• 13.03.2010 23:59

  • von Pit Lane

Endlich sind die Hosen runter!

Kolumnist Pit Lane macht sich Gedanken über das erste Qualifying der Saison, das Comeback von Michael Schumacher und vieles mehr

Titel-Bild zur News: Pit Lane

Freut ihr euch auch schon so auf den ersten Grand Prix wie ich?

Liebe Freunde der neuen Saison,

er ist also wieder da - endlich! Jetzt poliert er halt den Stern, anstatt das Pferd zu reiten. Man kann über Schuey ja denken, was man will, aber eine Aussage über ihn ist faktisch unwiderlegbar: Er ist der erfolgreichste Formel-1-Pilot aller Zeiten, hat die meisten WM-Titel geholt, die meisten Rennen gewonnen, die meisten Punkte gesammelt und stand am öftesten auf Pole-Position. Dabei ist das nur ein Bruchteil seiner beeindruckenden Rekordstatistik. Da frage ich mich: Was will der Typ noch beweisen?

Die Entscheidung, es mit 41 und nach einem lebensgefährlichen Motorradunfall noch einmal mit den "jungen Wilden" der Königsklasse aufzunehmen, hat richtig Eier! Des Geldes wegen kann er es nicht gemacht haben, wenn es stimmt, dass ihm Mercedes "nur" sieben Millionen Euro pro Jahr zahlt - das sind Peanuts für einen Michael Schumacher. Die Rekorde können auch nicht sein Antrieb sein, schließlich sind die ohnehin alle in seinem Besitz. Das lässt die Version wahrscheinlicher werden, dass es ihm tatsächlich um die Freude am Racing geht - und das finde ich cool!#w1#

Verlieren konnte er noch nie - wozu auch?

Startplatz sieben in Bahrain ist sicher nicht das, was er sich für sein Comeback vorgestellt hat. Der kleine Rosberg - Papa Keke ist bekanntlich kein Schumacher-Freund - hat dem großen Schumacher das ganze Wochenende gezeigt, wo der Hammer hängt. Für Nico ein Riesenerfolg! Michael sagt, er habe nicht erwartet, dass es einfach wird. Das nehme ich ihm sogar ab. Den hochgestreckten Daumen im Parc Fermé jedoch nicht. Er war pissed off, wie wir Engländer sagen - und das ist gut so. Einer, den Niederlagen nicht wurmen, wird nicht siebenmal Weltmeister. Verlieren konnte "Schumi", wie ihr ihn nennt, noch nie. Musste er ja auch nicht oft.

Die meisten Experten glauben anscheinend, dass sich der Spieß bei Mercedes noch umdrehen, dass Schumacher wieder Rennen gewinnen und Rosberg besiegen wird. Kann sein, sicher wäre ich mir da aber nicht. Nico ist ein verflixt schneller Bursche und diverse Psychospielchen (Wechsel der Startnummer, Tausch der Garage) scheinen von ihm abzuprallen. Er ist erst 24, aber sein Vater kennt das Business genau. Und Keke hat bestimmt gesagt: "Junge, wenn du das überleben willst, musst du pushen like crazy!" Oder so ähnlich. Bisher scheint er auf Papa zu hören.

Angenommen, Rosberg bleibt dauerhaft die Nummer eins bei Mercedes; dann würden sicher diejenigen aus ihren Löchern kommen, die Schumacher in Zeiten des Erfolgs brav die Schulter geklopft, aber keine Gelegenheit ausgelassen haben, ihn zu kritisieren. Wegen Jerez 1997 zum Beispiel, oder auch wegen Rascasse 2006. Alles Schnee von gestern. "Jetzt sieht man, dass er nie so gut war, wie alle geglaubt haben", wird man behaupten. Ich sage: Ganz egal, wie seine zweite Karriere verläuft, vom Glanz seiner ersten wird es nichts wegnehmen. Oder denkt ihr beim Namen Björn Borg sofort an die missglückte Rückkehr mit dem Holzracket? Mir fallen da eher große Triumphe auf dem Court ein.

Michael Schumacher und Nico Rosberg

Die ersten Silberpfeil-Deutschen seit Karl Kling: Schuey und Rosberg jun. Zoom

Anyway. Zum 1:0 im britisch-deutschen Duell muss ich euch wohl oder übel gratulieren. Für euch gerichtet hat's diesmal aber nicht Mercedes, sondern Seb Vettel. Ein sympathischer Bursche. Mein Hero Jenson Button hat sein McLaren-Debüt leider nicht ganz wie erhofft hinbekommen, aber das war eigentlich auch zu erwarten. Lewis ist eben eine harte Nuss. Genau wie Michael hat aber auch Jense Eier, denn sonst hätte er sich den Teamwechsel zu McHamilton, pardon, McLaren, nicht angetan. So etwas imponiert mir manchmal fast mehr als schnelles Racing.

