• 09.08.2008 13:33

  • von Roman Wittemeier

Hält KERS, was es verspricht?

In Bezug auf KERS halten sich viele Zweifel wegen der Sicherheit und dem Nutzen für den Bau von Straßenautos - Trotzdem ein guter Weg für die Formel 1?

(Motorsport-Total.com) - Nachdem die Entwicklung eines Formel-1-Autos in den vergangenen Jahren durch immer neue Regeln immer weiter beschnitten wurde, haben die hoch qualifizierten Techniker der Teams endlich mal wieder eine richtige Nuss zu knacken. KERS (Kinetic Energy Recovery System) sorgt wegen einiger Zwischenfälle immer wieder für Diskussionen. Es bleibt die Frage, ob die Hersteller zu Beginn der kommenden Saison bereits ein einsatzfähiges System auf die Beine stellen können, welches Wirkung zeigt und Sicherheit bietet.

Titel-Bild zur News: KERS

Beim Bremsen verpuffen riesige Mengen an Energie als Abwärme

Die neuen Energie-Rückgewinnungs-Systeme wurde durch FIA-Präsident Max Mosley ins motorsportliche Spiel gebracht. Hintergrund: Mosley will eine stärkere Legitimation für die Formel 1 in der Öffentlichkeit erreichen, der Sport auf höchstem Niveau soll wieder mehr die technische Vorreiter-Rolle für die Entwicklung von Straßenautos übernehmen. Nicht nur dem Briten war aufgefallen: Die Formel 1 hinkt der Serienproduktion auf dem wichtigen Feld der Hybridantriebe hinterher. Das soll sich durch KERS ändern - die sportliche Show soll durch einen "Boost-Button" verbessert werden.#w1#

Kann KERS die Serie wirklich befruchten?

"Ohne irgendetwas wie KERS sind wir Dinosaurier." Nick Fry

"Aus Herstellersicht muss die Formel 1 die Spitze der Technologie darstellen", stimmte Honda-Geschäftsführer Nick Fry gegenüber dem britischen 'Telegraph' zu. "Ohne irgendetwas wie KERS sind wir Dinosaurier." Fry hat als Vertreter des japanischen Werksteams nur wenig Berührungsängste bei der neuen Technik, denn im Hause Honda treibt man die Entwicklung von Hybridantrieben ohnehin seit Jahren konsequent voran.

Ähnlich verfolgt man die Technik der alternativen Antriebsmethoden bereits seit langer Zeit bei Toyota. Mit dem Hybridauto Prius nimmt man eine exponierte Stellung im Rahmen der Bemühungen ein, jedoch ohne dafür in der Öffentlichkeit entsprechende Resonanz zu erfahren. Als wirklich neue Herausforderung betrachtet man die Entwicklung von KERS im Hause Toyota nicht. Im Gegenteil: Von einigen Technikern war zu hören, das Formel-1-System sei im Vergleich zur Serie geradezu "primitiv, aber immerhin ein Anfang."

Da der öffentliche Ruf nach Umweltbewusstsein und neuen Antriebstechniken immer lauter wird, stehen die Hersteller KERS zumeist offen gegenüber. Anders die privaten Rennställe, die keine Straßenfahrzeuge verkaufen und daher ein untergeordnetes Interesse an der technischen Neuerung haben, weil sie womöglich zusätzliche Unsummen verschlingen wird. Williams-Teilhaber Patrick Head erklärte: "Ich weiß nicht, ob wir den Leuten wirklich vorgaukeln sollten, dass wir da etwas entwickeln, was sich im Straßenauto wieder findet."

Weg vom Ökoimage des Hybridantriebs

"Aber wenn KERS dabei helfen kann, ein effizientes, Energie sparendes Auto mehr sexy erscheinen zu lassen und für Machos interessant zu machen und nicht nur bei Leuten, die Öko-Sandalen tragen, dann hat es etwas bewirkt", gab der Brite in seiner typisch trocken-humorigen Art zu Protokoll. "Wer meint, KERS sei nicht relevant, trifft den Punkt nicht", widersprach Honda-Geschäftsführer Fry. "Es geht dabei auch um die Ausbildung von Ingenieuren und der Lösung einer langfristig wichtigen Aufgabe. Wird sich unser Formel-1-System im Honda Civic wieder finden? Wahrscheinlich nicht, aber einige der Gedanken und Technologien werden bestimmt einfließen können."

