• 15.04.2009 17:42

  • von Adrian Sutil

Sutil-Kolumne: "Bin in dieser Epoche gut aufgehoben"

Adrian Sutil schreibt über den Reiz der modernen Formel 1, über die Schwächen seines VJM-02, über seinen Urlaub und die Rapkünste von Lewis Hamilton

Liebe Leser,

Titel-Bild zur News: Adrian Sutil

Voll konzentriert in die neue Saison: 2009 ist ein wichtiges Jahr für mich

während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich in London-Heathrow und warte auf meinen Flug nach Schanghai. Ich komme gerade frisch aus Bali, wo ich die vergangene Woche verbracht habe. Seit ich in der Formel 1 bin, nutze ich die Überseerennen am Saisonbeginn und -ende jeweils, um dort Urlaub zu machen und zu trainieren. Dieses Jahr war das eine ziemlich ruhige Angelegenheit - nach dem turbulenten Saisonauftakt genau richtig, um ein bisschen runterzukommen.

Man kann auf Bali alles haben: einen schönen Strand, super Wetter, Nachtleben, viele Geschäfte. Das gefällt mir sehr gut - ich fühle mich sehr wohl dort. Ich hatte ein schönes Ressort, bin ein bisschen durch die Stadt geschlendert. Früher war mein Kumpel Lewis Hamilton oftmals mit, aber Lewis konnte dieses Jahr nicht. Ich muss aber sagen: Eine Woche Ruhe, mal ganz alleine sein, das hat auch was. Außerdem habe ich Nico Rosberg am Abend getroffen. Er war aber eher im Landesinneren, während ich meistens am Strand war.#w1#

So aufregend wie selten zuvor

Zeit, mir die zwei bisherigen Rennen auf DVD anzugucken, hatte ich noch nicht. Trotzdem muss ich sagen: Aus meiner Perspektive fand ich die ersten zwei Rennen ganz cool! Schade, dass Malaysia abgebrochen wurde, aber am Wetter kann halt man nichts ändern. Es gab viele Proteste und Schlagzeilen. Das kann man so oder so sehen, aber unterm Strich war die Show für die Fans in Ordnung. Und zum Fahren macht es auch Spaß.

Das Auto übersteuert mit dem neuen Reglement wegen der Slicks ein bisschen mehr, weil wir mehr Grip an der Vorderachse haben. Das muss man kompensieren, aber sonst hat sich nicht viel geändert. Das Auto wurde schließlich für die Slicks entwickelt. Ich persönlich habe gar keine Probleme damit. Im Gegenteil: Ich empfinde das Auto als angenehmer zu fahren. Nur das mit der Auswahl der Reifenmischungen hat noch nicht ganz so hundertprozentig hingehauen, aber das wird Bridgestone auch noch in den Griff bekommen.

¿pbvin|512|795||1pb¿Was unser Force-India-Team angeht, so war mir nach den paar Testtagen im Winter schon klar, dass wir zu wenig Downforce haben. Von der Balance her bin ich zufrieden mit dem Auto, denn da haben wir uns im Vergleich zum Vorjahr deutlich verbessert. Das heißt, die Aufgabenstellung ist eigentlich ganz "simpel": Wir brauchen in allen Bereichen mehr Grip! Daran arbeiten wir. Es werden ein paar Updates kommen, aber das dauert natürlich ein bisschen.

Vielleicht ist euch aufgefallen, dass wir in Sachen Topspeed meistens vorne dabei sind oder die Liste sogar anführen. Das ist natürlich kein Zufall, sondern das hängt eben mit dem fehlenden Downforce zusammen. Würden wir die Flügel steiler stellen, um mehr Downforce zu haben, dann würde es uns an Topspeed fehlen. Aber zumindest ist das schon mal besser als im Vorjahr, als wir zu wenig Downforce hatten und auch auf den Geraden langsam waren. Sicher ist der starke Mercedes-Motor diesbezüglich kein Nachteil.