Ein genialer Einfall aus Woking

Imponiert hat mir auch McLarens kongenialer Einfall, um den Topspeed auf den Geraden zu erhöhen. Funktioniert so: Durch einen Schlitz, der wie eine Zigarettenschachtel aussieht, wird ein Luftstrom durch das Cockpit zum Heckflügel geleitet. Strömt diese Luft, reißt am Heckflügel der Anpressdruck ab und der Luftwiderstand sinkt, das Auto wird auf den Geraden also schneller. Aber der Clou ist: Stellt der Fahrer sein Knie in diesen Luftstrom, bleibt der Anpressdruck am Heckflügel, was für die Kurvenfahrt wichtig ist! Bringt fünf bis zehn km/h, erklärt man mir.

Illegal? Quatsch! Bewegliche Teile sind im Bereich der Aerodynamik zwar grundsätzlich verboten, aber beweglich ist ja auch kein Teil des Fahrzeugs, sondern nur das Knie des Fahrers - und man kann Jenson und Lewis wohl nicht ernsthaft vorschreiben, wie sie ihr Knie zu positionieren haben. Das sieht nicht nur die FIA so, sondern auch die Konkurrenz: "Ich sehe da keinen Regelverstoß", sagt Sam Michael, und Christian Horner meint zähneknirschend: "Müssen wir halt auch nachrüsten. Unseren Ingenieuren wird schon was einfallen." Die Idee zu dem System hatte übrigens ein einzelner McLaren-Mitarbeiter. Ich könnte mir vorstellen, dass dem jetzt eine fette Gehaltserhöhung winkt...


Fotos: Großer Preis von Bahrain, Samstag


In der "Schumania" sind heute ein paar tolle Storys fast untergegangen: das sensationelle Comeback von Stehaufmännchen Felipe Massa zum Beispiel, der dem hoch eingeschätzten Alonso ordentlich eingeschenkt hat; der zehnte Platz von Adrian Sutil, den wir in der Redaktion nur als supernetten Kerl kennen; dass Nico Hülkenberg als 13. bester Rookie war. Und die drei neuen Teams? Ach ja, die waren ja auch da...

Bravo, Karun!

Lotus, British-Racing-Green - da schlägt mein Herz höher. Dass sie ihre Fabrik ins trostlose Norfolk gestellt haben, kann ich zwar immer noch nicht verstehen, aber von allen Neuen haben sie bisher den professionellsten Eindruck hinterlassen. Virgin wirkte da manchmal noch ein bisschen "jungfräulicher", trotzdem war Timo Glock heute Schnellster im Tabellenkeller. Tja, und Campos? Erstens heißen die jetzt Hispania, eigentlich HRT - und zweitens hat man von denen nicht viel gesehen.

Darüber, dass es zulässig ist, einen Rookie ohne eine einzige Trainingsrunde (oder auch Testkilometer!) mit einem brandneuen Auto ins Qualifying zu schicken, kann man sich zurecht bei Monsieur Todt aufregen. Aber man muss die Betroffenen selbst in Schutz nehmen: Teamchef Colin Kolles kann nichts dafür, dass Adrian Campos monatelang Mist gebaut hat, und Karun Chandhok konnte sein Auto auch nicht selbst zusammenschrauben. Aber der Inder war tapfer und kam binnen weniger Runden bis auf eineinhalb Sekunden an Bruno Senna heran. Klasse! Und zu den neuen Teams sei auch gesagt: Bis auf HRT hätten sie alle die 107-Prozent-Hürde genommen. Respect!

Pit Lane

Ohne einen einzigen Kilometer ins Qualifying? Das ist wirklich hirnrissig... Zoom

Vor dem Rennen bin ich jetzt schon ganz excited. Wer nicht? Die TV-Sender haben die besten Einschaltquoten seit Jahren, die Motorsportzeitungen verkaufen ein paar Blätter mehr und in den Diskussionsforen hauen sich die Leute ohne Rücksicht auf Verluste die Schädel ein. Herrlich! Die Formel 1 hat schon lange nicht mehr so viel Diskussionsstoff produziert wie vor dieser Saison. Man kann nur hoffen, dass es dann auch wirklich spannend wird, sonst ist der ganze Hype schnell wieder beim Teufel.

Wir bei 'Motorsport-Total.com' verzeichnen jedenfalls Rekordzugriffe. Im Februar wurden 21,4 Millionen Pageimpressions gemessen - das ist ein Wachstum von 113 Prozent im Vergleich zu 2009! Auch 2,9 Millionen Visits entsprechen einem Plus von fast 75 Prozent. Sensationell - auch wenn ich ehrlich gesagt wenig Plan habe, was diese Zahlen genau bedeuten! Aber der Chef hat mir gesagt: "Bau das irgendwie ein, Pit!" Said and done. Und ich glaube, ich liege nicht ganz falsch, wenn ich in seinem Namen sage: Danke, Michael, dass du wieder da bist! ;-)

Viel Spaß beim Race!


Pit Lane