Domenicali: "Neue Herausforderung hat begonnen"

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali blickt auf eine wichtige Saison - Die aggressivere Herangehensweise beim F2012 wurde umgesetzt und muss sich jetzt beweisen

(Motorsport-Total.com) - Ferrari steht vor einer wichtigen Saison. Den letzten WM-Titel hat das Traditionsteam im Jahr 2007 mit Kimi Räikkönen gewonnen. 2008 und 2010 scheiterte man knapp beim Saisonfinale. Der erfolgreichste Rennstall der Formel-1-Geschichte wurde in den vergangenen drei Jahren von Red Bull links überholt und hatte den Anschluss verloren. F-Duct, Doppeldiffusor und der angeströmte Diffusor waren innovative Entwicklungen, die Ferrari komplett verschlafen hatte und reagieren statt agieren musste. Deshalb hat Teamchef Stefano Domenicali für den Bau des F2012 eine aggressivere und innovativere Herangehensweise vorgegeben.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali (Teamchef)

Stefano Domenicali hat die Weichen für eine erfolgreiche Saison gestellt

Herausgekommen ist ein Auto, das auf den ersten Blick vielleicht nicht wie eine Diva aussieht, aber dennoch unter der Haube über einige technische Raffinessen verfügt. Bis zum ersten Rennen wird es aber noch einige Updates geben. Speziell der Heckbereich rund um die Auspuffendrohre wird in den kommenden Wochen verfeinert werden. "Aus meiner persönlichen Sicht ist das Auto nicht besonders schön, aber diese Variable hat in der Formel 1 keine Bedeutung."

"Wie sie wissen wird das Aussehen von den technischen Regularien und dem Versuch, die Performance des Autos zu maximieren, bestimmt", sagt Domenicali anlässlich der Präsentation des F2012. "Wie unser Präsident (Luca di Motezemolo; Anm. d. Red.) bereits gesagt hat, ist es nicht so wichtig, ob das Auto hässlich oder schön ist. Das Entscheidende ist, dass die Performance passt. Wie gut das Auto wirklich ist, werden wir erst beim Qualifying in Melbourne sehen."

F2012 mehr Re- als Evolution

Der F2012 sieht nicht nur optisch deutlich anders als der Vorgänger F150°Italia aus, sondern unterscheidet sich auch in technischen Details. Die Seitenkästen wurden komplett neu gestaltet. Die Kühler sind anders montiert und die Aerodynamik wurde komplett überarbeitet. Das Heck ist schlanker gebaut. Das wurde durch ein neues Getriebegehäuse erreicht. Dazu wurden einige mechanische Komponenten im Heck anders untergebracht.


Fotos: Präsentation des Ferrari F2012


Die Hinterradaufhängung ist eine Zugstangen-Aufhängung. Das ist eine große Veränderung zum Vorjahr und liegt am Verbot der angeströmten Diffusoren. Deshalb näherten sich die Diffusoren den Spezifikationen an, die im Jahr 2009 Standard waren, bevor BrawnGP mit dem Doppeldiffusor auftauchte. Deshalb ist eine Zugstangen-Aufhängung die attraktivere Lösung.

Die Belüftungen für die Bremsen wurden neu designt. Es gibt Theorien, wonach Ferrari mit den Auspuffgasen die hinteren Bremsbelüftungen ablasen könnte und so direkt Abtrieb auf die Hinterreifen bringen könnte. Das sorgt für bessere Traktion. In Zusammenarbeit mit Brembo hat man auch an der Effizienz der Karbonbremsen gefeilt.

Viele neue Lösungen, aber ist Domenicali zufrieden? "Ich habe nach einer anderen Herangehensweise verlangt. Man hat bei der Präsentation gesehen, dass das Auto ganz anders ist. Mechanisch und aerodynamisch ist die Herangehensweise anders. Es sieht so aus, dass wir unsere Ziele erreicht haben. Ich bin aber erst glücklich, wenn sich herausstellt, dass unser Auto konkurrenzfähig ist."

Ziel ist klar: Ferrari will um die WM kämpfen

Fernando Alonso und Ferrari haben in jedem Jahr den Anspruch Weltmeister zu werden. Domenicalis Vorgabe ist demnach klar: "Unsere Ziele für 2012 sind einfach zu sagen. Zu Beginn ist es das Wichtigste, dass das Auto zuverlässig und konkurrenzfähig ist. Wenn man diese beiden Ingredienzien hat, dann kann man bis zum Ende um den WM-Titel kämpfen."

