• 03.06.2009 11:02

  • von Adrian Sutil

Sutil-Kolumne: Mein Leben in einem kleinen Team

Adrian Sutil beschreibt sein Leben in einem kleinen Team wie Force India, blickt zurück auf Monaco und gibt eine Prognose für die Türkei ab

Liebe 'Motorsport-Total.com'-Leser,

Titel-Bild zur News: Adrian Sutil

In den Straßen von Monaco hat es leider nicht die erhofften Punkte gegeben

wie ihr wisst, hatte ich mir für Monaco einiges ausgerechnet. Ich bin leider nur als 14. und Letzter ins Ziel gekommen. Trotzdem war das Wochenende keine Enttäuschung, denn wir haben am Samstag erstmals beide Autos ins zweite Qualifying gebracht. Das ist für ein Team wie Force India ein Erfolg. Dass es bei mir dann nicht so gelaufen ist, lag vor allem an der Strategie mit den weichen Reifen, aber wir mussten etwas riskieren. Vom 15. Startplatz aus kann man in die Punkte fahren, aber nur mit Risiko.

Giancarlo setzte auf eine andere Strategie und verpasste die Punkte um weniger als zwei Sekunden. Bei mir ist es daneben gegangen, aber mein Gott, was soll's? Über die Strategie kann ich als Fahrer letztendlich schon selbst entscheiden, aber in Monaco war klar, dass wir zwei verschiedene Varianten fahren sollten, weil mit dem Safety-Car und so weiter immer etwas passieren kann. Wenn man da ein bisschen flexibler ist, kann man auch mal etwas gewinnen. Das war meine Entscheidung, deshalb bin ich jetzt auch nicht so wahnsinnig enttäuscht.#w1#

Professionelle Arbeit auch im kleinen Team

Bei einem kleinen Team wie Force India wachsen die Bäume eben nicht über Nacht in den Himmel. Am Rennwochenende arbeite ich großteils mit meinen Ingenieuren zusammen. Das ist bei allen Teams ähnlich. Die Jungs machen das wirklich gut und ich hatte noch nie das Gefühl, dass da ein zusätzlicher Ingenieur notwendig wäre. Mit meiner Renncrew kann ich mir alle Telemetriedaten anschauen und alles abarbeiten, ohne hinterher zu sein. Insgesamt sind wir ja auch so 60, 65 Leute an der Strecke.

Empfangshalle bei Force India in Silverstone

Die Empfangshalle unserer Fabrik in Silverstone, unweit von der Rennstrecke Zoom

Wenn ich in der Fabrik in Silverstone bin - ich fliege nach jedem Rennen für ungefähr zwei Tage nach England -, dauert es meistens einen ganzen Tag, von einem Tisch zum nächsten zu gehen - bei 300 Leuten ist das harte Arbeit. Die Jungs freuen sich auch immer, wenn ein Fahrer da ist, weil viele ja nie an der Rennstrecke sind. Vijay ist da übrigens selten dabei. Erstens ist er kein Techniker und zweitens macht er viel am Telefon. Er hat ja auch noch andere Geschäfte, um die er sich kümmern muss.

Ich gehe also überall einmal durch, beantworte die Fragen, die halt auftauchen. Dieses Feedback ist sehr wichtig, gerade wenn es beim Rennen davor neue Updates gegeben hat. Manchmal kommt man da auf Kleinigkeiten, die sich verändert haben und die wichtig sind für die weitere Entwicklung. Man muss sich das in etwa so vorstellen, dass ich mit Ingenieuren an einem Computer sitze, die Telemetrie-Overlays durchgehe und ihnen erkläre, was bei diesem und jenem Zacken passiert ist.

Ich kann mir kaum vorstellen, wie das mit 1.000 Leuten in einem absoluten Topteam sein muss. Ich denke mal, da wird es dann weniger persönlich. Aber gerade das weiß ich an einem kleinen Team sehr zu schätzen: die familiäre Atmosphäre. Vom Rennteam kenne ich sowieso alle mit Vornamen, in der Fabrik weiß ich auch die meisten Gesichter. Sich alle Namen zu merken, ist schwierig, schließlich kommen auch immer wieder neue Mitarbeiter dazu. Aber zu manchen habe ich sogar so etwas wie ein freundschaftliches Verhältnis. Das wächst über die Jahre.

