• 26.03.2011 15:29

  • von Dieter Rencken

Barrichello: "Ich bin ziemlich enttäuscht"

Williams-Fahrer Rubens Barrichello leistete sich in der Qualifikation von Australien einen Fehler, macht sich aber trotzdem Hoffnungen für das Rennen

(Motorsport-Total.com) - Ausgerechnet der erfahrenste Formel-1-Pilot leistete sich beim ersten Qualifying der neuen Saison einen Fehler: Rubens Barrichello drehte sich in Q2 von der Strecke und blieb mit seinem Williams im Kiesbett stecken, sodass sein Zeittraining vorzeitig beendet war. Im Interview zeigt sich der 38-Jährige deshalb etwas zerknirscht, bringt aber zugleich seine Hoffnung zum Ausdruck, im Rennen noch etwas nach vorne zu gelangen. Darüber hinaus spricht Barrichello über die Dominanz von Red Bull.

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Rubens Barrichello war nach seinem Fehler in der Qualifikation "not amused"

Frage: "Rubens, wie ist es dir am Samstag von Melbourne ergangen?"
Rubens Barrichello: "Mein Tag war nicht sonderlich berauschend."

Frage: "Was kannst du uns über dein Abschneiden im Qualifying sagen? War es ein Fehler oder steckt mehr dahinter?"
Barrichello: "Nein. Wie ich schon einmal erklärte: Seit dem Morgen waren wir am Aufholen. Wir hatten etwas Zeit verloren, weil einige Reparaturen am Getriebe durchgeführt werden mussten. Wir fanden uns in einer Situation wieder, in der man neue Erfahrungen macht. Zum Zeitpunkt des Abfluges waren wir mit harten Reifen unterwegs."

"Ich berührte aber das Gras und dadurch wurde ich in einen Dreher gezwungen." Rubens Barrichello

"Wir wären wieder hereingekommen, hätten andere Pneus aufgezogen und wären damit auf Zeitenjagd gegangen. Das Ziel war jedenfalls nicht, mit den harten Reifen eine besonders gute Rundenzeit zu markieren. Ich berührte aber das Gras und dadurch wurde ich in einen Dreher gezwungen. Es war ein dummer Fehler."

Frage: "Wie würdest du deine Geschwindigkeit einschätzen? Williams schien stets an den Top 10 zu schnuppern..."
Barrichello: "Eigentlich waren wir die ganze Zeit über an den Top 10 dran. Ich denke, wir hätten mit Sauber gekämpft. Das ist so ziemlich, was ich mir für heute hätte vornehmen können."

"Natürlich würde ich mir wünschen, wir wären noch besser. Warten wir einfach einmal ab. Wir haben gewisse Probleme mit der Leistung des Fahrzeugs. Wir können nicht das gleiche Setup wie bei den Tests verwenden, denn das Auto schlägt etwas zu sehr durch. Da büßen wir etwas an Leistung ein. Das müssen wir auf die Reihe kriegen."

"KERS war prima und auch der Rest funktionierte prächtig." Rubens Barrichello

"Gleichwohl muss ich hinzufügen: KERS war prima und auch der Rest funktionierte prächtig. Ich bin zwar ziemlich enttäuscht, was den Samstag anbelangt, doch ich habe noch drei nagelneue Reifensätze für Sonntag. Das könnte also eine ganz neue Geschichte geben. Das könnte sich positiv bemerkbar machen."

Frage: "Diese Sache beim Setup kommt etwas überraschend, denn hier in Melbourne räubert man ja mehr über die Curbs als auf anderen Strecken..."
Barrichello: "Das liegt aber an der Natur der Strecke. Es kann gut sein, dass auch andere Teams Probleme in diesem Bereich haben. Sicher weiß man es natürlich nur von sich selbst. Warten wir einfach einmal ab. Am Samstag ging es ohnehin nur darum, wie viel Red Bull noch in der Hinterhand hat. Sie haben ein komplett anderes Auto."¿pbvin|512|3539|inside|0|1pb¿

Red Bull hat die Formel 1 derzeit im Griff

Frage: "Was ist es für ein Gefühl, wenn ein Team zum Saisonstart schon einen riesigen Vorsprung zu haben scheint?"
Barrichello: "Ich kenne eine solche Situation. Ich war bei Ferrari, als das Auto in einer anderen Liga fuhr. Das war klasse."

"Ich bin überrascht, wie es McLaren gelingen konnte, Red Bull derart nahe zu kommen." Rubens Barrichello

"Manchmal hatten wir sogar noch in der Qualifikation einiges an Sprit im Auto, weil wir unsere wahre Geschwindigkeit nicht zeigen wollten. Ich frage mich sogar: Weshalb fuhr Sebastian diese letzte Runde überhaupt? Er hätte sich diesen Reifensatz doch aufsparen können. Er hatte schon eine überaus gute Rundenzeit registriert."

