Kosten: Rebellion der kleinen Teams?

Verwarnungen wegen kritischer Interviews, scharfe Worte gegen CVC, Angst vor den ständig steigenden Kosten: In der Formel 1 liegen die Nerven blank...

(Motorsport-Total.com) - Das Thema Kosten bestimmt dieses Wochenende in Monaco wieder einmal die politischen Diskussionen hinter den Kulissen der Formel 1. Während nämlich im Fürstentum eine Party nach der anderen gefeiert wird, so als würde Geld keine Rolle spielen, kämpfen besonders einige der kleineren Teams ums nackte Überleben. Angesichts der steigenden Kosten blicken sechs Teams einer unsicheren Zukunft entgegen.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone, Martin Whitmarsh

Formel-1-Boss Bernie Ecclestone im Gespräch mit Martin Whitmarsh Zoom

Lotus sucht schon seit Monaten händeringend einen Investor, um diverse Rechnungen weiterhin bezahlen zu können, ebenso wie das Schweizer Sauber-Team. Force India gilt zwar als eigenständige Firma, doch die schweren finanziellen Turbulenzen rund um Miteigentümer Vijay Mallya sind zumindest kein gutes Zeichen. Williams wurde mit den Millionen von Pastor Maldonado alle Sorgen los, aber sollte der Venezolaner das Team wechseln, würden plötzlich 35 Millionen Euro im Budget fehlen. Caterham und Marussia, die beiden kleinsten Rennställe, waren sowieso noch nie auf Rosen gebettet.

Selbst McLaren stand schon einmal wesentlich besser da und hat Sergio Perez sicherlich auch wegen der Aussicht auf die Gelder des reichsten Mannes der Welt, Carlos Slim, verpflichtet - angeblich soll Telmex ja ab 2014 Hauptsponsor werden. Dann also, wenn die neuen V6-Turbo-Antriebseinheiten eingeführt werden, die Kundenteams zwischen 18 und 23 statt bisher acht Millionen US-Dollar kosten werden. Dazu kommt eine deutliche Erhöhung der FIA-Nenngebühr sowie ein Comeback der Testfahrten während der Saison, beschlossen am Freitag in Monaco.

Geheimtreffen von sechs Teams mit Ecclestone

Bei einem Treffen zwischen Vertretern von Ferrari, Red Bull, McLaren, Mercedes, Lotus und Williams mit Bernie Ecclestone wurden - ohne Zutun der übrigen Teams - die grundsätzlichen Inhalte des sogenannten Maranello-Agreements bestätigt, obwohl an diesen zuletzt massiv gerüttelt worden war. Dazu wurde beschlossen, die bisher erlaubten vier Tage Geradeaus-Testfahrten während der Saison durch acht Tage richtige Streckentests zu ersetzen, zusätzlich zu den zwölf Tagen vor Saisonbeginn.

Das wurde einerseits gewünscht, damit die Teams und Motorenhersteller gerade angesichts der Einführung eines neuen Reglements ab 2014 besser weiterentwickeln können, kostet aber klarerweise Geld. Sauer stößt einigen auch auf, dass die Entscheidung nur von der Hälfte der Teams getroffen wurde, während die andere Hälfte kein Mitspracherecht hatte. Das heizt den vagen Plan der "Rebellen" an, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, um eine mögliche Verletzung von internationalem Wettbewerbsrecht prüfen zu lassen.

Maranello- wird zum Monaco-Agreement

McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh, gleichzeitig Vorsitzender der Teamvereinigung FOTA, bestätigt auf Anfrage von 'Motorsport-Total.com', dass das Meeting stattgefunden hat: "Wir hatten gestern ein vertrauliches Treffen. Dabei sind einige Ideen auf den Tisch gekommen", sagt er, ohne konkrete Inhalte zu nennen. "Diese Konzepte gehen nun weiter zur Sportlichen Arbeitsgruppe und vielleicht zur Formel-1-Kommission oder zumindest zum Motorsport-Weltrat. Da gibt es dann die Möglichkeit, das weiter zu diskutieren."