"Wenn KERS dabei helfen kann, ein Energie sparendes Auto mehr sexy erscheinen zu lassen, dann hat es etwas bewirkt" Patrick Head

Beim BMW Sauber F1 Team ist man ebenfalls sicher, dass man zumindest Teile der KERS-Entwicklung auf die Serienproduktion übertragen kann. Allerdings braucht es offenbar Zeit, denn die Technik scheint zumindest im Rennsport nach wie vor in den Kinderschuhen zu stecken, entsprechende Kinderkrankheiten gilt es zu kurieren. Gerade das deutsch-schweizerische Team kann ein langes Lied davon singen. Beim ersten öffentlichen Streckenversuch in Jerez war ein Mechaniker wegen KERS durch einen Stromschlag niedergestreckt worden.

Bereits in den 90er Jahren hatte BMW ähnliche Technologien untersucht, aber auch damals schon schlechte Erfahrungen gemacht. Man experimentierte mit Schwungscheiben als Energiespeicher. Als sich allerdings eine solche Scheibe selbstständig machte und als unkontrolliertes Geschoss davonjagte, stellte man die Versuche ein. Mittlerweile sind solche Techniken allerdings in Bussen und Straßenbahnen im Einsatz, die Gefahren scheinen gebannt.

Dennoch bleiben teils erhebliche Zweifel, ob die KERS-Sicherheit bis zum Start der Formel-1-Saison 2009 in den Griff zu bekommen ist. Nach dem Zwischenfall in der Boxengasse von Jerez meldete sich Fahrergewerkschafts-Chef Mark Webber kürzlich mit den Worten: "Es geht das Gerücht um, dass die keine Ahnung haben, warum es passiert ist. Das macht uns Sorgen." Dennoch: Nicht nur im BMW Sauber F1 Team ist man zuversichtlich, dass man die Technik beherrschen kann.

Experte Surer sieht die Situation gelassen

"Ich denke schon, dass man das schnell auf die Reihe kriegt, weil da große Hersteller im Hintergrund sind", beschrieb 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer. "Das ganze kann man auf dem Prüfstand entwickeln. Das muss man nicht allzu viel fahren, um das in die Reihe zu bekommen. Das kann man alles theoretisch durchspielen und dann funktioniert das irgendwann. Es wird dann eingebaut und dann geht es nur noch um Temperaturen, Vibrationen und wie es sich im Auto verhält. Ich glaube, dass wir da zu viel Panik machen. Das wird funktionieren, davon bin ich überzeugt."

BMW Mechaniker Jerez

Jerez: Ein BMW Mechaniker hat beim Test von KERS einen Stromschlag bekommen Zoom

Nach Ansicht des ehemaligen Formel-1-Piloten und aktuellen Co-Kommentator von 'Premiere' hat selbst der Stromschlag beim BMW Sauber F1 Team der Entwicklung keinen Dämpfer versetzt. "Ich sehe das so: Früher war die Feuergefahr in der Formel 1 ein riesiges Thema. Man hat dann Tanks vorgeschrieben mit Ventilen, die automatisch schließen, wenn etwas austritt. Heutzutage ist das Feuer überhaupt kein Thema mehr."

Selbst die häufig auftretenden Flammen im jüngsten Formel-1-Rennen in Ungarn seien harmlose Effekte gewesen: "Wenn es mal an der Box brennt, dann ist das nur ein paar Sekunden und dann ist es auch wieder weg. Man hat das Feuer in den Griff bekommen und nun wird man die Elektrizität - also die Batterien - in den Griff bekommen. Natürlich bräuchte solch ein Auto eine Erdung, das müsste man vorschreiben. Das war bei dem Zwischenfall ja das Hauptproblem."

Der Stromschlag in Jerez war nicht der einzige Zwischenfall bislang. Im Red-Bull-Werk gab es bei Versuchen mit der Energiespeicherung Feueralarm. "Dass da Batterien explodieren und was sonst noch, ist doch nur im Anfangsstadium", so Surer. Und weiter: "Das kriegt man in den Griff. Früher war die hohe Spritmenge im Auto das größte Problem. Wir haben deswegen viele Piloten verloren, weil die Autos gebrannt haben. Heute ist das kein Thema mehr. Genauso bekommt man jetzt die Elektrizität in den Griff."