• 05.07.2008 21:04

  • von Dieter Rencken

Heidfeld: Der Schritt aus der Krise?

Nick Heidfeld fuhr im Qualifying in Silverstone auf den fünften Platz und präsentierte sich stärker als zuletzt - Aufwärtstrend bei 'Quick Nick'?

(Motorsport-Total.com) - Die Saison 2008 ist keine leichte für Nick Heidfeld. Während Teamkollege Robert Kubica scheinbar mühelos mit dem F1.08 zurrecht kommt, hat Heidfeld große Schwierigkeiten, auf Tempo zu kommen. In den vergangenen Rennen schien sich aber ein Aufwärtstrend beim Deutschen anzudeuten, den er in Großbritannien bestätigen konnte. Im Interview spricht Heidfeld über die Qualifikation in Silverstone, die Lösung seiner Probleme, den anstehenden Heim-Grand-Prix und die deutschen Fans.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Kann Nick Heidfeld in Silverstone die große Wende einläuten?

Frage: "Nick, endlich ein Schritt nach vorne?"
Heidfeld: "Ja, ich bin mit dem fünften Platz sehr zufrieden. Ich dachte schon in Magny-Cours, dass das Qualifying nicht so übel war, denn da lag ich nur sechs Hundertstelsekunden hinter Robert. Aber da wusste ich natürlich noch nicht, ob es ein Aufwärtstrend sein würde."#w1#

Aufwärtstrend bei Heidfeld

"Jetzt schaut es zum zweiten Mal nicht schlecht aus, deshalb bin ich zufrieden. Im ersten Run in Q1 war ich schneller als er, im zweiten Abschnitt lag ich zwei Hundertstel zurück. Der fünfte Rang ist für mich die beste Position seit langem. Meine Spritladung sollte auch nicht so schlecht sein, ich bin also sehr zufrieden."

Frage: "Sind das nun die Fortschritte aus Barcelona?"
Heidfeld: "Barcelona war sehr wichtig, aber wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten viel nachgedacht und gearbeitet. Es ist schwierig zu sagen, dies oder das war der entscheidende Faktor. Wir haben viele Kleinigkeiten verändert - auch von gestern auf heute, denn gestern war ich mit dem Auto überhaupt nicht zufrieden. Wir haben also ein paar kleine Veränderungen an der richtigen Stelle vorgenommen und heute war es prompt recht ordentlich."

Frage: "Lag es mehr am Setup als am Fahrstil?"
Heidfeld: "Ja. Wir mussten am Auto einfach ein paar Kleinigkeiten finden - beim Setup, bei den Reifen."

Heidfeld wieder zurück zu alter Stärke?

Frage: "Hast du nach langer Arbeit nun die Lösung für deine Probleme gefunden?"
Heidfeld: "Da ich ein recht vorsichtiger Mensch bin, sage ich jetzt einmal, dass wir wahrscheinlich noch nicht am Ende angekommen sind. Andere Leute würden nach zwei guten Qualifyings vielleicht sagen, dass wir den Kasus Knaxus gefunden haben."

"Ich bin da aber eher vorsichtig und bin überzeugt, dass da noch mehr kommen kann, als man jetzt sieht. Es ist ganz klar ein Aufwärtstrend da, wir haben mit Sicherheit einige Dinge gefunden, die wir auch verbessert haben. Das hat auch was gebracht, aber es ist gewiss noch nicht die Zeit gekommen, um freudig zu sagen, alles sei erledigt."

Frage: "Warst du eher angespannt oder fokussiert auf diese Arbeit?"
Heidfeld: "Beides. Natürlich war unabhängig vom äußeren Druck eine größere Anspannung da, wenn es einfach nicht so läuft. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich fokussiert arbeite."

Frage: "Glaubst du, das Team kann wieder an die Leistungen von vor dem Frankreich-Rennen anknüpfen?"
Heidfeld: "Ich hoffe, dass Frankreich eine Ausnahme war. Die Leistunggefälle hat sich etwas verändert, Red Bull sieht sehr stark aus und auch Toro Rosso scheint gut zu sein, wo sie jetzt doch das neue Auto haben. Ich war eigentlich nur überrascht davon, dass die Ferraris nicht so stark waren. In Q2 lagen sie hinter unseren beiden Autos und in Q3 konnte ich Massa hinter mir lassen. Vielleicht hat er viel Sprit an Bord, ich hatte aber trotzdem erwartet, sie im Kampf um die Pole-Position zu sehen."

Red Bull und Toro Rosso überraschen

Frage: "Haben die Red Bull und Mark Webber überrascht?"
Heidfeld: "Eher über Red Bull, gegen Mark bin ich ja schon gefahren. Er ist einer der besten Qualifier, aber Red Bull hat sich ganz klar gesteigert, was sich wiederum teilweise auf Toro Rosso auswirkt. Die haben ja jetzt auch das neue Auto und turnen damit ebenfalls vorne herum."

