Domenicali: "Ferraris Problem heißt nicht Domenicali"

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali macht Werbung in eigener Sache, erklärt die Gründe für das Scheitern 2013 und wie er um ein Haar zum "Phänomen" wurde

(Motorsport-Total.com) - So vielversprechend ging Ferrari dieses Jahr in die Saison, doch bei den Rennen vor der Sommerpause kam der Entwicklungsmotor in Maranello ins Stocken: Red Bull enteilte, und die "Scuderia" fiel vor allem im Qualifying immer weiter zurück. Dabei verblüffte man noch im Vorjahr die gesamte Formel 1 mit dem enormen Entwicklungstempo, das man in den ersten Saisonrennen an den Tag gelegt hatte, als man ein zwei Sekunden zu langsames Auto rasch siegfähig machte.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali

Beinahe ein "Phänomen": Domenicali hadert mit seinen Niederlagen Zoom

Was sind also die Gründe, warum es Ferrari erneut nicht geschafft hat, Red Bull vom Formel-1-Thron zu stoßen? Wo krankt es in Maranello? Teamchef Stefano Domenicali verweist auf zwei Problemzonen. "Zu Saisonbeginn war das Auto im Qualifying konkurrenzfähig und im Rennen sehr gut", blickt er gegenüber 'AS' zurück. "Wir haben es aber nicht geschafft, das Auto konstant weiterzuentwickeln, denn bei einigen Rennen - wie in Silverstone oder Deutschland - hatten wir Entwicklungen dabei, die das Auto eher verschlechtert als verbessert haben."

Als zweiten Grund nennt er die Änderung an der Pirelli-Reifenkonstruktion während der Saison - eine Reaktion auf die alarmierenden Reifenplatzer in Silverstone. "Ich will nicht über das Warum sprechen, oder ob es gerechtfertigt war oder nicht", holt er aus. "Wir waren aber auf jeden Fall nicht dazu in der Lage, aus unserer größten Stärke, dem Renntempo, Profit zu schlagen."

Alonso zeigt Verständnis für Pirelli

"Es war ja nicht Pirellis Absicht, ein Team gegenüber einem anderen zu bevorteilen." Fernando Alonso

Starpilot Fernando Alonso sieht dies ähnlich. "Vor allem im Juli kamen wir mit Updates zu den Rennen, die auf dem Papier gut aussahen, aber auf der Strecke nicht den erwünschten Effekt brachten. Und dann wäre da noch der Pirelli-Reifen. Es ist offensichtlich, dass einige Teams an Performance verloren und andere - wie Sauber - gewonnen haben."

Er hält sich aber mit seiner Kritik an den Italienern zurück: "Sie mussten wegen der Reifenexplosionen etwas tun, und es war ja nicht ihre Absicht, ein Team gegenüber einem anderen zu bevorteilen. Sie haben das getan, damit die Rennen weitergehen können. Da konnten wir also nichts machen."

Team-Umbau nun abgeschlossen

Domenicali ist der Ansicht, dass die Probleme aber bereits vor der ungünstigen Pirelli-Entscheidung begonnen haben. "Erneut haben wir in der ersten Hälfte der Saison Punkte verloren - da hätten wir mehr herausholen müssen", spielt er zum Beispiel auf den Grand Prix von Malaysia an, als sich Alonso im Duell mit Vettel den Frontflügel kaputt machte und dann nicht an die Box kam - am Ende der Start-Ziel-Geraden rutschte das Teil unter das Auto und machte den Ferrari unsteuerbar, Alonso schoss ins Kies und schied aus.


