• 24.05.2012 14:57

  • von Stefan Ziegler

Die Wandlung des Lewis H.

McLaren-Pilot Lewis Hamilton tritt in diesem Jahr ganz anders in Erscheinung als noch 2011: Wie beurteilen er und andere diese große Wandlung?

(Motorsport-Total.com) - Was ist bloß mit Lewis los? Diese Frage stellten sich die Formel-1-Fans im vergangenen Jahr gewiss mehr als einmal. Lewis Hamilton schien 2011 nämlich nicht in gewohnt bestechender Form zu fahren und wirkte oft abgelenkt. All dies ist nun aber Schnee von gestern, denn heute tritt der McLaren-Pilot wieder beschwingt und selbstsicher auf. Aber warum eigentlich? Hamilton geht auf Spurensuche.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Gute Zeiten, schlechte Zeiten: Lewis Hamilton wirkt 2012 deutlich entspannter

Der britische Rennfahrer hat sich in der Winterpause die Zeit genommen, um sich selbst und das Geschehene ausgiebig zu analysieren, wie er gegenüber 'Autosport' bestätigt. Gleichzeitig fasste Hamilton frischen Mut - und offensichtlich auch einige gute Vorsätze. "Es geht darum, dich richtig einzustellen", sagt Hamilton über seine Auszeit im Winter. Dabei war er augenscheinlich erfolgreich.

Neben Fernando Alonso (Ferrari) ist Hamilton 2012 nämlich der einzige Fahrer im Starterfeld, der bisher in allen Rennen in den Punkten war. Die Konstanz, die im vergangenen Jahr so oft fehlte, scheint also vorhanden zu sein. Oder wie es Hamilton ausdrückt: "Du hoffst, nicht wieder in den gleichen Trott zu verfallen, sofern du dich im vergangenen Jahr in einem Trott befunden hast."

"Es gab einfach ein paar Dinge in meinem Leben, die ich neu sortieren musste. Das brauchte seine Zeit. Jetzt passt alles, also bin ich ziemlich zufrieden. All das macht dieses Jahr umso schöner", sagt Hamilton. Familie, Freunde, Management, Team - Privat- und Rennfahrer-Leben verlaufen nun also wieder in geordneten Bahnen. Dieser Umstand ist auch den Formel-1-Beobachtern nicht entgangen.

Coulthard bewundert die Wandlung Hamiltons

Der ehemalige Formel-1-Pilot David Coulthard zeigt sich bei 'Autosport' beispielsweise hocherfreut über den "neuen Lewis" und sagt: "Lewis Hamilton fährt derzeit so gut wie eh und je - wenn nicht sogar besser als früher. Das ist schön zu sehen. Was hat sich verändert? Nun, ich denke, er ist über den Winter erwachsen geworden. Er hatte die Chance, über all dies nachzudenken", meint "DC".

"Das scheint er getan zu haben. Ich sehe einen deutlich kompletteren Rennfahrer als den Lewis von vor einem Jahr. Er hatte nie ein Problem mit seiner Geschwindigkeit, sondern schien nur abgelenkt zu sein. Das hat er nun offenbar im Griff. Und er macht keine Fehler. Dass er Jenson Button in Spanien vom letzten Startplatz aus geschlagen hat, ist ein gutes Beispiel dafür, wie stark Lewis 2012 auftritt."

"Ich sehe einen deutlich kompletteren Rennfahrer als den Lewis von vor einem Jahr." David Coulthard

In der Tat, wie die bisherigen Ergebnisse unterstreichen. Auch McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh erkennt darin einen "anderen" Hamilton und merkt bei 'Autosport' an: "Die Leute verändern sich nicht von jetzt auf gleich, sondern ganz allmählich. Lewis glaubt an sich als einen großen Rennfahrer, weiß aber nun, dass im Leben nicht alles nach Plan läuft. Man lernt nach und nach, damit umzugehen."

Wenn Rennfahrer unter Druck stehen ...

"Und wir würden keinen Lewis wollen, der sich mit dem Zweitbesten zufriedengeben würde", meint Whitmarsh und stellt klar: "Wir wollen einen Lewis, der es auf Erfolge abgesehen hat, der sich als Zweiter nicht wohl fühlt, der alles bei sich, an seinem Auto, in seinem Team und in seinem Umfeld absolut perfekt haben will. Diese Entschlossenheit treibt ihn an." 2011 sah es noch ganz anders aus.

