Damon Hill gibt zu: "Senna oder Schumacher in anderer Liga"

Ex-Weltmeister Damon Hill gibt tiefe Einblicke: Wieso er nicht die Klasse der Topstars hatte und wie er mit psychologischer Hilfe die Motivation hinter seiner Karriere fand

(Motorsport-Total.com) - Ex-Weltmeister und Schumacher-Erzrivale Damon Hill gibt in seiner neuen Biographie "Watching the Wheels" zu, dass er in Sachen Talent den absoluten Formel-1-Größen nicht das Wasser reichen konnte. "Ich bin nicht in der selben Liga wie Ayrton Senna, Alain Prost, Michael Schumacher und Lewis Hamilton", schreibt der Brite.

Titel-Bild zur News: Damon Hill, Michael Schumacher

Die Duelle zwischen Hill und Schumacher prägten die Formel 1 Zoom

Als Ursache macht er die Tatsache aus, dass er nicht wie Schumacher oder Senna bereits im Kleinkindalter mit dem Kartsport begonnen hat. "Ich würde nicht sagen, dass mir die Fähigkeiten fehlen. Ich denke aber, dass mir das Training in jungen Jahren gefehlt hat, um auf dieses Niveau zu kommen."

Damon Hill, der als Sohn der Formel-1-Legende Graham Hill in einem Motorsport-Umfeld aufwuchs, startete seine aktive Karriere erst im Alter von 19 Jahren. Als er 15 war, verunglückte sein Vater bei einem Flugzeugabsturz. Das Privatflugzeug war nicht versichert, also musste die Familie für die Opfer aufkommen, weshalb das Geld für eine Rennkarriere fehlte.

Einstieg in den Formelsport erst mit 23 Jahren

Zudem begann Hill seine Rennkarriere zunächst auf zwei Rädern und wechselte erst mit 23 Jahren ohne Karterfahrung in die Formel Ford. Um nicht unter seinem Altersnachteil zu leiden, machte er sich um zwei Jahren jünger.

Über einen Testfahrerjob bei Williams gelang es ihm, mit 31 bei Brabham zu debütieren, 1993 - also im Jahr darauf - wurde er nach dem Rücktritt von Nigel Mansell völlig überraschend zum Einsatzfahrer befördert und feierte im überlegenen Boliden noch im selben Jahr in Ungarn seinen Debütsieg.

Graham Hill, Damon Hill

Durch den Tod von Vater Graham Hill entstand ein großer Schuldenberg Zoom

Hill eroberte im Eiltempo die Formel 1: Durch den Tod von Teamkollege Ayrton Senna stieg er 1994 bei Williams zum Nummer-1-Piloten auf und verlor den Titel erst durch die legendäre Kollision beim Saisonfinale in Australien.

Hill fühlte sich nicht als echter Rennfahrer

Der große Name war für Hill nicht nur Türöffner, sondern auch eine Last, wie er offenbart: "Den größten Teil meines Leben suchte ich nach einer Antwort auf die große Frage: Bin ich nur eine Wiederholung von Graham Hill, ein Graham Hill Teil 2? Oder bin ich ich Damon Hill, Teil 1? Ich war verwirrt, ob ich ein echter Rennfahrer bin oder jemand, der mit einer Mission beauftragt wurde, bevor ich mein wahres Ich finden konnte."

Nach dem Titelgewinn im Jahr 1996 wurde er von Williams vor die Tür gesetzt, weshalb er beim Hinterbänklerteam Arrows andockte und dort in Ungarn 1997 beinahe sensationell siegte. Doch die Formel 1 laugte Hill allmählich aus und er beendete seine Karriere. "Mir wurde alles zu viel, und ich musste mich auf die Reihe kriegen und fühlte mich wie ein Insekt in einem Glas", schildert er seine damalige Lage. "Ich dachte, dass die Formel 1 mein Problem war, doch es hatte mit anderen Themen zu tun."

Damon Hill

Damon Hill ist nach wie vor Stammgast im Formel-1-Fahrerlager Zoom

Psychotherapie gegen Depressionen

Hill suchte bei einer befreundeten Therapeutin Hilfe, die ähnlich wie Hill ihre Eltern bei einem Hubschrauberunfall verloren hatte. Heute hat er seine damaligen Selbstzweifel, seine Depresssionen und seine Wut überwunden. Und er hat herausgefunden, was die Triebfeder hinter seiner Karriere war: "Die Motivation für mein Durchhaltevermögen war die Sehnsucht, den ganzen Schaden, der der Familie Hill 1975 entstand, wieder zu reparieren."

Die Entscheidung, psychologische Hilfe zu suchen, war aus heutiger Sicht die richtige Entscheidung, erzählt der 55-Jährige, der nach der Karriere seinen Universitätsabschluss in englischer Literatur nachholte und die Formel-1-Rennen inzwischen als TV-Experte begleitet: "Eine Therapie läuft anders, als manche Leute denken. Man muss lernen, die Dinge so zu beschreiben, dass sie andere Menschen verstehen. Und so kann es gelingen, dass man die Brücke überquert."