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  • 10.10.2012 09:10

  • von Roman Wittemeier

Lotterer: Begehrter LMP1-Pilot mit vielen Seiten

Andre Lotterer gilt als einer der besten aktuellen Piloten in der LMP1-Szene: Zwei Le-Mans-Siege und die Führung in der WEC-Wertung - Formel 1 noch ein Thema?

(Motorsport-Total.com) - Audi-Werkspilot Andre Lotterer erlebt eine ungewöhnliche Motorsport-Karriere. Der 30-Jährige aus Duisburg war nach frühen Erfolgen in der Formel BMW anfangs eindeutig auf dem Weg in Richtung Formel 1. Den Traum von Fahrten in einem Boliden der Königsklasse durfte sich der zweimalige Le-Mans-Sieger sogar erfüllen. Im Alter von gerade einmal 18 Jahren absolvierte er erste Tests im damaligen Jaguar-Formel-1-Team, 2001 folgten weitere Proberunden und 2002 der Aufstieg zum offiziellen Testfahrer.

Titel-Bild zur News: Andre Lotterer

Andre Lotterer führt die Fahrer-WM mit seinen Teamkollegen derzeit an Zoom

Doch der Sprung in ein Renncockpit gelang dem in Belgien aufgewachsenen Lotterer nie. Über den Umweg CART in den USA wählte er den Sprung nach Japan. Seit 2003 ist der Deutsche dort in der Formel Nippon und der GT-Serie unterwegs. Mit Erfolg: Nach mehreren Vizetiteln gelang ihm 2011 der Gewinn der Meisterschaft in der schnellsten japanischen Formelserie. Gleichzeitig begann der Höhenflug auf der Langstrecke mit Audi. Spätestens seit seinem heldenhaften Schlussstint 2011 an der Sarthe lautet das Motto: Der Lotterer wird es schon richten.

"Ich bin froh, dass ich die Formel Nippon noch fahre. Das hält mich fit und frisch für die Einsätze im Prototypen. Es ist schon sehr anspruchsvoll", schildert Lotterer im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Für mich ist die Kombination aus Formel Nippon und Super-GT eine perfekte Schule. Man lernt bei der Nippon den Speed und das Verhalten im Verkehr in der GT-Szene. Für Benoit Treluyer war das eine perfekte Vorbereitung, auch bei Loic Duval war es so. Der ist auch sofort gut zurecht gekommen. Nakajima ist auch gut eingeschlagen. Die Ausbildung in Japan ist sicherlich klasse."

"Für mich war es ein wichtiger Schritt. Ich weiß aber nicht, ob das für alle das Richtige ist. Es ist ja beispielsweise auch das Risiko dabei, dass man dort hängenbleibt", bewertet der Audi-Werksfahrer die Chancen und Risiken eines Schrittes in Richtung Japan. Die Kultur ist anders, die Entfernung in die Heimat sehr groß und der Rennsport genauso hart wie in Europa. Man muss schon deutlich glänzen, um weiterhin von den Topteams in Formel 1 oder WEC beachtet zu werden.

Le-Mans-Einsatz 2009 als Audi-Bewerbung

"Ich hatte damals das Glück, dass ich bei Kolles 2009 in letzter Minute die Möglichkeit bekam, in Le Mans zu fahren", erklärt Lotterer seinen Weg zurück auf den Heimatkontinent. "Ich habe dort wohl einen ganz guten Eindruck hinterlassen und kam dann so zu Audi. Ich bin Colin Kolles für diese Chance sehr dankbar. Ich hatte das Glück, dass Audi-Ingenieure vor Ort einen Eindruck von mir bekamen und mich beim Werksteam empfahlen."

"Le Mans ist zusammen mit der Formel 1 in Monaco und den Indy 500 das größte Rennen der Welt. Wenn man so etwas gewinnt, dann schreibt man richtig Geschichte. Ich finde zudem, dass Le Mans nicht nur Mythos hat, sondern auch Stil und Klasse. Ein solches Rennen zu gewinnen hat bestimmt mehr Wert als in der Formel 1 irgendwo hinten herumzufahren", sagt der 30-Jährige, der die WEC-Fahrerwertung gemeinsam mit seinen Kollegen Treluyer und Fässler anführt.

Generell hat Lotterer seine Ambitionen bezüglich der Formel 1 "etwas zur Seite gestellt". Er erklärt: "Natürlich wollte ich in die Formel 1 als ich jung war. Es hat dann mit Jaguar leider nicht funktioniert. Ich bin allerdings auch jetzt noch für neue Herausforderungen bereit. Die Formel Nippon ist immer noch eine der schnellsten Serien, immer noch ein bisschen schneller als GP2 und Renault-World-Series. Ich wäre als Fahrer für alles bereit."


Fotos: WEC in Bahrain


"Ich sage das nicht, weil ich von mir hoch überzeugt bin. Das bin ich nicht. Aber ich fahre seit 2003 Formel Nippon, und wenn man die Rundenzeiten sieht, dann ist das von der Formel 1 gar nicht so weit entfernt. Wir sind fast so schnell wie ein HRT", meint der Deutsche, der gleich viele Kollegen mit ins selbe Boot nimmt. "Das trifft nicht nur für mich zu. Ein guter Formel-Nippon-Pilot wäre jederzeit sehr gut für einen Test in der Formel 1 vorbereitet."

Formel-1-Piloten in die WEC: Logisch

Der Speed und die Fitness wären vorhanden, aber der Reiz hält sich in Grenzen. "In der Formel 1 sind derzeit nur zwei Hersteller, nämlich Mercedes und Ferrari. Für einen Fahrer ist es deswegen auf der Langstrecke interessant, weil man in Diensten eines Herstellers viel Entwicklung machen kann. Es ist genial, was ich bei Audi erleben darf. Testen, Entwicklung, Hybrid, andere Technologien, die Zusammenarbeit mit all den Ingenieuren - so etwas ist toll, wenn man es als Rennfahrer erleben darf."

Diese reizvollen Aspekte der WEC haben auch andere Piloten erkannt. Nick Heidfeld fuhr für Rebellion, Vitantonio Liuzzi ist mit Lotus in der LMP2-Klasse aktiv und Sebastien Buemi hat einen Toyota-Vertrag für 2013. "Das wundert mich nicht. Es ist nicht mehr so, dass man als Motorsportler den Langstreckensport erst als womöglich letzte Karrierestation sieht. Wir fahren in der Szene wirklich Vollgas vom Start bis ins Ziel. Man muss im Verkehr höllisch aufpassen. Ansonsten ist es purer Sprint. Da muss man scharf sein", sagt Lotterer.

Andre Lotterer, Benoit Treluyer, Marcel Fässler

Lotterer und seine Kollegen konnten die 24 Stunden von Le Mans erneut gewinnen Zoom

"Ich bin glücklich, wo ich gerade bin. Ich bin entschlossen, langfristig mit Audi weiter zu machen", stellt der Le-Mans-Sieger von 2011 und 2012 fest. "Le Mans gibt mir viel Motivation. Jetzt mit der WEC macht es noch mehr Spaß. Ich bin in dieser Welt voll drin. Ich kann mir nicht vorstellen, jetzt plötzlich voll in die Formel 1 einzusteigen. Nach dem Sieg in Le Mans 2011 war klar, dass ich langfristig bei Audi bleiben will. Warum hätte ich auch wechseln sollen?"