Zeit für private Plaudereien

Wenn nach einer Fabriktour mal Zeit ist, gehen wir auch dann und wann gemeinsam Abendessen und reden über andere Dinge. Zum Beispiel gibt es bei uns eine recht sportliche Gruppe, die gelegentlich Halbmarathons läuft. Durch mein Training laufe ich ja auch viel. Wenn es die Zeit zulässt, laufen wir sogar gemeinsam - und dann fachsimpeln wir dabei ein bisschen über das Laufen. So etwas finde ich ganz nett. Es muss sich nicht immer alles nur ums Racing drehen.

Force-India-Motorhome

Unser Motorhome zählt zu den größten und gemütlichsten im Paddock Zoom

Force India mag ein kleines Team sein, aber unsere Hospitality ist eine der höchsten im Paddock. Vijay wollte etwas haben, was ein bisschen extravagant ist. Zugegeben: Unser Massagetisch ist nicht mit Samt überzogen, wie das laut Gerhard Berger früher bei Ferrari der Fall war. Ich weiß auch nicht, ob das bei anderen Teams heute noch so ist. Aber selbst wenn: Auf so etwas lege ich keinen Wert.

Mein Fahrerraum ist ganz schön, darüber kann ich mich nicht beklagen. Natürlich ist er einfacher als etwa bei Lewis bei McLaren, denn dort wird sehr viel Wert auf Design gelegt, aber er erfüllt seinen Zweck. Ich habe dort alles, was ich brauche: einen kleinen Fernseher, eine Couch, einen Massagetisch, einen Schrank. Mehr brauche ich nicht. Theoretisch könnte ich dort am Rennwochenende auch übernachten, aber ehrlich gesagt bin ich meistens ganz froh, wenn ich dann auch mal von der Strecke wegkomme, um auf andere Gedanken zu kommen.

Der Traum vom Topteam

So wohl ich mich bei Force India auch fühle, so kann ich nicht leugnen, dass ich mir mehr sportlichen Erfolg wünschen würde. Man muss schauen, ob sich in Zukunft etwas mit einem Topteam ergibt, aber für mich ist zunächst mal wichtig, mich auf die nächsten Rennen zu konzentrieren und einen guten Job zu machen. Dann kommt der Rest von selbst. Klar ist es mein großes Ziel, einmal Weltmeister zu werden. Dafür braucht man aber auch ein Siegerauto.

Adrian Sutil und Giancarlo Fisichella

Auf Vijays Indian Empress in Monaco: Plausch mit meinem Kollegen Giancarlo Zoom

Als kleiner Junge habe ich immer davon geträumt, eines Tages für Ferrari oder McLaren zu fahren. Das sind die Prestigeteams in der Formel 1. Für die zu fahren, wäre etwas ganz Besonderes. Ich kann mir vorstellen, dass es in mir zu kribbeln beginnen würde, sollte mein Name auf so ein Auto aufgeklebt werden. Bei diesen Teams sind immer die besten Fahrer gewesen. Da will jeder einmal hin.

Aber das ist für den Moment zu weit gedacht. Das nächste Rennen findet am Wochenende in der Türkei statt. Ich freue mich schon darauf. Die Stadt ist interessant und die Strecke ist eine der besten neuen Strecken im Kalender. Turn acht ist etwas ganz Spezielles: eine Vierfach-Linkskurve, die sich ewig hinzieht - manchmal bei Vollgas. Über die Jahre haben sich dort auch ein paar Bodenwellen gebildet, aber das war bislang kein Problem. Das ist eine richtige Herausforderung! Auch sonst ist in der Strecke alles drin.

Ob wir dort im Qualifying wieder mit beiden Autos eine Runde weiterkommen, wage ich zu bezweifeln. Ich denke, das hatte viel mit der speziellen Charakteristik von Monaco zu tun. Uns fehlt es leider nach wie vor an Downforce, aber in Monaco haben wir zumindest mal gesehen, dass der mechanische Grip stimmt. Das war für die ganzen Leute im Team ermutigend. Es geht in die richtige Richtung.

Euer

Adrian Sutil