Das große Interview mit Willy Rampf

Er ist der Mastermind hinter dem BMW Sauber F1.08, der in Kanada mit Robert Kubica am Steuer seinen ersten Grand Prix gewonnen hat: Willy Rampf

(Motorsport-Total.com) - Fast 55 Jahre alt musste Willy Rampf, der gestern Geburtstag hatte, werden, um als Technischer Direktor eines Formel-1-Rennstalls seinen ersten Grand Prix zu gewinnen; in Kanada war es dann aber endlich soweit: Robert Kubica und Nick Heidfeld feierten für das BMW Sauber F1 Team einen unerwarteten Doppeltriumph.

Titel-Bild zur News: Willy Rampf

Lässt nicht Worte, sondern Taten und Erfolge sprechen: Willy Rampf

Rampf gilt als geistiger Vater dieses Sieges und als technischer Dreh- und Angelpunkt der Mannschaft von BMW Motorsport Direktor Mario Theissen. Dabei kommt der Deutsche eigentlich gar nicht aus dem Motorsport, sondern er war zunächst als Entwicklungsingenieur für BMW tätig, ehe er von Peter Sauber in die Formel 1 geholt wurde. Darüber und über vieles mehr plauderte er vor dem Grand Prix von Frankreich mit 'Motorsport-Total.com'.#w1#

Höhepunkt der Karriere

Frage: "Herr Rampf, sie sind schon lange im Motorsport tätig. War der Doppelsieg in Kanada trotzdem der Höhepunkt?"
Willy Rampf: "Ja, das war der Höhepunkt. Davor war das erste Podium eines der spannendsten Erlebnisse."

"Eines seiner Ziele war immer, dass es von der Performance her aufwärts geht." Willy Rampf

Frage: "Sie haben gleich nach der Zieldurchfahrt mit Peter Sauber telefoniert. Was waren seine ersten Worte?"
Rampf: "Er hat uns zum Sieg gratuliert. Er war sehr begeistert, sehr emotional. Eines seiner Ziele mit dem Verkauf der Firma war ja immer, dass es von der Performance her aufwärts geht. Das war ihm ein Riesenanliegen - und das hat sich jetzt voll erfüllt."

Frage: "Was für ein Verhältnis haben Sie heute zu ihm?"
Rampf: "Da muss man weit zurückgehen. Ich habe 1993 meinen ersten Vertrag bei ihm unterschrieben, 1994 habe ich als Renningenieur bei ihm zu arbeiten begonnen, obwohl ich null Erfahrung auf dem Gebiet hatte. Ich war viele Jahre bei BMW in München und hatte immer schon eine Neigung zum Motorsport, habe das aber nie beruflich ausgeübt. Peter Sauber hat mir damals die Chance gegeben. Das war natürlich ein Riesensprung für mich. Seine Worte waren: 'Der jetzige Renningenieur funktioniert nicht, mit Ihnen kann es nicht schlimmer werden!'"

Frage: "Wen haben Sie damals betreut?"
Rampf: "Ich habe die Saison mit Heinz-Harald Frentzen begonnen und habe drei Jahre mit ihm zusammengearbeitet. Seit damals habe ich ein sehr gutes und freundschaftliches Verhältnis zu Peter Sauber. Das ist auch heute noch so."

Frage: "Was hat sich an diesem Verhältnis durch seinen Verkauf verändert?"
Rampf: "Ich habe nicht mehr direkt mit ihm zu tun, aber wir sprechen laufend darüber, was so passiert, und er interessiert sich nach den Rennen auch dafür, warum wir uns für eine bestimmte Strategie entschieden haben oder dergleichen."

Frage: "Es ist mehr als ein Drittel der Saison vorbei, Robert Kubica liegt in der Fahrer-WM mit vier Punkten Vorsprung in Führung. Denken Sie insgeheim daran, dass es doch früher als angenommen klappen könnte?"
Rampf: "Man denkt sicher daran, dass es nicht unmöglich ist, aber wir müssen schon realistisch sein: Vom reinen Speed her stehen noch zwei Teams vor uns. Der Abstand ist nicht groß, aber er ist noch da. Unsere große Stärke ist, dass wir sehr zuverlässig sind und dass wir nur wenige Fehler gemacht haben."