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Doch was sind die Ursachen für das mäßige Entwicklungstempo in dieser Saison? Domenicali macht mangelnde Kreativität und die Anlage in Maranello als Schwächen des Teams aus - und verspricht wie jedes Jahr Besserung: "In den vergangenen drei Jahren haben wir so ziemlich alles umgekrempelt - Simulationsprogramme, Software, Organisation. Und jetzt steht uns ein entscheidendes Werkzeug zur Verfügung: der neue Windkanal in Maranello, der mit 60-Prozent-Modellen funktioniert, dazu ein Motion-System, das einem unterschiedliche Modell-Winkel und Bewegungen ermöglicht. "

Neue Teamstruktur soll es ab 2014 richten

Er gibt zu, dass die Versuche der vergangenen Jahre, die Aerodynamik-Schwäche in den Griff zu kriegen, nicht weit genug gegangen sind: "Wir haben uns verbessert, aber das Problem nie wirklich gelöst". Ausgerechnet 2014 dürfte sich der Einfluss der Aerodynamik aber verringern und der Motor zum Schlüsselkriterium werden. Gerüchten zufolge läuft die Entwicklung des neuen Turbomotors nicht ganz nach Plan - Ferrari könnte also ein weiteres schwieriges Jahr bevorstehen.

"In den vergangenen drei Jahren haben wir so ziemlich alles umgekrempelt." Stefano Domenicali

Domenicali schwört aber auf seine neue Teamstruktur und ist stolz, den neuen Technikchef James Allison von Enstone nach Maranello geholt zu haben. "Wir haben mit ihm jetzt einen großen Technikchef, der für das Projekt verantwortlich ist, Pat Fry kümmert sich um die Entwicklung, die Simulation und den Betrieb an der Strecke", gibt er Einblicke in die neue Aufgabenverteilung. "Mit den neuen Instrumenten und mit den Fortschritten im Weiterentwicklungs-Bereich bin ich sicher, dass wir uns gut schlagen werden."

Domenicali warnt vor seiner eigenen Ablöse

Davon wird auch seine persönliche Zukunft abhängen. Der Mann aus Imola muss nun nach einigen verlorenen Titelkämpfen endlich mit Ergebnissen glänzen, sonst reißt Präsident Luca di Montezemolo womöglich der Geduldsfaden. Domenicali war es, der sich für Kimi Räikkönen als neuer Teamkollege für Alonso eingesetzt hat - scheitert das Unterfangen, könnte auch sein Kopf rollen.

Er ist aber davon überzeugt, dass sich Ferrari mit seiner Ablöse keinen Gefallen tun würde - und spricht über sich in der dritten Person: "Es funktioniert nicht, dass man Domenicali heute austauscht und morgen gewinnt. Natürlich könnte das mein Chef machen, aber in Italien gibt es ein Sprichwort: 'Man sollte sich überlegen, ob man vom Weg abweicht, denn der andere Weg könnte viel schlechter sein'."

Domenicali weint 2012 nach

"Hätten wir 2012 gewonnen, dann wäre Domenicali jetzt ein Phänomen." Stefano Domenicali

Was folgt, ist Eigenwerbung - und viel Leidenschaft für Ferrari: "Das Problem ist nicht Domenicali. Domenicali ist der, der als Erster im Büro ist und als Letzter geht, der dafür sorgt, dass keinem seiner Leute etwas fehlt - und ich glaube, dass wir in den vergangenen Jahren eine Basis für ein Team aufgebaut haben, das das Beste von allen sein könnte."

Er ist davon überzeugt, dass sein Ruf nach wie vor unter dem verlorenen WM-Titel 2012 leidet, was er auf reines Pech zurückführt: "Hätten wir 2012 gewonnen, dann wäre Domenicali jetzt ein Phänomen. Wenn man zwei Mal unschuldig in der ersten Kurve ausscheidet, dann kommt es nicht nur darauf an, ob das Auto im letzten Rennen schnell ist oder nicht, denn wenn Vettel so einen Unfall gehabt hätte, dann hätten wir gewonnen. Und wenn wir gewonnen hätten, dann wäre das ein außergewöhnliches Jahr gewesen, und niemand hätte irgendetwas gesagt."