Frage: "Hast du das Gefühl, Red Bull und Toro Rosso rücken eher näher an BMW heran als ihr an Ferrari und McLaren-Mercedes?"
Heidfeld: "Ja, aber ich denke, Red Bull kommt auch näher an Ferrari und McLaren ran. Ich glaube nicht so sehr, dass Ferrari und McLaren-Mercedes uns so weit davonziehen werden. Vielleicht sind sie etwas besser geworden - relativ gesehen hat aber wohl Red Bull einen ziemlich großen Schritt gemacht. Die zweite Position hier ist schon sehr stark."

Frage: "Was für ein Gefühl ist es, mal wieder von einer ordentlichen Position ins Rennen zu gehen?"
Heidfeld: "Das ist natürlich schön, eine gute Ausgangsposition - meine beste seit langem. Ich weiß gar nicht, wo ich bei den vergangenen Rennen stand. Ich muss aber nicht so viel überholen, wie in den vergangenen Rennen."

Regenrennen wäre nicht weiter tragisch

Frage: "Es wäre aber schön, wenn du jetzt noch überholen könntest, oder?"
Heidfeld: "Ich kombiniere das jetzt: Ein gutes Qualifying und auch noch Überholmanöver."

Frage: "Was empfindet man, wenn man im Teamradio hört, dass man endlich wieder weit vorne steht?"
Heidfeld: "Das wusste ich schon, als ich auf die Rundenzeit geschaut habe und außerdem habe ich es auch gespürt. Das Auto lag besser und ich konnte die Reifen in der einen Runde besser ausnutzen - da habe ich mich schon gefreut. Endlich lief es vom Gefühl her halbwegs normal, da fällt einem schön ein Stein vom Herzen."

Frage: "Gab es einen großen Unterschied zwischen den beiden Reifensorten?"
Heidfeld: "Ja, der Unterschied war groß. Die weiche Mischung war besser. Ich war aber trotzdem erstaunt, wie gut die Balance mit den harten Reifen war - gestern war das nicht so gut. Wir haben aber die richtige Wahl getroffen. Die weichen Reifen haben nicht komplett durchgehalten, waren aber noch immer schneller als die harten."

Frage: "Wie ist deine Einstellung, falls es morgen richtig regnet?"
Heidfeld: "Regen ist immer irgendwo Glückssache. Was die Strategie betrifft, so ist es tendenziell besser schwerer betankt zu sein. Es kann aber genauso gut passieren, dass du leicht unterwegs bist und den Boxenstopp zur rechten Zeit einlegen kannst."

"Da gehört einfach Glück dazu. Von der Spritmenge her sollte ich im Vergleich zu den anderen nicht allzu schlecht dastehen und im Regen fahre ich für gewöhnlich gerne. Ich hätte also nichts dagegen. Auf der anderen Seite ist die fünfte Position eine gute Ausgangslage, aus der ich auch im Trockenen etwas machen kann."

Alle deutschen Fahrer Sympathieträger

Frage: "Was waren deine Eindrücke vom Safety-Car-Test?"
Heidfeld: "Ich kann da nur für mich sprechen, aber mir gefällt dieses System besser als die aktuelle Lösung. Optimal ist es nicht. Man muss sich recht stark auf das Lenkrad konzentrieren und verliert dabei den Blick für das Umfeld. Wenn ich entscheiden könnte, dann würde ich wieder zurück zur alten Regelung."

Frage: "Hockenheim ist die nächste Station. Was bedeutet dir der deutsche Grand Prix?"
Heidfeld: "Natürlich ist das etwas Besonderes, es ist schließlich mein Heimrennen. Wir werden dort nächste Woche testen und ich bin mir sicher, dass wir dort wieder eine Menge Fans da sein werden. Das ist eine schöne Sache."

Frage: "Wie siehst du die Wahrnehmung der deutschen Fahrer? Teilen die Zuschauer ihre Sympathie unter euch auf?"
Heidfeld: "Damit habe ich mich nicht wirklich beschäftigt. Das wäre ohnehin nicht leicht nachzuvollziehen. Wenn sich dafür interessiert, dann ist Hockenheim möglicherweise der richtige Ort dafür. Ich glaube aber kaum, dass die Leute den einen Fahrer lieben und den anderen hassen. Die Deutschen unterstützen meiner Meinung nach alle deutschen Fahrer. Die meisten werden aber wohl ihren Favoriten haben."

Viele tolle Erinnerungen in Hockenheim

Frage: "Hast du Veränderungen bemerkt, als Michael Schumacher die Formel 1 verließ?"
Heidfeld: "Nein, aber ich habe gewisse Veränderungen registriert, als BMW über die Jahre immer stärker wurde."

Frage: "Auf welche Kurse freust du dich in dieser Saison noch am meisten?"
Heidfeld: "Auf Hockenheim als Heim-Grand-Prix natürlich. Monza könnte aufgrund unserer Performance recht gut sein, ganz einfach, weil es mit Kanada vergleichbar ist und wir dort schnell waren."

Frage: "Was ist die schönste Erinnerung, die du mit Hockenheim verbindest?"
Heidfeld: "Da gibt es nicht diese eine, da habe ich viele vor Augen. Ich bin dort viele schöne Rennen gefahren: In der Formel 3, in der Formel 3000 und auch in der Formel Ford, damals noch auf der alten Strecke. Da sticht nicht ein Ereignis hervor, ich habe schon viele schöne Rennen erlebt."