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  • 13.02.2015 12:57

  • von Roman Wittemeier

Krumm über Nissan-LMP1: "Gefühl am Lenkrad ist anders"

Nissan-LMP1-Pilot Michael Krumm im Interview: Der "Fronttriebler-Fan" über die Eigenheiten des GT-R LM Nismo und die Erwartungen für die Saison 2015

(Motorsport-Total.com) - In der neuen Saison der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) bekommen Audi, Porsche und Weltmeister Toyota neue Konkurrenz in der LMP1-Klasse. Nissan steigt mit dem ungewöhnlichen GT-R LM Nismo in den Wettbewerb ein. Die Japaner mit Entwicklungsstandort in Indianapolis setzen auf Frontmotor und Frontantrieb. Als Fahrer wurde unter anderem der deutsche Nissan-Werkspilot Michael Krumm bestätigt. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' schildert der gebürtige Reutlinger seine ersten Eindrücke vom neuen Le-Mans-Fahrzeug.

Titel-Bild zur News: Michael Krumm Nissan

Der GT-R LM Nismo rennt: Nissan absolvierte unter anderem Tests in Austin Zoom

Frage: "Michael, du hast in deiner langen Karriere schon viel erlebt. Ist der Nissan GT-R LM Nismo in diesem Jahr dein größtes Projekt bisher?"
Michael Krumm: "Nein, ich war ja auch 1998 und 1999 schon mit einem Nissan-Werksprogramm in Le Mans. Das war damals mit dem R390 und dem R391, und wir waren mit diesen Fahrzeugen in der höchsten Klasse unterwegs. Das war früher die GT1 - zumindest 1998. Im Jahr darauf war es ein LMP."

Frage: "1998 waren deine Kollegen auf dem Podest, du gemeinsam mit John Nielsen und Franck Lagorce auf Rang fünf. 1999 seid ihr nicht ins Ziel gekommen..."
Krumm: "Ja, ich weiß es noch: Wir hatten einen Motorschaden in der Nacht, Satoshi Motoyama saß im Auto. Unser Wagen damals war gar nicht schlecht, wir waren richtig gut unterwegs und haben später im Jahr nach einigen Modifikationen in Fuji gegen Toyota gewonnen. Insgesamt war alles damals etwas spät dran. Schade eigentlich. 1999 hatten die Kollegen im Training einen Unfall, somit war leider nur ein Auto im Wettbewerb."

Entwicklung ist eine Frage der Zeit

Frage: "Hast du das Gefühl, dass das jetzige Projekt erfolgreicher wird?"
Krumm: "Das muss man abwarten. Die Technologie ist komplett neu, es ist ein ganz anderes Zeitalter als damals in den 1990er-Jahren. Es dauert seine Zeit, bis man diese komplexen Hybridsysteme entsprechend entwickelt hat. Es ist die Frage, wie schnell wir das alles aussortieren können und in die richtige Richtung gehen. Wir arbeiten hart daran. Es ist alles eine Frage von Zeit und Entwicklung."

"Dass es wirklich nicht so einfach ist, haben wir doch bei McLaren-Honda gesehen, die beim ersten Test im vergangenen Jahr in Abu Dhabi nur eine Outlap geschafft haben. Es ist extrem komplex und auch für die Ingenieure sicherlich nicht leicht. So etwas braucht seine Zeit. Somit ist es für mich zu diesem Zeitpunkt schwierig, da irgendeine Voraussage zu treffen."

Michael Krumm, Tim Greaves

Michael Krumm hat sechs Starts in Le Mans hinter sich: Mit Nissan und 2002 mit Audi Zoom

Frage: "Nissan geht mit Frontmotor und Frontantrieb einen ganz anderen Weg als Audi, Porsche und Toyota. Was hast du gedacht, als du erstmals vom Nissan-Konzept gehört hast?"
Krumm: "Auch ich habe mich zuerst gefragt, warum man das so macht. Ben Bowlby hat es aber schlüssig erklärt. Das Reglement lässt es zu, diese Freiheiten gibt es. Ich persönlich bin ein Fan des Frontantriebs, bin viele solcher Autos in der STW und in Japan gefahren. Ich mag so etwas, bin diesem Konzept nicht abgeneigt. Wir probieren es mal, ob es funktioniert."

Frontantrieb: Wenn es in der Lenkung zieht

Frage: "2013 bist du in Le Mans den Zytek-Nissan in der LMP2 gefahren, also ein Prototyp in normaler Konfiguration mit Mittelmotor und Heckantrieb. Wie war das Fahrgefühl beim Rollout mit dem GT-R LM Nismo?"
Krumm: "Es fühlt sich an, wie sich eben ein Fronttriebler anfühlt. Man hat diesen ganz normalen Effekt eines solchen Konzeptes, eben dieses 'Torque Steering' - sprich: wenn man Gas gibt, dann zieht das Auto etwas nach rechts oder links. Das kennt man beim Straßenauto auch. Wenn man ordentlich Gas gibt, dann zieht es etwas in der Lenkung. Das Gefühl ist am Lenkrad anders. Man muss halt mehr Zeit damit verbringen, das Lenksystem entsprechend einzustellen."

