Auspuffsysteme: Droht 2013 ein Wettrüsten à la 2011?

Eigentlich wollte die FIA die Auspuff-Nutzung für aerodynamische Zwecke verhindern, die Entwicklung konzentriert sich nun aber doch wieder vermehrt auf diesen Bereich

(Motorsport-Total.com) - Eigentlich wollte die FIA dieses Jahr mit dem restriktiven Reglement im Heckbereich verhindern, dass die Teams den Auspuff aerodynamisch zweckentfremden, nachdem 2010 und 2011 enorme Summen in die Entwicklung auspuffangeblasener Diffusoren gesteckt wurden. Doch im Laufe der Saison haben die meisten Technikabteilungen die Grauzonen im Reglement geortet und mit dem Coanda-Auspuff eine Möglichkeit gefunden, mit einem ähnlichen, wenn auch deutlich weniger effektiven Weg die Restriktionen zu umgehen.

Titel-Bild zur News: Red Bull, Coanda-Auspuff

Red Bull hat den Coanda-Auspuff nicht erfunden, aber zuletzt perfektioniert Zoom

Experten sehen diesen Durchbruch neben der Gewöhnung der Teams an die Pirelli-Reifen auch als Ursache, warum die Rennen in der zweiten Saisonhälfte deutlich berechenbarer sind als in der ersten - auch die aktuelle Dominanz von Red Bull dürfte abgesehen vom Doppel-DRS-Effekt darauf zurückzuführen sein, dass Adrian Newey einen Weg gefunden hat, das Coanda-System optimal zum Arbeiten zu bringen.

Wieviel Entwicklungspotenzial birgt der Auspuff noch?

Droht nun in der kommenden Saison eine Wiederholung dessen, was wir bereits 2011 gesehen haben - ein Wettrüsten im Auspuffbereich? McLaren-Sportdirektor Sam Michael schließt dies gegenüber 'Autosport' aus und ist nicht der Meinung, dass die Reglementänderungen ihre Wirkung verfehlt haben: "Die Absicht der Änderungen vor zwölf Monaten war, dass es zwar zunächst etwas Forschung und Entwicklung gibt, dann aber Restriktionen bestehen, die verhindern, dass man auch nur in die Nähe des Potenzials aus dem Vorjahr kommt."

Er rechnet damit, dass man bei der Entwicklung des Auspuffs rasch das Limit erreichen wird: "Es wird wichtig sein, es über den Winter hinzubekommen, aber bei den Teams sind die Lösungen durch die Bank sehr ähnlich."

"Bei den Teams sind die Lösungen durch die Bank sehr ähnlich." Sam Michael

Coanda-Auspuff setzte sich durch

Mercedes-Teamchef Ross Brawn stößt ins gleiche Horn. Der Brite, dessen Team in Singapur erstmals mit dem Coanda-Auspuff ausrückte, glaubt, dass diese Variante im Heckbereich der Weisheit letzter Schluss ist - nun gehe es für die zurückliegenden Rennställe bloß darum, den verlorenen Boden wieder gutzumachen.

"Sauber und McLaren haben diese Technologie zuerst verwendet", verweist er gegenüber 'Autosport' auf die Wintertests. "Ich erinnere mich daran, dass sie sogar Adrian (Newey, Anm.) ein paar Rennen am Auto hatte und dann wieder auf sie verzichtete, weil er sich nicht sicher war. Aber jetzt würden sie nie darauf verzichten, denn sie haben es offensichtlich sehr gut entwickelt."

"Sauber und McLaren haben diese Technologie zuerst verwendet." Ross Brawn

Tatsächlich kam Vettel zunächst mit dem System schlechter als Webber klar, weshalb Red Bull den Weltmeister in China sogar mit der konventionellen Lösung in das Wochenende schickte - schließlich boxte Newey den Coanda-Auspuff aber durch, was sich im Nachhinein als absolut richtiger Schachzug erwies.

Coanda: Mercedes noch lange nicht am Limit

Bei Mercedes ging, seit man den Coanda-Auspuff an Bord hat, auch nicht viel weiter - dennoch erkennt Brawn den Vorteil: "Wir haben in der kurzen Zeit, wo wir das System jetzt verwenden, erkannt, dass es ganz neue Wege ermöglicht. Vielleicht ist das der Grund, warum wir in der zweiten Saisonhälfte etwas zurückgefallen sind, denn ehe man sich damit beschäftigt, kennt man das Potenzial nicht. Daher ist es wichtig, dass wir damit dieses Jahr begonnen haben."

Der Brite weiß, dass sein Team im Bereich des Coanda-Auspuffs noch deutlich Luft nach oben hat: "Hoffentlich lernen wir noch viel. Ich denke, dass sich die Entwicklung vieler Autos in den letzten paar Monaten hauptsächlich auf diesen Bereich konzentriert hat - das ist der Grund, warum es so große Fortschritte gab. Wir sind nun bei der zweiten Ausbaustufe des Systems, und vor dem Ende des Jahres stehen wahrscheinlich noch einige Modifikation bevor - für nächstes Jahr wird es noch einmal überarbeitet."

"Wir haben in der kurzen Zeit, wo wir das System jetzt verwenden, erkannt, dass es ganz neue Wege ermöglicht." Ross Brawn

Brawn versäumte Auspuff-Entwicklung

Im März hatte Brawn übrigens noch gefordert, dass die FIA gegen die Auspuffsysteme mancher Teams vorgeht. Der Teamchef selbst zeigte damals zumindest in der Öffentlichkeit keine Ambitionen, den F1 W03 mit einem System auszustatten, das auch den Diffusor anbläst. Brawn sah damals keinen großen Nachteil für sein Team: "Es ist zwar wahr, dass kleine Dinge in der Formel 1 eine große Wirkung haben können, aber die Bemühungen, die man in so ein Auspuffsystem stecken würde, setzen wir lieber woanders ein", sagt er damals gegenüber 'Formula1.com'. Kein Wunder, dass Mercedes den Anschluss verpasste.

Auch heute ist Brawn noch nicht ganz davon überzeugt, dass der Coanda-Auspuff dem Geiste des Reglements entspricht: "Ich bin nicht sicher, ob das beabsichtigt wurde, als das Reglement geschrieben wurde, aber das ist die Natur der Formel 1. Die aktuellen Systeme sind nicht so leistungsstark wie die Systeme im Vorjahr, denn die Motormappings werden jetzt kontrolliert, aber sie verursachen immer noch einen Vorteil."

"Ich bin nicht sicher, ob das beabsichtigt wurde, als das Reglement geschrieben wurde." Ross Brawn

Folgen Sie uns!

Folge uns auf Instagram

Folge uns jetzt auf Instagram und erlebe die schönsten und emotionalsten Momente im Motorsport zusammen mit anderen Fans aus der ganzen Welt