicht neu, sondern das wissen wir seit vielen Jahren. Das war schon damals beim TAG-Porsche so und das ist selbst bei meinem alten Porsche 911 SC in der Garage so. Den kann ich nach Kilometerzähler tanken. Nach 600 Kilometer gehen da 60 Liter rein - immer und unter allen Umständen."

Die TMG-Techniker haben nicht allzu großen Einfluss auf das Antriebskonzept des Werksautos 2014. Man baut in Köln zwar die Aggregate für den Kundeneinsatz im Rebellion-Lola (2014 im Rebellion R-One), aber das eigene LMP1-Auto bekommt den kompletten Antriebsstrang der japanischen Kollegen eingepflanzt. Und dort steht man offenbar auf Saugmotoren, nicht auf Turbos. Die aufgeladenen Triebwerke haben einen weitere Vorteile. Zum Beispiel beim Betrieb in Höhenluft.

Überraschungen bei Zylinderzahl und Hubraum?

Bleibt der dritte Kandidat im LMP1-Herstellerbunde: Audi. Die Ingolstädter werden auch in Zukunft auf Turbodiesel-Aggregate setzen. Dies tut man einerseits aufgrund der VW-Konzernstrategie - die "Schwestern" Audi und Porsche sollen unterschiedliche Konzepte entwickeln und einsetzen -, andererseits wegen der guten Erfahrungen, die man in den vergangenen Jahren gemacht hat. Seit 2006 wurden alle Le-Mans-Sieger von Dieseltriebwerken angeschoben - abgesehen vom Jahr 2009 (Peugeot-Sieg) immer im Heck eines Audis.

"Es wird zu Beginn wahrscheinlich viele verschiedene Konzepte geben. Dann wird es spannend zu sehen sein, welche zwei oder drei Konzepte sich am effizientesten zeigen und das Optimum darstellen", sagt Audi-Motorenchef Ulrich Baretzky mit Blick auf die Zukunft auf der Langstrecke. "Das passiert nicht 2014, sondern erst 2015 oder 2016. Was Zylinderzahl und Hubraum angeht, werden einige Leute bestimmt Überraschungen erleben."

Welche Überraschung mag es von Audi geben? Die amtierenden Le-Mans-Sieger fahren 2013 mit einem 3,7-Liter-V6-Turbodiesel mit Direkteinspritzung (TDI). Gut möglich, dass die Ingolstädter für das kommende Jahr einen etwas kleineren und leichteren Motor bauen, dafür aber die Hybridtechnik noch weiter ausbauen. Audi bekommt 2014 maximal 3,93 Liter Diesel für eine Runde in Le Mans. Wenn man sich für ein großes Hybridsystem entscheidet (8 Megajoule), dann werden es sogar nur 3,65 Liter Diesel pro Runde sein. Zum Vergleich: Porsche und Toyota werden zwischen 4,42 und 4,8 Liter Benzin nutzen dürfen.

"Ein Liter Diesel hat mehr Energie als ein Liter Ottokraftstoff. Das steht fest", erklärt Motorenexperte Ralf Hahn. Diese Differenz an Brennwert wird per Reglement durch die Zuweisung von Treibstoffmengen ausgeglichen - so sollte es jedenfalls funktionieren. In diese Gleichung spielen jedoch noch andere Faktoren hinein. Zum Beispiel, dass ein Dieselaggregat aufgrund seines Konzeptes immer schwerer ist als ein vergleichbarer Benziner. Dies hat Nachteile bei der Gewichtsverteilung und beim Handling.

Luftwiderstand als wichtige Stellschraube

ACO und FIA haben versucht, diese Nachteile der Bauweise eines Dieselaggregats mit in die Balance-of-Performance-Rechnung einzubeziehen. Die maximal 64,4 Liter Benzin im Tank von Porsche und Toyota werden für 13,4 Le-Mans-Runden reichen, die 53,3 Liter Diesel bei Audi für 13,5 Runden (bei jeweils 2 MJ Hybridkapazität). Für die Ingolstädter könnte es also eher möglich sein, im Falle eines Falles mal eine Runde mehr pro Stint zu absolvieren.

Motorenfachmann Hahn sieht den Diesel zwar auf Augenhöhe mit den Benzinern, aber nicht mehr grundsätzlich im Vorteil. "Schon vor 35 Jahren war ich in der Forschung bei Porsche an einer Studie im Auftrag der EU (damals noch EG; Anm. d. Red.) beteiligt. Wir sollten Diesel- und Ottomotoren vergleichen. Dabei kam heraus, dass sie ähnlich effizient sind, wenn man beim Bau eines Motors vergleichbaren Aufwand betreibt. Damals schon!"

"Heute kann man mit Hilfe der Direkteinspritzung quasi aus einem Benziner einen Diesel machen", spricht Hahn die Entwicklung beim Bau der modernen Ottomotoren bildlich an. Im Zuge dieser Entwicklung ist die Effizienz der Turbo-Benziner enorm verbessert worden, sodass es mit Blick auf die kommenden Jahre kaum Argumente gegen den Einsatz eines Benziners gibt. "Die spezifische Leistung ist beim Turbo richtig gut", meint der Ex-Porsche-Motorenentwickler.


Neue Fotos des Porsche LMP1

Auf dem Weg zu mehr Reichweite mit weniger Benzin sind jedoch nicht nur pfiffige Antriebsentwicklungen gefragt, sondern auch an einigen anderen Stellen gibt es hervorragende Möglichkeiten. "Es gibt eine Faustformel, wenn man darstellen möchte, gegen welche Widerstände ein Motor letztlich ankämpfen muss: 85 Prozent davon sind der Luftwiderstand des Autos, neun Prozent der Rollwiderstand der Reifen und sechs Prozent sind von der Reibung im Antriebsstrang", erklärt der Fachmann. Diese Zahlen legen eindeutig dar, wo die LMP1-Hersteller eine weitere wichtige Stellschraube auf dem Weg zu mehr Effizienz haben.

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