"Tatsache ist, dass die Hersteller einen Haufen Geld dafür ausgegeben haben, diese Motoren zu entwickeln." Martin Whitmarsh

Der FIA-Motorsport-Weltrat, der in letzter Instanz allen Regeländerungen zustimmen muss, tagt am 12. Juli. Das wäre theoretisch die letzte Gelegenheit, das neue Motorenreglement doch noch zu kippen, aber dieser Zug scheint abgefahren zu sein: "Ich glaube, es ist zu spät", bedauert Whitmarsh. "Wir haben eine Gelegenheit ausgelassen. Tatsache ist, dass die Hersteller einen Haufen Geld dafür ausgegeben haben, diese Motoren zu entwickeln. Sie erlauben große technische Freiheiten, und Ingenieure versuchen natürlich, diese auszuschöpfen."

"Ingenieure schreiben die Regeln und schöpfen sie aus, aber dieser Prozess verschleißt einen Haufen Geld. Ich bin mir sicher, dass die Hersteller ihre festgeschriebenen Budgets haben und ihre Ausgaben so gut wie möglich amortisieren müssen", spielt er auf die hohen Entwicklungskosten für Ferrari, Mercedes und Renault an, die letztendlich auf die Kundenteams umgewälzt werden. "Wir als Sport haben uns ein Eigentor geschossen. Da kommen wir aber momentan nicht raus. Es ist keine große Belastung für McLaren, aber für einige andere Teams glaube ich schon."

Schwarzer Peter für die Ingenieure?

Allerdings kann sich Whitmarsh nicht alleine an den Ingenieuren abputzen, sondern er muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass das neue Reglement von der Sportlichen und Technischen Arbeitsgruppe und der Formel-1-Kommission zum FIA-Motorsport-Weltrat durchgewunken wurde - und in all diesen Gremien hätten die Vertreter der Teams Gelegenheit gehabt, die Neuerungen zu kippen und stattdessen am aktuellen Reglement festzuhalten, um Entwicklungskosten zu sparen. Zumindest solange, bis sich die finanzielle Situation der Teams bessert.

"Wir müssen gründlicher werden, wenn wir etwas angehen, und die Auswirkungen besser abschätzen." Martin Whitmarsh

Von 'Motorsport-Total.com' auf diesen Widerspruch in seinen Aussagen angesprochen, gibt der Brite zähneknirschend zu: "Ja, wir alle haben unsere Aufgabe nicht gut gemacht." Und zwar nicht zum ersten Mal in den vergangenen Jahren, wie er ebenfalls einsieht: "Wir müssen gründlicher werden, wenn wir etwas angehen, und die Auswirkungen besser abschätzen. Wir müssen härter an Kosteneinsparungen in der Formel 1 arbeiten." Denn die aktuelle Situation sei "wirklich eine Bedrohung für den Sport", wie er dem 'Guardian' sagt.

"Die Formel 1 funktioniert am besten, wenn es eine Krise gibt, aber es ist schade, dass wir eine Krise schaffen müssen, um zusammenzuarbeiten", erklärt Whitmarsh in dem Zeitungsinterview. "Dieser Sport braucht zehn oder elf Teams, also sollten wir kämpfen, jene zehn oder elf Teams zu halten, die wir jetzt haben. Darin sind wir aber nicht gut. Wir vermasseln es. Ich fürchte, dass es uns erst wieder bewusst wird, wenn wir in einer Krise stecken. Derzeit kann ich nicht sehen, wie die kleinen Teams ein nachhaltiges Geschäftsmodell auf die Beine stellen sollen."