Whitmarsh zeigt allerdings Verständnis für seinen Piloten und dessen vermeintlich schwieriges Jahr. "Wenn Rennfahrer unter Druck stehen, dann kann es sein, dass sie das Auto überfahren. Wenn sie dann auch noch an Selbstvertrauen eingebüßt haben, werden sie vielleicht noch ein bisschen mehr zurückhaltend. Lewis hat seine Fähigkeiten sicherlich nicht verloren", erläutert der Teamchef.

"Wenn Rennfahrer unter Druck stehen, dann kann es sein, dass sie das Auto überfahren." Martin Whitmarsh

"Seine Stimmung ist sehr positiv. Er hat dazugelernt und ist nun deutlich gefasster und glücklicher. Er weiß, er kann in diesem Jahr eine Weltmeisterschaft gewinnen", sagt Whitmarsh und Hamilton stimmt zu: "Ich versuche, zu gewinnen, und ich will gewinnen. Ich bin nicht zufrieden damit, in jedem Rennen nur Dritter zu werden. Der achte Platz beim jüngsten Rennen war auch nicht so toll", meint Hamilton.


Fotos: Lewis Hamilton, Großer Preis von Monaco


Der Sieg ist alles - oder etwa doch nicht?

In Barcelona hatte der britische Rennfahrer aufgrund eines Teamfehlers von ganz hinten losfahren müssen, nachdem er sein Auto auf die Pole-Position gestellt hatte. Dergleichen wirft Hamilton in diesem Jahr aber nicht aus der Bahn, auch wenn er sagt: "Es ist immer eine Enttäuschung, wenn man Rückschritte macht. Du willst doch attackieren, überholen. Nur darum geht es im Motorsport."

"Es könnte aber viel schlimmer sein. Was all dies in eine Perspektive rückte, war, was ich auf den Philippinen gesehen habe. Dort gibt es Kinder, die gar nichts haben und in Papierhütten auf der Straße leben. Und hier sind wir in der Formel 1. Damit kann ich also gar nicht unzufrieden sein. Das ist die Perspektive, die ich in diesem Jahr habe: Es könnte viel schlimmer sein", hält Hamilton fest.

"Es könnte viel schlimmer sein." Lewis Hamilton

"Ich will aber trotzdem immer Erster werden." Und das so schnell wie möglich - und mit McLaren, wo Hamilton noch bis zum Saisonende unter Vertrag steht. Mit dem "und dann?" hat er sich laut eigener Aussage aber "noch nicht" beschäftigt, sagt Hamilton bei 'Autosport'. Die Begründung klingt plausibel: "Wir haben es mit einer so fordernden Saison zu tun, da muss ich einfach konzentriert bleiben".

McLaren will Hamilton halten

"Wenn ich meinen Fokus verliere und deswegen einige Punkte einbüße, könnte ich mir das nie verzeihen. Ich muss halt eine Lücke finden. Ich brauche die Zeit, um mich mit meinem Manager hinzusetzen und darüber zu reden. Ich bat sie (das Management; Anm. d. Red.) aber schon darum, sich einmal ein paar Gedanken zu machen. Wann es so weit sein wird, weiß ich aber nicht."

"Es wird irgendwann in diesem Jahr passieren, denn ansonsten bin ich arbeitslos", meint Hamilton und grinst verschmitzt. So weit wird es bei einem der Topstars der Szene vermutlich nicht kommen, auch wenn die Verhandlungen mit McLaren wohl erst in den Sommermonaten an Fahrt aufnehmen. Und zur Not - das ist aus dem Fahrerlager zu hören - hätten auch andere Teams Interesse an ihm.

"Ja, wir wollen ihn behalten." Martin Whitmarsh

McLaren dürfte aber erst einmal auf der Pole-Position stehen. Darauf hofft sicher auch Whitmarsh, wenn er sagt: "Ja, wir wollen ihn behalten." Der Teamchef zeigt sich jedoch zurückhaltend: "Wie man sich vielleicht vorstellen kann, ist das eine vertrauliche Angelegenheit. Es wäre nicht angebracht, darüber zu sprechen. Wenn Lewis und McLaren etwas kundzutun haben, dann werden wir es schon sagen."