"Eine neue Herausforderung hat begonnen. Aus meiner persönlichen Sicht ist meine Herangehensweise immer gleich, nämlich in einem aufregenden Umfeld immer cool und ruhig zu sein", umschreibt der Italiener seine Aufgaben als Teamchef. "Meine Herausforderung ist es, dafür zu sorgen, dass alle Ferrari-Mitarbeiter immer motiviert sind. Alle müssen an einem Strang ziehen. Das ist mein Hauptziel. Es wird von uns viel erwartet. Das ist uns bewusst. Wir müssen klarstellen, dass wir alles unter Kontrolle haben und alle Mitarbeiter von Beginn an einen guten Job machen."

Alonso & Massa bereit

Von den Ferrari-Mitarbeitern stehen speziell Felipe Massa und Alonso im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Beide zeigten sich bei der Präsentation gut gelaunt und freuen sich auf die ersten Meter im neuen Auto. Am Dienstag (7. Februar) beginnen die ersten Testfahrten in Jerez. "Ich habe Fernando und Felipe in den Tagen vor der Präsentation oft gesehen. Wir haben uns eine Woche lang gemeinsam mit körperlichem und mentalem Training vorbereitet", schildert Domenicali.


Fotos: Ferrari-Trainingscamp auf Lanzarote


"2012 wird aus unterschiedlichen Gründen eine sehr wichtige Saison. Ich würde sagen, dass die Fahrer sehr positiv und unglaublich motiviert sind. Sie brennen auf den Saisonstart." Der neue McLaren wurde bereits präsentiert, aber auf den neuen Red Bull und den neuen Mercedes müssen wir noch warten. Domenicali rechnet 2010 mit den üblichen Gegnern im Kampf um die WM-Krone. "Ich schätze, wir werden gegen die bekannten Fahrer und Teams kämpfen. Sie sind alle sehr stark und ich respektiere unsere Gegner."

"Wie immer wird es sich um Red Bull und McLaren handeln, aber auch Mercedes darf man nicht unterschätzen. Sie werden nach schwierigen Jahren zeigen wollen, was sie können. Und dann ist auch Kimi wieder zurück. Ich weiß, dass er sehr stark ist. Er wird bestimmt zeigen wollen, wie konkurrenzfähig er ist, weil er er stark ist. Ich erwarte eine sehr interessante Saison. Viele Fahrer wollen gewinnen."

2012 wird politisch ein wichtiges Jahr

Während aus sportlicher Sicht eine spannende Saison ins Haus steht, wird sich in den kommenden Monaten auch hinter den Kulissen viel abspielen. Ferrari ist bekanntlich nicht mehr Teil der FOTA und auch die Verhandlungen um das neue Concorde-Agreement gehen bald los. Domenicali wird sich auch politisch beweisen müssen. "Diese Saison ist nicht nur aus sportlicher Sicht wichtig, sondern wir müssen uns auch um viele politische Angelegenheiten kümmern."

"Wir müssen sichergehen, dass die zukünftigen Regeln einen Technologietransfer von der Formel 1 auf die Straße bieten", blickt er auf die großen Regeländerungen für 2014 "Wir müssen sichergehen, dass die kommerzielle Zukunft die Bedürfnisse der Tifosi, der Strecken, der Organisatoren, der TV-Partner, der Medien - speziell der neuen Medien - erfüllt werden. Es gibt viele wichtige Punkte. Ferrari ist seit dem ersten Tag in der Formel 1 und wir wollen noch sehr lange bleiben."

Dafür durfte Domenicali die Verlängerung der Partnerschaft mit Santander bekanntgeben. "Santander hat die Partnerschaft mit uns für die nächsten drei Jahre verlängert. Das zeigt, dass eine sehr bedeutende Gruppe an uns glaubt. Es ist in der aktuellen Zeit, in der viele Konstrukteure den Sport verlassen haben, sehr wichtig, dass man einen langfristigen Partner wie zum Beispiel Philip Morris oder Shell hat. Wir wollen in Zukunft gemeinsam weiterarbeiten. Ich sage immer zu unseren Partnern, dass wir uns glücklich schätzen können, in diesem Umfeld zu arbeiten."