Rennvorschau Singapur: Knipst Ferrari Silber das Licht aus?

In Singapur scheinen die Zeichen für ein spannenderes Rennen gut zu stehen: Doch wer behält in der Nacht und im Smog erfolgreich den Durchblick?

(Motorsport-Total.com) - Mit dem Ende der Europasaison biegt die Formel 1 auch immer auf ihre Zielgerade ein. Doch bis sich ein Pilot zum Weltmeister krönen kann, ist es noch ein langer Weg. Sieben Rennen stehen 2015 noch auf dem Programm der Königsklasse, den Auftakt zur zweiten und letzten Übersee-Phase macht am kommenden Wochenende Singapur, wo ein einzigartiger Grand Prix stattfinden wird.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Sebastian Vettel, Fernando Alonso, Daniel Ricciardo

Ein besonderes Bild: Singapur ist der Inbegriff des Nacht-Grand-Prix Zoom

Wobei, so einzigartig war der Lauf im südostasiatischen Stadtstaat eigentlich nur in den Anfangsjahren, als 2008 an Ort und Stelle der erste Nacht-Grand-Prix abgehalten wurde. Ein Jahr später folgte Abu Dhabi mit seinem Rennen in der Dämmerung, seit dem vergangenen Jahr hat auch Bahrain als Rennen in der Dunkelheit nachgezogen - wobei es mit 1.600 Flutlichtern an der Strecke in Singapur eher taghell ist.

Doch Singapur ist in der Tat etwas Besonderes: Bei keinem anderen Grand Prix müssen sich die Piloten so gegen die ortsübliche Uhrzeit sträuben, wie hier. Weil die Sessions zur üblichen Europazeit stattfinden, bleiben auch Fahrer und Teams im Europa-Rhythmus. Das heißt: Mittagessen um 19 Uhr, Schlafenszeit um 6 Uhr morgen und Aufstehen um 15 Uhr am Nachmittag. Dazu benötigt es auch manchmal unkonventionelle Methoden: "Ich hoffe, dass das Hotel gute Verdunklungsvorhänge hat. Wenn nicht, dann ist es mir nicht neu, dass man Mülltüten am Fenster anklebt, um Licht von draußen fernzuhalten und meinen Schaf zu garantieren", erklärt Romain Grosjean.

Zwei Stunden volle Konzentration

Neben einer guten Mütze Schlaf sind aber auch eine gute Fitness und besonders eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme wichtig. Denn Singapur gilt als das anstrengendste Rennen des Jahres. Trotz der späten Uhrzeit sinken die Temperaturen in Südostasien kaum unter 30 Grad. Zusammen mit der hohen Luftfeuchtigkeit ist dies eine kräftezehrende Kombination. Kommt dann noch einmal das meist längste Rennen des Jahres hinzu, das schon häufig über die Zwei-Stunden-Marke ging, dann weiß ein Pilot, weswegen er trainiert.

Bergungsarbeiten in der Unterführung

Wer einmal die Konzentration verliert, der hängt schnell am Abschlepphaken Zoom

Die Konzentration im engen Leitplankenkanal hoch zu halten, ist eine Kunst für sich. Nicht selten hat Unkonzentriertheit für einen schwerwiegenden Kuss in der Mauer gesorgt, der das Renngeschehen noch einmal auf den Kopf gestellt hat. "Man muss für die gesamten zwei Stunden zu 100 Prozent konzentriert bleiben. Das ist bei der immensen Luftfeuchtigkeit viel schwieriger, als es sich anhört. Nur ein kleiner Ausrutscher und schon findest du dich in der Leitplanke wieder", sagt WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton.

Der Brite kommt mit breiter Brust aus Monza nach Asien, wo er bereits seinen siebten Saisonsieg einfahren konnte. Durch den gleichzeitigen Ausfall von Teamkollege Nico Rosberg hat Hamilton nur 53 Zähler Vorsprung in der WM und kann es dementsprechend ruhig angehen lassen - immerhin würde ihm in jedem Rennen ein zweiter Platz zur erfolgreichen Titelverteidigung reichen. Doch Hamilton hat nur eines im Sinn: zum dritten Mal gewinnen. "Ich werde alles für den Hattrick geben", verspricht er.

Rosberg und Ferrari jagen Hamilton

Doch Rosberg ist nach seinem technisch bedingten Aus im Angriffsmodus. Der Deutsche hat in der WM kaum noch etwas zu verlieren und will daher richtig Vollgas geben. Ob er erstmals in der Löwenstadt triumphieren kann, wird sich zeigen, doch die Chancen stehen gut. Auch wenn die Silberpfeile nicht mehr den großen Motorenvorteil von Spa-Francorchamps und Monza genießen, ist Mercedes auch am kommenden Wochenende wieder haushoher Favorit.


Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Singapur

Im vergangenen Jahr holten sich die Silbernen wie üblich am Samstag die erste Startreihe und entschieden auch am Sonntag das Rennen mit mehr als 13 Sekunden Vorsprung für sich. Doch die Vorzeichen für einen spannenderen Grand Prix als zuletzt in Italien stehen gut. Zum einen dürfte Hauptkonkurrent Ferrari die Strecke eher entgegenkommen, zum anderen haben unvorhergesehene Rennverläufe schon häufig das Bild geprägt - man erinnere sich nur an das Debüt 2008, als Fernando Alonso (Renault) von Startplatz 15 gewann. Unter welchen Umständen braucht man aber wohl nicht mehr zu erklären.

Zudem weiß die Scuderia mit Sebastian Vettel einen echten Singapur-Spezialisten in seinen Reihen. Der Heppenheimer ist Rekordsieger auf dem Marina Bay Street Circuit und gewann den Lauf von 2011 bis 2013 dreimal in Folge, zudem wurde er in den vergangenen fünf Rennen dort immer mindestens Zweiter. Teamkollege Kimi Räikkönen wartet hingegen noch auf ein besseres Ergebnis als seinen einzigen Podestplatz: Rang drei für Lotus 2013.

Toro Rosso und Red Bull als dritte Kraft?

Hinter den beiden dürften sich Red Bull und Toro Rosso zur nächsten Kraft aufschwingen. Die beiden Bullen-Teams haben in Monza taktische Motorenstrafen abgesessen, weil sie sich in Singapur mit neuen Aggregaten eine größere Chance auf ein gutes Ergebnis ausrechnen. Der schwächelnde Renault-Antrieb kommt auf dem Kurs nicht so stark zum Tragen, und das vermeintlich starke Chassis könnte beide Teams in hohe Regionen treiben. "Wir können um ein Podium kämpfen", erklärt Daniel Ricciardo.

Daniel Ricciardo, Max Verstappen

Welcher Bulle hat die Hörner in Singapur vorn? Zoom

Williams steht hingegen ein eher schwieriges Wochenende bevor. Ob Felipe Massa und Valtteri Bottas ihre starke Performance der vergangenen Rennen erneut zeigen können, darf bezweifelt werden, denn der FW37 hat sich auf langsamen Strecken bislang wenig konkurrenzfähig gezeigt. Gleiches gilt auch für die anderen Mercedes-Kunden Force India und Lotus, die in Monaco oder Budapest nicht geglänzt haben.

Doch in der Zwischenzeit ist viel Wasser den Rhein entlang geflossen. Mit der neuen B-Version war Force India zumindest überall relativ gut dabei und sinnt nach dem starken Auftakt in die zweite Saisonhälfte auf mehr: "Wir kommen mit dem Wissen dorthin, dass wir mit dem Auto in den vergangenen Rennen einige Fortschritte gemacht haben. Unser Ziel sind weitere Punkte", gibt Nico Hülkenberg unumwunden zu.

Was macht der Smog?

Gespannt sein darf man auch auf den Auftritt von McLaren. In Monza machten sich bei einer Pressekonferenz erste Gewitterwolken über der Verbindung mit Honda breit, und Motorenchef Yasuhisa Arai geriet im Kreuzverhör mächtig ins Schwitzen. Ein ähnliches Debakel wie in Belgien und Italien ist aufgrund der Streckencharakteristik zumindest nicht zu erwarten - um mal Jenson Button und Fernando Alonso ein wenig Mut zuzusprechen. Bei Sauber hofft man mit Upgrades auf die Fortsetzung der Punkteserie.

Doch vor dem Sportlichen gibt es in dieser Woche auch noch einige andere Themen, auf die man blicken kann: Aktuell herrscht in Singapur dicker Smog, weil in Indonesien Wälder abgebrannt werden. Inwiefern dieser Zustand die Formel 1 beeinflusst, und ob überhaupt gefahren werden kann, entscheidet sich erst in den kommenden Tagen, denn es ist nicht auszuschließen, dass es für Fans, Fahrer und Mitarbeiter nicht auch gesundheitsschädlich werden kann.

Und dann wäre ja auch noch das beliebte Thema Pirelli, das zuletzt in Monza hochkochte, weil die vorgeschriebenen Reifendrücke bei Sieger Lewis Hamilton nicht stimmten. Doch dazu soll es in Singapur nicht kommen: "In den kommenden Tagen werden wir gemeinsam mit der FIA ein eindeutiges Verfahren definieren, das es den Teams ermöglicht, die Richtlinien des Reifeneinsatzes leichter zu erfüllen", verspricht Motorsportchef Paul Hembery Hembery. "Das ist wichtig, um Missverständnisse zu vermeiden. Die Teams bekommen präzisere Vorgaben, die sie einhalten müssen, um das, was Mercedes in Monza passierte, künftig zu verhindern." Es dürfte an vielen Ecken spannend werden.