• 09.06.2013 14:40

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Maldonado: Der Ruhm droht zu verblassen...

Pastor Maldonado erklärt, warum er mit dem Williams FW35 nicht die gleichen Dinge anstellen kann wie sein überragender Teamkollege Valtteri Bottas

(Motorsport-Total.com) - Vor etwas mehr als einem Jahr war Pastor Maldonado noch der umjubelte Held des Williams-Teams, als er Teamchef Frank Williams beim Grand Prix von Spanien in Barcelona zum 70. Geburtstag völlig unerwartet den ersten Grand-Prix-Sieg seit 2004 schenkte. Doch von dieser Sternstunde ist wenig Glanz übrig geblieben.

Titel-Bild zur News: Pastor Maldonado, Valtteri Bottas

Pastor Maldonado steht bei Williams momentan im Schatten von Valtteri Bottas Zoom

Nach sechs Rennen hat die einstige Erfolgsmannschaft noch immer keinen WM-Punkt (und somit auch keinen Top-10-Platz) auf dem Konto - eine Schlappe, die sogar den bis dahin schlechtesten Saisonstart aller Zeiten von 2011 noch einmal unterbietet. Und dass teamintern nicht mehr Routinier Maldonado den Ton angibt, sondern Rookie Valtteri Bottas, der im Qualifying-Stallduell mit 5:2 in Führung liegt, passt ebenfalls ins Bild.

Maldonado haftet der Ruf an, nur wegen seiner 35 Millionen Euro aus der venezolanischen Staatskasse bei Williams zu sein, doch tatsächlich ist er auch ein extrem schneller Formel-1-Pilot. Allerdings konnte er dieses Potenzial 2013 noch nicht umsetzen, weil der FW35 seinem Fahrstil nicht entgegenkommt. So auch gestern im Qualifying: Während Bottas in Montreal sensationell auf Platz drei fuhr, landete Maldonado nur auf Rang 13.

Beide Williams-Fahrer mit "halbem" Regen-Setup

Die Differenz ist nicht durch das Setup zu erklären, denn da sind beide ein bisschen in Richtung feuchte Strecke gegangen: "Beide Autos waren in der gleichen Konfiguration unterwegs", bestätigt Chefingenieur Xevi Pujolar. Aber Maldonado lässt dennoch nicht im Raum stehen, dass nur das fahrerische Können ausschlaggebend war: "Valtteri ist sehr gut gefahren", erklärt er und fügt an: "Mit einer anderen Strategie als ich."

"In Q2 fuhr er von Anfang an mit neuen Reifen. In Q1 hatte ich am Ende gelbe Flaggen, als ich einen neuen Reifensatz drauf hatte, also ist es mir nicht gelungen, die Runde optimal umzusetzen", so der 28-Jährige. "Aber wenn man sich die Sektorenzeiten anschaut, dann war ich dabei, sehr konkurrenzfähig. Ich habe sie nur nicht in eine Runde gebracht - wegen der roten Flagge, wegen Verkehr und so weiter."


Anthony Davidson erklärt die Strecke in Montreal

Eine Behauptung, die sich durch Fakten untermauern lässt: Bottas war in Q2 im ersten Sektor mit 25,9:26,0 Sekunden knapp schneller als Maldonado, im zweiten Sektor deutlich schneller (29,2:29,5), im dritten dafür langsamer (33,2:33,0). "Es ging heute gar nicht um sein Auto, mein Setup oder unsere Fahrleistung, sondern es lag alles an den Bedingungen", relativiert Maldonado seine Q2-Niederlage um eineinhalb Sekunden.

"Wenn du es schaffst, deine Runden zustande zu bekommen, dann bist du vorne. Die meisten Fahrer hatten Pech mit der roten Flagge. Das ist alles", sagt er. Dass Bottas "ziemlich gut" sei, will der Williams-Fahrer aber gar nicht leugnen: "Wir haben unterschiedliche Fahrstile. Er fährt sehr sanft und sauber, während ich viel Energie ins Auto packe und das Auto voll nutze. Das hat vergangenes Jahr funktioniert, jetzt aber nicht mehr."

Qualifying-Mojo mit dem FW35 verloren gegangen

"Ich komme dieses Jahr mit dem Auto nicht zurecht und fühle mich sehr langsam. Ich kann nicht das machen, was ich vergangenes Jahr machen konnte. Da war ich im Qualifying sehr schnell - einer der Schnellsten. Das habe ich nicht verlernt, aber dieses Auto zeigt mir neue Grenzen auf. Daran müssen wir arbeiten", sagt Maldonado und behauptet: "Das Problem kommt von der aerodynamischen Seite."

Pastor Maldonado

Vom Ruhm des sensationellen Sieges in Barcelona 2012 ist wenig übrig geblieben Zoom

"Die Front ist das Hauptproblem, das Heck verstehen wir besser", geht er ein wenig ins Detail und ortet den Sargnagel ganz konkret beim Einlenkverhalten. Und: "Das Auto ist nicht schlecht, das Potenzial ist da. Aber wir müssen die Probleme beheben. Wenn du langsam fährst und keine Energie ins Auto bringst, fühlt es sich sehr gut an. Aber ich nutze das Auto halt auf meine Weise - und das funktioniert nicht mehr."

"Pastor", erklärt Chefingenieur Pujolar, "ist sehr spezifisch, wohingegen sich Valtteri besser auf die derzeitigen Gegebenheiten einstellen kann. Beide sind sehr aggressiv, aber beide können auch die Reifen schonen. Pastor hat manchmal im Qualifying einen Vorteil, aber er muss das Auto richtig spüren." Das sei mit dem FW35 nur selten der Fall: "Momentan haben wir mit ihm mehr Probleme als mit Valtteri."

Entwicklungsrichtung für beide Fahrer gleich

Immerhin: Für die Ingenieure besteht offenbar keine akute Gefahr, dass Bottas plötzlich nicht mehr mit dem Auto zurechtkommen wird, sollte man die notwendigen Änderungen für Maldonado implementieren. Denn was die technische Weiterentwicklung des FW35 angeht, ziehen die beiden Teamkollegen trotz aller Unterschiede an einem Strang: "Beide haben um Dinge gebeten, die das Auto in die gleiche Richtung bringen", sagt Pujolar.

"Der Williams war immer ein Auto, das im Regen ziemlich gut ging." Nico Hülkenberg

Für das heutige Rennen in Montreal hat Williams übrigens auf etwas mehr Anpressdruck gesetzt als so manches gegnerische Team: "Jemand hat mir gesagt, dass sie mit mehr Abtrieb unterwegs waren", verrät Ex-Williams-Pilot Nico Hülkenberg, der Überraschungs-Polesetter von Sao Paulo 2010: "2010 - und auch als ich Testfahrer war - war der Williams immer ein Auto, das im Regen ziemlich gut ging."

Insofern verwundert es kaum, dass Maldonado über die Wettervorhersage nicht glücklich ist: "Mir wäre es am liebsten, die gleichen Bedingungen wie heute zu haben", so der Venezolaner nach dem Qualifying. "Ich erwarte nicht, dass wir superschnell sind, wenn es trocken wird. Normalerweise sind wir sehr reifenschonend. Diesen Vorteil haben wir hier nicht, weil der Abbau für alle sehr niedrig ist." Aber: "Punkte sind realistisch."