Wie Renault 2015 in ein Dilemma schlitterte

Motorenchef Rob White erklärt, was bei Renault 2015 schieflief und warum ein Motorwechsel in Ungarn die restlichen Saisonpläne über den Haufen werfen würde

(Motorsport-Total.com) - Im Vorjahr gelangen Renault mit Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo immerhin noch drei Grand-Prix-Siege, dieses Jahr ist man davon meilenweit entfernt: Nicht einmal ein Podestplatz schaute bislang für die Franzosen, die diese Saison nur noch die beiden Red-Bull-Teams bedienen, heraus. Das führte zu heftigen Streitereien zwischen Red Bull und Renault - die Österreicher hegten wegen der Antriebsprobleme sogar Rückzugsgedanken.

Titel-Bild zur News: Daniel Ricciardo

Gewohntes Bild beim Saisonstart: Ein Renault-Motor gibt Rauchzeichen Zoom

Doch wie konnte man so weit ins Hintertreffen geraten? Laut Renault-Motorenchef Rob White schrillten in Viry-Chatillon schon bei den Wintertests die Alarmglocken. "Die ersten Anzeichen gab es vor der Saison, als wir die Motoren nach dem Test in Barcelona zerlegten. Die Probleme konzentrierten sich eindeutig auf die Kolben."

Kolben verhagelten Saisonstart

Doch erst bei den ersten Rennen offenbarte sich die wahre Tragweite des Problems: "Wir wussten, dass es eine Kettenreaktion geben würde, das Ausmaß war uns aber noch nicht klar. Unsere Reparatur erwies sich dann als unzureichend, und an den Wochenenden in China und Bahrain war es dann am schlimmsten. Wir machten also eine zweite Änderung, als wir die Sache verstanden hatten."

Seit Monaco sind die Kolben laut White zuverlässig - das Problem war aber, dass Renault durch den Defektteufel wertvolle Entwicklungszeit verloren hatte, was die kompletten Saisonplanungen über den Haufen warf. "Unser Ziel ist es, die Entwicklungen, die wir eigentlich zur Saisonmitte einsetzen wollten, abzuschließen und sie dann vor Saisonende einzusetzen", verrät der Brite gegenüber 'Motorsport.com'.

Ungarn als Schlüsselrennen

Rob White, Christian Horner

White und Horner: Ein Motorwechsel in Ungarn wäre doppelt bitter Zoom

Das Problem ist nun aber, dass der Einsatz einer neuen Motorenspezifikation automatisch eine Gridstrafe bedeuten würde, was die aktuelle Saison der Red-Bull-Teams noch weiter in Mitleidenschaft ziehen würde. Nur Carlos Sainz musste bislang seine fünfte Antriebseinheit der Saison noch nicht einbauen lassen.

Auf Strecken wie in Ungarn oder Singapur will man Gridstrafen unbedingt verhindern, da dort Überholmanöver wegen des Layouts kaum möglich sind - zudem gibt es wenige Geraden, was dem Red-Bull-Renault-Paket entgegenkommt. "Wir planen vor Spa oder Monza nicht mit dem Einsatz neuer Motoren", offenbart White, dass man mit dem nächsten Update noch warten möchte.

Dementsprechend gebannt wird man in Ungarn die Motoren-Zuverlässigkeitswerte betrachten, denn ein vorzeitiger Wechsel würde das Renault-Programm weiter in Mitleidenschaft ziehen: Man müsste eine Antriebseinheit einbauen, die nicht über die geplanten Updates verfügt und würde nicht nur auf der Strecke darunter leiden, sondern könnte die fertige Spezifikation auch nicht auf der Rennstrecke ausprobieren.

Renault setzt auf Token

In Sachen Weiterentwicklung kann man in Viry-Chatillon aus dem Vollen schöpfen, denn noch hat man die zwölf während der Saison erlaubten Token im Gegensatz zur Konkurrenz nicht angerührt. Renault fühlt sich diesbezüglich gut aufgestellt: In den Bereichen Verbrennung, Zylinderköpfe, Einlässe und Turbolader, wo der Token-Einsatz wirkungsvoll wäre, benötigt man laut White nicht mehr als zwölf Token. "Und genau so viele haben wir noch zur Verfügung", reibt er sich die Hände.

Gleichzeitig trauert er aber auch dem misslungenen Saisonstart nach: "Eine der Ressourcen, die am wertvollsten ist, haben wir verloren - und das ist Zeit. Wir können das nicht aufholen."