• 12.09.2007 12:24

Die Formel-1-Welt schaut nach Paris

Am Donnerstag werden sich in der Formel 1 alle Augen auf Paris richten, wo der FIA-Weltmotorsportrat vor einer schwierigen Entscheidung steht

(Motorsport-Total.com/sid) - Freispruch, Geldstrafe, Punktabzug, WM-Ausschluss: Alles scheint möglich am Tag der Entscheidung, und deshalb schaut nicht nur die Formel-1-Welt am Donnerstag wie gebannt nach Paris. Dann muss das World Motor Sport Council des Automobilweltverbandes FIA, darunter auch ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk, in der Spionage-Affäre um die Erzrivalen McLaren-Mercedes und Ferrari ein Urteil fällen, das die "Königsklasse" in ihren Grundfesten erschüttern könnte. Neue Beweise haben in diesem brisanten Fall eine erneute Anhörung erforderlich gemacht.

Titel-Bild zur News: Weltmotorsportrat, Paris FIA

26 Mitglieder hat der Weltmotorsportrat der FIA, der am Donnerstag in Paris tagt

In erster Instanz waren die Silberpfeile am 26. Juli aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden, allerdings auf Bewährung. Deshalb kündigte FIA-Präsident Max Mosley den WM-Ausschluss des Teams für 2007 und 2008 an, falls sich doch herausstellen sollte, dass sich McLaren-Mercedes durch geheime Ferrari-Dokumente in dieser Saison einen Wettbewerbsvorteil verschafft hat.#w1#

Wie Tomczyk dem 'sid' verriet, beginnt die Anhörung am Donnerstag am FIA-Sitz am Place de la Concorde um 9:30 Uhr. Er rechne mit einem Ergebnis noch im Laufe des Nachmittags, sagte der mächtigste Mann im deutschen Motorsport, betonte aber: "Das World Motor Sport Council wird sich die Entscheidung sicher nicht leicht machen." Vorwürfe, dass die FIA die WM pro Ferrari beeinflussen wolle, weist Tomczyk zurück: "Da ist nichts dran."

Ferrari-Boss Luca di Montezemolo will "Gerechtigkeit und nichts als die Wahrheit", an den WM-Titel denke er dabei überhaupt nicht. Wenn dieser aber durch die Strafe eines Konkurrenten errungen werden sollte, hätte er nichts dagegen: "Eine WM am grünen Tisch ist auch ein Erfolg."

Bei McLaren-Mercedes beteuert weiter Jeder seine Unschuld. "Wir können da mit Fug und Recht behaupten, nicht irgendetwas gemacht zu haben, was nicht erlaubt ist. Wir haben nichts kopiert, sondern ein Auto gebaut mit unseren Ideen - und ich denke, das hat man in Monza gesehen", sagte Mercedes-Sportchef Norbert Haug. WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton pflichtete dem bei: "Wir haben absolut nichts Verbotenes getan."

BMW Motorsport Direktor Mario Theissen fordert, dass das leidige Thema schnell vom Tisch kommt. "Denn das ist nichts, mit dem man auf Werbetournee gehen kann. Das belastet ja nicht nur die betroffenen Teams, sondern die Formel 1 insgesamt. Deshalb hoffe ich, dass am Donnerstag alles ganz schnell und eindeutig geklärt wird", sagte Theissen im 'sid'-Gespräch.

Über das Strafmaß kann nur spekuliert werden. Einen Freispruch wie beim ersten Mal erwartet diesmal jedoch kaum jemand. Von einer drakonischen Geldstrafe von bis zu zehn Millionen Euro über einen Verlust aller in dieser Saison gewonnenen Punkte bis hin zu einem WM-Ausschluss ist alles möglich.

Wenige Stunden vor der Anhörung drang allerdings eine weitere Variante an die Öffentlichkeit: Um das spannendste Titelrennen seit Jahren nicht völlig zur Farce verkommen zu lassen, geht McLaren-Mercedes 2007 straffrei aus, doch vor der kommenden Saison werden dem Team 100 Punkte abgezogen. Damit würden die Silberpfeile 2008 mit einem Minuskonto in die Saison starten.

"Plan B" wäre auch für Marc Surer die beste Lösung. "Das Urteil könnte einen noch viel größeren Imageschaden anrichten, wenn es die WM beeinflusst", sagte der 'Premiere'-Experte dem 'sid'. Dass Mercedes angesichts des Skandals aus der Formel 1 aussteigen könnte, glaubt der Schweizer nicht: "Jetzt, wo sie das beste Auto im Feld haben, ist für mich ein Rückzug undenkbar." Mercedes könnte aber mehr Einfluss gewinnen. Surer: "Vielleicht wird McLaren-Teamchef Ron Dennis entmachtet, weil er das Gesicht verliert in der ganzen Geschichte."

Für Michael Schumachers Manager Willi Weber ist die Sache klar: "Wenn das alles so stimmt, muss es eine drastische Strafe geben. Für mich ist das eine Sauerei und eine Katastrophe für den Sport", sagte Weber dem 'sid'. Mercedes sei für ihn in der ganzen Angelegenheit aber unschuldig: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Motorenpartner involviert ist. Das ist eine Team-Geschichte."

Ausgelöst hatte die Affäre der einstige Ferrari-Chefmechaniker Nigel Stepney, der zu Beginn des Jahres von der Scuderia ins Testteam versetzt worden war, nachdem er sich zuvor offen mit Abwanderungsgedanken getragen hatte.

Stepney soll danach geheime Daten, die insgesamt 780 Seiten umfassen, an seinen Freund Mike Coughlan geschickt haben. Dessen Frau war aber beim Kopieren in einem Copy-Shop erwischt worden. Coughlan, der bis dahin als Chef-Designer für McLaren gearbeitet hatte, war von dem Team umgehend entlassen worden.

In der Konstrukteurswertung liegt Ferrari 23 Punkte hinter dem Rivalen McLaren-Mercedes (143:166) zurück, der auch noch in einer Berufungsverhandlung am 19. September in Paris die 15 wegen der Boxen-Blockade in Budapest aberkannten Zähler zurückbekommen könnte.

In der Fahrer-WM scheinen Hamilton (92) und Titelverteidiger Fernando Alonso (Spanien/89) den WM-Titel unter sich ausmachen zu können, da die Ferrari-Piloten Kimi Räikkönen (Finnland/74) und Felipe Massa (Brasilien/69) bei nur noch vier ausstehenden Rennen schon deutlich zurückliegen. Ferrari setzt deshalb jetzt darauf, dass die FIA das erste Urteil revidiert.

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