Ein knallhartes Business

Ich habe unsere Performance ehrlich gesagt immer realistisch gesehen. Viele haben im Winter davon geträumt, gleich ins Top-10-Qualifying und in die Punkte zu fahren, aber ich war mit solchen Aussagen ein bisschen vorsichtiger. Natürlich hofft man insgeheim immer, dass man trotzdem gleich am Anfang doch stärker ist, aber das braucht halt einfach Zeit. Das Formel-1-Business ist nichts für Däumchendreher, da fällt einem nichts in den Schoß. Man muss das Step by Step anpacken.

Adrian Sutil vor Felipe Massa

Vor Felipe Massa beim Grand Prix von Australien in der Boxengasse Zoom

Die neue Formel 1 hat drei große Features hervorgebracht: das Energierückgewinnungssystem KERS, die verstellbaren Frontflügel und die zweistöckigen Diffusoren einiger Teams. Wir haben davon leider noch gar nichts. Einen neuen Diffusor könnten wir bis Bahrain bekommen, denn das Internationale Berufungsgericht der FIA hat ja heute entschieden, dass die drei betroffenen Teams im Recht sind.

Was KERS angeht, so hat unser Partner Mercedes ein fertiges System, das wir theoretisch einsetzen könnten. Darüber werden wir in den nächsten Rennen allmählich nachdenken. Ich bin jedoch ein sehr großer und schwerer Fahrer, deshalb wird es mit KERS eng mit dem Gewicht. Wahrscheinlich werden wir es erstmal bei meinem Teamkollegen Giancarlo ausprobieren, der kleiner und leichter ist. Wenn es bei ihm wirklich etwas bringt, dann kann man auch bei mir mal einen Versuch starten.

Und zum verstellbaren Frontflügel ist zu sagen: Es ist nicht so, dass man ein kleines Motörchen draufschraubt und dann kann man den Flügel hoch- und runterfahren. Das ganze Konzept ist ein bisschen komplizierter - und ich glaube auch nicht, dass es wahnsinnig viel bringt. Denn wenn man eine gute Balance hat, dann muss man am Auto nicht viel verändern. Ich kann mir höchstens vorstellen, dass es im Renntrimm etwas nutzt, denn mit der härteren Reifenmischung kann etwas mehr Grip an der Vorderachse nicht schaden. Aber ein großartiger Vorteil ist dieser verstellbare Frontflügel nicht.

Ein alter Turbo wäre reizvoll

Alles in allem finde ich die Formel 1 in diesem Jahr ziemlich cool! Grundsätzlich fühle ich mich also in dieser Epoche gut aufgehoben. Es wäre mal ganz interessant, einen Turbo zu fahren, aber wenn ich mir die Onboardaufnahmen anschaue, dann hält sich mein Interesse auch wieder in Grenzen. Seither hat sich viel getan - die Autos sind heute viel schneller. Sicher hatten sie damals 1.500 oder mehr PS, aber die haben sie eh nicht auf die Straße bekommen. Die Autos waren schwer und in den Kurven langsam. Da hat sich die Formel 1 sehr weiterentwickelt.

Adrian Sutil

Vor dem Auftaktrennen stattete ich dem Melbourner Zoo einen Besuch ab Zoom

Nur was die Strecken angeht, wären mir ehrlich gesagt die 1980er-Jahre am liebsten gewesen. Da gab es noch Strecken für richtige Männer! Im Vergleich zu früher sind die modernen Strecken ein bisschen langweilig. Natürlich geht die Sicherheit immer vor, aber dadurch verlieren die Strecken ein bisschen von ihrem Reiz. Leider sind aufregende Austragungsorte wie Monte Carlo oder Spa-Francorchamps heute eher schon die Ausnahme der Regel.

Bevor ich jetzt in meinen Flieger steige, muss ich euch noch eine Geschichte erzählen: Wie ihr wisst, ist Lewis mit Nicole Scherzinger von den Pussycat Dolls zusammen. Nicole hat jetzt anscheinend gesagt, dass sie ein Duett mit Lewis aufnehmen will! Singen habe ich ihn leider noch nicht gehört, aber rappen. Das kann er sogar ganz gut! Vielleicht machen sie was Gutes zusammen. Ich kann mir das durchaus vorstellen!

Bis zum nächsten Mal!

Euer

Adrian Sutil