Strategischer Wechsel bei Heidfeld in Kanada

Frage: "Eine Frage zur Strategie in Kanada: Nick Heidfeld wurde von zwei Stopps auf einen umgestellt, aber wäre es nicht klüger gewesen, ihn auf zwei Stopps zu lassen? Denn dann wäre er auch vor Robert Kubica rausgekommen, aber er hätte ein leichteres Auto gehabt und hätte sich besser verteidigen können. Oder hat bei der Umstellung das Safety-Car eine Rolle gespielt?"
Rampf: "Die Entscheidung, Nick vollzutanken, sodass er ein schweres Auto haben würde, war nicht leicht, aber eines war klar: Wenn er in den ersten Runden vorne mithalten kann, dann wird er sehr weit vorne landen. Und sollte irgendwas passieren - die Chancen auf ein Safety-Car sind in Kanada sehr hoch -, dann wird er der Erste sein. Das war die Ausgangslage."

"Nick wurde beim Rausfahren informiert, dass er jetzt ein sehr schweres Auto hat." Willy Rampf

Frage: "Wie sehr war Nick selbst in diese Entscheidung involviert?"
Rampf: Die ganzen Szenarien werden vor dem Rennen von den Ingenieuren und den Fahrern durchgesprochen. Nick wurde beim Rausfahren informiert, dass er jetzt ein sehr schweres Auto hat."

Frage: "Monaco und Kanada sind zwei besondere Strecken, aber davor hat es einen kleinen Einbruch gegeben. Glauben Sie, dass dieses Hoch jetzt nur streckenbedingt war oder wird es auch in Magny-Cours und danach so weitergehen?"
Rampf: "Das wissen wir erst, wenn das Rennen in Magny-Cours vorbei ist. Ich habe in Istanbul schon einmal gesagt, als wir nicht ganz so gut waren: Wenn man den Schnitt im Vergleich zur Konkurrenz vor uns hernimmt, dann bewegen wir uns seit Saisonbeginn mehr oder weniger auf dem gleichen Level. Mit der einzigen Ausnahme von Bahrain waren Ferrari und McLaren immer leicht schneller als wir."

Frage: "Welche Entwicklungsschritte sind für dieses Jahr noch geplant?"
Rampf: "Ein größeres Update - auch optisch ersichtlich - wird ganz klar für Monza kommen, denn das ist eine Low-Downforce-Strecke. Ansonsten haben wir keine großen Updates geplant, sondern wir werden uns weiterhin auf Optimierungen im Detailbereich konzentrieren. Natürlich gibt es auch mal neue Turning-Vanes oder neue Flügel für die Motorenabdeckung, aber sicher kein runderneuertes Auto."

Keine Änderung des Entwicklungsplans

Frage: "Sie sind nun in der Weltmeisterschaft in einer Position, mit der nicht zu rechnen war. Kann es sein, dass daraus ein Dilemma entsteht, denn jetzt muss man wie die Topteams auch 2008 voll weiterentwickeln und kann sich noch nicht auf die neuen Regeln für 2009 konzentrieren?"
Rampf: "Wir werden am Entwicklungsplan nichts Grundsätzliches ändern. Wir müssen so und so viele Kapazitäten für den F1.09 abstellen. Diese Kapazitäten steigen natürlich während der Saison an - immer weniger F1.08 und immer mehr F1.09. Es gibt wie angesprochen ein neues Reglement, das radikale Veränderungen bringt. Wir werden die Entwicklungsprojekte laufend analysieren und entscheiden, wie wir die Prioritäten setzen."

Willy Rampf feiert mit dem Team

Ein Teil des ersten Sieges gehört ihm: Willy Rampf (links neben Robert Kubica) Zoom

Frage: "Einige Teams überlegen, wegen des großen Gewichtsnachteils 2009 ganz auf KERS zu verzichten. Gibt es solche Überlegungen auch bei BMW?"
Rampf: "Ich weiß nicht, wie effizient oder schwer die Systeme der Konkurrenz sind. Das ist das Entscheidende: Auf wie viel Ballastgewicht muss man verzichten, um KERS zu verwenden? Das muss sich jeder selbst ausrechnen, wie viel man durch das Gewicht verliert und auf der anderen Seite gewinnt. Für uns ist es ganz klar der Plan, KERS einzusetzen."

