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  • 01.07.2013 15:15

  • von Christian Schrader

Lauda über Le Mans: "Dass so wenig passiert, ist ein Wunder"

Niki Lauda spricht über Gefahren im Motorsport, die Tragödie von Le Mans in Bezug auf die Formel 1 und er erklärt, warum er nie am Klassiker teilgenommen hat

(Motorsport-Total.com) - Nach dem tödlichen Unfall am Wochenende bei den 24 Stunden von Le Mans betont Niki Lauda, dass Gefahren im Motorsport dazugehören und sich jeder dessen bewusst sein müsse. Der Österreicher spricht im 'ORF' von "dieser Lethargie", die eintritt, wenn lange nichts passiert und die Überraschung, wenn sich wie gesehen ein Unglück ereignet. Dazu bezieht er unter anderem die Ereignisse vom Wochenende auf die Situation in der Formel 1. Außerdem erklärt der 64-Jährige, warum er nie am Klassiker in Le Mans teilgenommen hat - Schuld waren auch die Gefahren.

Titel-Bild zur News: Niki Lauda

Für den Mann mit der roten Kappe waren die 24 Stunden von Le Mans zu gefährlich Zoom

Bereits im Vorfeld wurde ausführlich über die Gefahren der 24 Stunden von Le Mans berichtet. Der Klassiker hat in seiner 90-jährigen Geschichte bereits mehr als 100 Todesopfer gefordert. Am Wochenende kam mit Allan Simonsen ein weiterer hinzu. Der Däne ist der erste Todesfall beim französischen Motorsportevent seit Sebastien Enjolras 1997 im Vor-Qualifying. Der bis dato letzte Todesfall im Rennen ereignete sich 1986 (Jo Gartner). Nach dieser langen Zeitspanne könnte man aufgrund der tausenden von Rennkilometern, bei denen nichts passiert ist, zum Ergebnis kommen, dass es eine recht sichere Angelegenheit geworden ist.

"Daran gewöhnt man sich und vergisst, was passieren kann. Nämlich genau, was in Le Mans passiert ist", entgegnet Lauda in einer Sendung des 'ORF' und zieht den Vergleich zur Königsklasse: "Auch in der Formel 1 ist das so." Die letzten beiden tödlichen Unfälle datieren vom sogenannten "schwarzen Wochenende" in Imola 1994, als der Österreicher Roland Ratzenberger am Samstag und der legendäre Ayrton Senna am Sonntag starben.

Lauda erinnert an seine aktive Zeit

"Autorennen werden mit Höchstgeschwindigkeit bestritten, jeder fährt gegen jeden und versucht zu gewinnen. Das ist die Realität des Motorsports", so Lauda weiter, der einen Vergleich zu seiner Formel-1-Karriere zieht: "Gott sei Dank passiert wesentlich weniger als zu meiner Zeit, wo keine Sicherheitsvorkehrungen da waren." Was in einem Fahrer vorgeht, wenn man im Cockpit sitzt, eigentlich auf das Rennen fokussiert ist, und ein paar Meter weiter ein Kollege verunglückt und möglichweise um sein Leben ringt, mag man sich kaum vorstellen.

Aus Fahrersicht, berichtet der dreimalige Formel-1-Weltmeister, "bekommt man natürlich alles mit": "Heute in der Medienlandschaft sowieso und man fragt auch direkt beim Team nach, weil man es ja sieht", erzählt er weiter. "Wenn dann so ein Unfall passiert, ist es eine wahnsinnig schwierige Situation, mit der man fertig werden muss", so Lauda. Der Österreicher hat 1976 selbst mit den Folgen eines schweren Unfalls auf der Nordschleife zu kämpfen gehabt und weiß, wovon er spricht.


Fotos: 24 Stunden von Le Mans


"Zu meiner Zeit war es so brutal, dass jedes Jahr mindestens einer von 16 Fahrern tödlich verunglückt ist. Da hast du dir ausrechnen können, wann du dran bist. Das heißt, die Belastung war wesentlich höher und du wurdest immer wieder damit konfrontiert. Auch wenn man dazukommt, wenn jemand vor einem verunglückt ist, was mir zum Beispiel passiert ist", erinnert sich Lauda, der in Bezug auf die aktuelle Situation betont: "Ich bin mir sicher, dass jetzt viele wieder aufgewacht sind durch die Gewohnheit, dass nichts passiert."

"Ich bin mir sicher, dass jetzt viele wieder aufgewacht sind durch die Gewohnheit, dass nichts passiert." Niki Lauda

Der Klassiker wurde trotz des Unfalls fortgesetzt

Dennoch ist sich der Mercedes-Aufsichtsrat sicher: "Es wird wieder diese Lethargie eintreten, wenn nichts passiert - und dann werden natürlich wieder alle sehr überrascht sein. Nur: Man muss sich bewusst sein, wenn man Autorennen fährt, dass dies ein Teil davon ist", betont er zu den Gefahren des Motorsports.

"Es wird wieder diese Lethargie eintreten, wenn nichts passiert ." Niki Lauda

Wie es heißt, hat die Familie von Simonsen darum gebeten, dass die britische Marke Aston Martin sich nicht vorzeitig aus dem Rennen von Le Mans zurückzieht. Der Klassiker wurde auch nach Bekanntgabe des Todes via Lautsprecher fortgesetzt. Man könnte natürlich darüber diskutieren, ob es richtig oder falsch ist. Lauda hält es für legitim: Es sei richtig gewesen, das Rennen fortzusetzen, "weil es eben leider dazugehört", sagt er. Wenn die Schäden des Unfalls beseitigt werden können und die Stelle in einem ordnungsgemäßen Zustand ist, "dann wird das bei den meisten Rennen so gemacht", so Lauda.

Zu viele Gefahren für Lauda in Le Mans

"Man muss sich schon bewusst sein, was man hier tut", hebt er nochmals hervor. "Zu glauben, man könne Autorennen fahren und es passiert nichts, ist falsch." Lauda konnte sich nie für den Klassiker auf dem Circuit de la Sarthe begeistern und er erklärt "das Problem in Le Mans, was mich dazu bewegt hat, daran nicht teilzunehmen": "Es fahren Vollprofis mit Autos, die fast 360 Kilometer pro Stunde erreichen, gegen - sage ich jetzt einmal - normale Straßenautos."


Unfall von Allan McNish in Le Mans 2011

Nur zwei Beispiele von vielen: 2011 überlebten die beiden Audi-Piloten Allan McNish und Mike Rockenfeller schwere Unfälle nach Zusammenstößen mit langsameren GT-Fahrzeugen. Der Brite krachte sogar so unglücklich in die Reifenstapel, dass Wrackteile ins Publikum schleuderten. "Die Geschwindigkeitsunterschiede, Tag und Nacht, Profis gegen Amateure: Das ist sicherlich die größte Gefahr", ist Laudas Meinung über Le Mans. Abschließend fügt er hinzu: "Dass da so wenig passiert, ist eigentlich ein Wunder."