"Ich kann ihnen aber keinen Vorwurf machen. Sie haben eine gute Mannschaft, die klasse Arbeit geleistet hat. Ganz ehrlich: Ich bin überrascht, wie es McLaren gelingen konnte, Red Bull derart nahe zu kommen. Auch sie haben tolle Arbeit geleistet. In meinen Augen lagen sie zuletzt beim Testen aber noch hinter uns."

"Man darf also nicht einfach unterschätzen, dass da sehr kluge Ingenieure am Werk sind. Das neue Auspuffsystem könnte sich als großer Vorteil erweisen. Red Bull hat es schon, wir noch nicht. McLaren scheint alleine dadurch eine ganze Sekunde gefunden zu haben. Es wird ein paar Rennen dauern, bis sie jemand herausfordern kann."

Frage: "Ist es nicht ärgerlich aus der Sicht des Teams, wenn ein anderer Rennstall derart schnell ist?"
Barrichello: "Das ist es, doch ich liebe die Herausforderung. Ganz ehrlich: Wenn etwas passieren soll, dann wird es in diesem Jahr geschehen. Das liegt einfach daran, dass wir es mit neuen Regeln, neuen Reifen, der Rückkehr von KERS, dem verstellbaren Heckflügel und dergleichen zu tun haben."

"Man darf nicht zu pessimistisch sein." Rubens Barrichello

"Da ist vieles möglich. Wäre im vergangenen Jahr alles nach Plan gelaufen, hätte Sebastian den Titel schon zur Saisonhälfte eingefahren. So war es aber nicht. Man darf nicht zu pessimistisch sein, sondern sollte vielmehr daran glauben, dass etwas möglich ist."


Fotos: Rubens Barrichello, Großer Preis von Australien


"Im Augenblick hat es aber viel eher den Anschein, als müssten sich alle anderen angesichts dieser Geschwindigkeit hinsetzen und weinen. Ich bin mir sicher, dass Stimmen laut werden: 'Sie haben dies und jenes - wir nicht.' Fakt ist: Sie waren klüger als die meisten anderen. Sie haben einfach ein besseres Auto gebaut."

Sind die langsamen Autos ein Sicherheitsrisiko?

Frage: "Die langsamen Fahrzeuge im Starterfeld könnten ein gewisses Sicherheitsrisiko darstellen, das man vielleicht auch in der Fahrergewerkschaft (GPDA) thematisieren müsste. Wie siehst du diese Situation?"
Barrichello: "Ich müsste mich erst einmal mit den anderen Fahrern über diese Thema austauschen. Wir sprachen bisher nicht darüber."

"Am Freitag ging es lediglich darum, dass wir die Piloten darauf aufmerksam machten, dass es relativ große Unterschiede bei der Geschwindigkeit geben könnte. Die Fahrer müssen möglichst früh reagieren, um ihre Linie zu verteidigen. Wenn man nämlich erst spät reagiert und der Hintermann mit einem großen Überschuss heranrauscht, dann könnten wir etwas erleben, wie es Mark im vergangenen Jahr widerfahren ist."

"Die Fahrer müssen möglichst früh reagieren, um ihre Linie zu verteidigen." Rubens Barrichello

"Diese Befürchtung wurde im Rahmen der Fahrerbesprechung geäußert. Am Freitag sprachen wir sehr ausführlich darüber, wie die Fahrer Japan helfen können und dergleichen. Außerdem müssen wir erst einmal abwarten, was die Reifen leisten."

"Vorab waren die Piloten diesbezüglich recht pessimistisch und es wurde viel kritisiert. Schauen wir doch erst einmal. Wir hatten nicht mit solchen Temperaturen gerechnet. Am Sonntag soll es offensichtlich noch etwas wärmer sein. Ich denke, wir sollten die Gesamtsituation verbessern - zum Beispiel auch die farbliche Markierung der Reifen."

"Man kann kaum erkennen, was vor sich geht. Da muss etwas im Hinblick auf die Zuschauer geschehen. Auf einem Foto kann man sehen, mit welchen Reifen ein Fahrzeug unterwegs ist. Bei laufenden Bildern ist das aber nicht möglich. Wie sieht das dann erst der Fan auf der Tribüne? Es wäre schön, wenn man dafür eine andere Lösung finden könnte."

Frage: "Hast du viel mir dem verstellbaren Heckflügel experimentiert? Wie wird sich dieses neue Element im Rennen bemerkbar machen?"
Barrichello: "Im zweiten Freien Training setzten wir uns mit der Situation im Rennen auseinander. Abgesehen davon werden wir am Sonntag das Meiste wahrscheinlich lernen. Ich hoffe, ich kann das System im Rennen möglichst oft zum Einsatz bringen."