Frage: "Hätte man KERS etwas freier gestalten sollen in puncto Speicherkapazität, um das Ganze etwas attraktiver zu machen?"
Rampf: "Nein. Ich denke, was man jetzt macht, ist der richtige Weg. Man hat einmal ein klares Entwicklungsziel für die Teams definiert. Längerfristig kann man diese Parameter wie Speicherkapazität sicher diskutieren."

Frage: "Wie weit sind Sie generell mit der Entwicklung des neuen Autos zum jetzigen Zeitpunkt?"
Rampf: "Die Konzeptphase ist vorbei, man geht jetzt ins grobe Detail."

Frage: "Es gibt einige Teams, die mit zwei Designmannschaften im Zweijahresrhythmus arbeiten, McLaren-Mercedes zum Beispiel oder Renault. Ist das eine Konstellation, die man mit der speziellen Situation aufgrund der Regeländerungen für 2009 auch in Hinwil angedacht hat?"
Rampf: "Nein."

Keine Alarmglocken nach dem Rollout

Frage: "Ihr Team hat zwischen Rollout und Saisonauftakt in Australien einen großen Sprung gemacht. Sind nach dem Rollout die Alarmglocken angegangen?"
Rampf: "Nein, überhaupt nicht. Wir haben ein Auto mit viel Potenzial hingestellt, aber uns war bewusst, dass das ein Risiko ist, weil beim Rollout vielleicht noch nicht alles perfekt sein wird. Das war auch so. Wir wussten aber auch, dass wir mit diesem Auto dazu in der Lage sind, alles weiter zu optimieren, ohne das Konzept ändern zu müssen. Wir haben das Auto hingestellt und die Fahrer haben uns gesagt: 'Ihr müsst da und da und da nachbessern!' Wir haben dann die entsprechenden Schritte eingeleitet - es war keine Paniksituation. Wir haben uns kontinuierlich verbessert."

"Das Konzept war von Anfang an richtig." Willy Rampf

Frage: "Welche Änderungen und neue Teile hat es konkret bis Australien gegeben?"
Rampf: "Die Vorderachse haben wir relativ schnell geändert. Der Rest war zum Großteil Aerodynamik. Zwischen dem Auto vom Rollout und dem Auto von Melbourne sieht man aber optisch kaum einen Unterschied. Das beweist, dass wir Verbesserungen im Detail gefunden haben. Das Konzept war von Anfang an richtig, aber die ganzen Teile mussten aufeinander abgestimmt werden, die Interaktion von Frontflügel, Turning-Vanes, Winglets, Diffusor und Heckflügel."

Frage: "War diese Entwicklungsphase zu Beginn des Jahres der Ursprung der Probleme, die Nick jetzt mit der Reifentemperatur hat?"
Rampf: "Nein, das hat damit nichts zu tun."

Frage: "Sie dürfen sich diesen großen Sprung auch selbst an die Brust heften - man weiß jetzt, dass Willy Rampf Rennautos bauen kann, wenn er die nötigen Ressourcen zur Verfügung hat. Rennen Ihnen die anderen Teams schon mit Kontaktanfragen die Tür ein?"
Rampf: "Nein. Ich baue die Autos ja auch nicht alleine, sondern ich habe viele sehr gute Mitarbeiter. Der Grund, warum wir so erfolgreich sind, ist, dass wir uns kontinuierlich gesteigert haben. Wir haben unser Selbstvertrauen erhöht und wir haben beim 2008er-Auto auch gewusst, dass wir auf dem richtigen Weg sind - und sind dadurch nicht in Panik verfallen. Es wurden technische Probleme mit technischen Lösungen abgearbeitet und nicht mit interner Politik."

Frage: "Macht Ihr Job in der Formel 1 heute mehr Spaß als je zuvor?"
Rampf: "Früher war es auch sehr interessant, weil die Anforderungen anders waren. Jetzt sind wir sehr erfolgreich. Ich habe mehr Arbeit als früher, aber wenn man Erfolg hat, ist die Bestätigung natürlich größer."