"Es ist generell nicht so, dass ein solches Auto schwierig zu fahren wäre. Man hat halt nur etwas, das man in LMP1-Autos oder Sportwagen sonst nicht hat: dieses 'Torque Steering'. Da zieht es eben beim starken Beschleunigen in den tiefen Gängen. Das merkt man. Außerdem spürt man natürlich, dass das Auto in schnellen Kurven etwas nach außen zieht. Alles in allem also ein typisches Frontantrieb-Gefühl. Ungewöhnlich ist es, so etwas bei einem so leichten, leistungsstarken und schnellen Auto zu erleben."

Frage: "Die Belastung der Reifen ist bei eurem Konzept ganz anders als bei den herkömmlichen LMP1-Autos. Habt ihr schon Erkenntnisse bezüglich der Haltbarkeit?"
Krumm: "Nein, noch nicht. Michelin hat bei unseren ersten Fahrten viele Daten gesammelt und entwickelt nun entsprechende Reifen. Die sind die Besten, haben die Erfahrung in Le Mans und kommen bestimmt mit neuen Ideen und Konzepten zur Verbesserung. Wir haben nicht allzu viele Longruns gefahren. Ein paar Longruns waren dabei, aber nicht so, dass wir in irgendeiner Form Probleme mit den Reifen gehabt hätten. So viele Sorgen mache ich mir diesbezüglich nicht."


Fotostrecke: Nissan in Le Mans

Krumm startet in nur drei WEC-Rennen 2015

Frage: "Du fährst die ersten beiden WEC-Rennen in Silverstone und Spa, anschließend bist du beim Highlight in Le Mans dabei. Warum fährst du die Rennen nach Le Mans nicht mehr?"
Krumm: "2011 bin ich mit Nissan GT-Weltmeister geworden, also jetzt endlich mal wieder eine WM. Leider fahre ich nur bis Le Mans, kann daher also in diesem Jahr nicht Weltmeister werden. Es geht sowieso nur darum, das Fahrzeug für Le Mans zu entwickeln. Das Auto ist speziell dafür ausgelegt."

"Nach Le Mans bekommen dann die anderen Fahrer mehr Kilometer und für mich geht es zurück in die Super-GT-Serie. Dort habe ich in den vergangenen Jahren viel Entwicklungsarbeit mit Yokohama gemacht. Ende 2014 waren wir endlich vorn dabei, hätten fast gewonnen. Es wäre nicht schön, wenn ich dieses Projekt nun einfach so beenden würde. Wir haben so viel Arbeit dort hineingesteckt und sind endlich gut unterwegs. Das möchte ich gern weitermachen."

Tim Greaves, Michael Krumm

2013 war Michael Krumm im Zytek-Nissan von Greaves in der LMP2 unterwegs Zoom

Frage: "Was wünscht du dir für Le Mans 2015? Mit welchem Ergebnis wärst du zufrieden?"
Krumm: "Wenn wir ins Ziel kommen. Es ist eine große Herausforderung. Man kennt das in Le Mans. Da bleibt schnell mal ein Auto stehen. Da müssen mal eben die Computer rebootet werden. Es ist technisch alles sehr kompliziert. Wenn von drei Autos eines durchkommt, dann ist das im ersten Jahr bestimmt schon ein Erfolg."

Sebring-Test: Ein Auge auf Audi gerichtet?

Frage: "Beim Sebring-Test in der ersten Märzwoche trefft ihr auf die direkten Konkurrenten von Audi. Schaut man dann ganz genau hin?"
Krumm: "Nein, wir machen unser Ding. Wir haben unseren eigenen Entwicklungsplan, den wir Schritt für Schritt abarbeiten müssen. Wir kennen die Rundenzeiten der Konkurrenz ohnehin. Da kann man wegen der Entwicklung nochmal ein bis zwei Sekunden abziehen von der Rundenzeit des Vorjahres."

"Die Referenz hat man also ohnehin. Da ist es nicht so wichtig, ob die gleichzeitig auf der Strecke sind oder nicht. Auch wenn man allein fährt, weiß man, wer dort wie schnell unterwegs ist. Wir konzentrieren uns auf unser Programm. Wir sind bestimmt noch nicht so weit wie Audi und die anderen. Es gibt noch viel Arbeit und viele Dinge, die eine höhere Priorität haben als ein Rundenzeiten-Vergleich."

Frage: "Weißt du schon, mit welchen zwei Fahrern du dir das Auto teilen wirst?"
Krumm: "Das ist noch nicht bekanntgegeben. Ich glaube, ich weiß es schon, aber die entsprechende Verkündung folgt später."


Fotos: Entwicklung des Nissan GT-R LM Nismo


Frage: "Wird Le Mans dein großes Highlight des Jahres?"
Krumm: "Unter anderem. Ich freue mich in diesem Jahr aber auch ganz besonders auf den Start mit dem Nissan-GT3 beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring. Mit dem Auto haben die Jungs in Bathurst gewonnen, dort war das Fahrzeug richtig gut. Ich hoffe, dass wir in der Eifel genauso gut ausschauen können. Ich bin ein großer Nordschleifen-Fan. Daher freue ich mich sehr auf das Rennen dort."