CVC: "Das Schlimmste, was der Formel 1 je passiert ist"

Auch angesichts der Tatsache, dass die Inhaber der kommerziellen Rechte der Formel 1, angeführt von der Investmentgesellschaft CVC Capital Partners, rund 50 Prozent der Gesamteinnahmen aus der Vermarktung einstreifen, während nur die andere Hälfte unter zehn Teams (exklusive Marussia) aufgeteilt wird. "Ich finde, CVC hat miserable Arbeit geleistet", kritisiert Robert Fernley, stellvertretender Teamchef von Force India, im gleichen 'Guardian'-Beitrag. "Meiner Meinung nach sind sie das Schlimmste, was der Formel 1 je passiert ist."

Robert Fernley

Robert Fernley ist einer der schärfsten Kritiker des Rechteinhabers CVC Zoom

Das hört man bei CVC vor dem geplanten Börsengang der Formel 1 natürlich nicht gerne, weshalb Fernley und Whitmarsh für ihre offenen Aussagen verwarnt wurden. CVC-Manager Donald Mackenzie ist derzeit höchstpersönlich in Monaco, um Gespräche zu führen. Auch mit den Teams? "Ich bin mir sicher, dass Teams...", setzt Whitmarsh gegenüber 'Motorsport-Total.com' zur Antwort an, macht dann aber doch einen Rückzieher - ehe er klarstellt: "Im Moment haben wir keine offensichtliche Krise, aber wir sollten nicht darauf warten, dass eine kommt."

Und das ist in den Augen vieler nur eine Frage der Zeit: "Wir hatten vor kurzem eine Krise, als Teams und Hersteller ausgestiegen sind. Dann haben wir zusammengehalten, aber die Leute vergessen das und fallen in alte Geschäftsmuster zurück", befürchtet der McLaren-Teamchef. Fernley ergänzt: "Alles, was wir momentan tun, erhöht die Kosten. Es gibt keine Initiativen, die Kosten zu senken. Wenn wir uns dessen nicht annehmen, werden wir Teams verlieren. Alle Teams haben Schwierigkeiten. Bei einigen wäre man überrascht, wie weit vorne sie stehen."

"CVC", fährt er mit seiner Kritik fort, "hat eine Agenda als Banker, nämlich so viel Geld wie möglich aus ihrem Investment herauszuholen. Das setzt voraus, dass nur minimal investiert wird - und das ist nicht im Interesse des Sports. Das ist die schlimmste Kombination, die man sich vorstellen kann. Ich kann diese Logik nur hinterfragen." Gleichzeitig äußert er eine Verschwörungstheorie: "Vielleicht wird ja in Wahrheit versucht, einige Teams loszuwerden, sodass sie endlich Kundenteams einführen können?"

Dabei waren die neuen Motoren noch vor einigen Monaten nicht ein potenzieller Sargnagel, sondern Heilsbringer für die Formel 1. Man könne es sich nicht länger leisten, mit alter Saugmotoren-Technologie quasi unlimitiert Benzin zu verbrennen, sondern müsse den Schwerpunkt auf Benzineffizienz und Hybridtechnologie legen. Auf diese Weise wollte man auch neue Hersteller zum Formel-1-Einstieg bewegen. Doch obwohl mit Honda schon der erste angebissen hat, geraten diese positiven Argumente mehr und mehr in den Hintergrund.

"Das ist die schlimmste Kombination, die man sich vorstellen kann. Ich kann diese Logik nur hinterfragen." Robert Fernley

"Downsizing, Benzineinspritzung, Turbolader - das sind serienrelevante, gute Technologien. Energierückgewinnung halte ich auch für gut", erklärt Whitmarsh zu diesem Thema. "Ob die hochdrehenden Aggregate, die notwendig sind, um von Auspuffturbinen mit über 100.000 Umdrehungen pro Minute angetrieben zu werden, serienrelevant sind? Ich vermute eher nicht. Die sind ziemlich exotisch. Das Grundkonzept ist gut, aber wir haben vielleicht einige der exotischeren Aspekte nicht gut genug kontrolliert."