Kwjats früher Aufstieg: Pro und Contra

Daniil Kwjat gibt im März 2014 mit 19 Jahren sein Formel-1-Debüt, Freitagseinsätze noch in diesem Jahr - Kollegen skeptisch, Red-Bull-Bosse überzeugt

(Motorsport-Total.com) - Im Alter von 19 Jahren gibt Daniil Kwjat im März des kommenden Jahres für Toro Rosso sein Formel-1-Debüt. Bis dato beschränken sich die Motorsporterfahrungen des jungen Russen auf ganze vier Jahre. Über die Formel BMW und die Formel Renault 2.0 stieg Kwjat zu Beginn des Jahres 2013 in die GP3-Serie auf. Dort liegt er bei noch zwei ausstehenden Rennen mit sieben Punkten Rückstand auf Tabellenführer Facu Regalia auf Rang zwei der Gesamtwertung. Parallel zum GP3-Programm bestritt Kwjat die Formel-3-Europameisterschaft, allerdings nur als Gaststarter ohne Anspruch auf Punkte.

Titel-Bild zur News: Daniil Kwjat

Daniil Kwjat ist in der Saison 2014 Stammfahrer bei Toro Rosso Zoom

Angesichts des vergleichsweise geringen Erfahrungsschatzes war die am Montag bekanntgegebene Beförderung Kwjats ins Formel-1-Stammcockpit eine Überraschung. "Ich war so schockiert wie alle anderen, weil man erwartete, dass eine andere Person den Platz bekommt", sagt Force-India-Pilot Paul di Resta und äußert seine Zweifel an der Entscheidung von Toro Rosso: "Es ist nicht einfach, so etwas vorherzusagen, aber so ist das im Mittelfeld leider. Nichts ergibt einen Sinn."

Angesprochen darauf, was Kwjat im Debütjahr in der Königsklasse ausrichten kann, will sich der DTM-Champion des Jahres 2010 nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. "Es ist ein großes Jahr und eine große Aufgabe für einen 19-Jährigen. Aber: Er könnte auch aus der Box herausfahren und uns alle schocken. Ich unterschätze niemanden, der neu hinzukommt", so di Resta.

Auch für Romain Grosjean ist der frühe Aufstieg von Kwjat eine Überraschung. "Es hat mich schon überrascht, aber für ihn ist es natürlich eine gute Sache, ganz klar", sagt der Lotus-Pilot und warnt den nächstjährigen Toro-Rosso-Rookie schon einmal vor: "Auf ihn kommt eine knifflige Aufgabe zu. Für die Formel 1 ist man nie bereit. Es ist ein großer Schritt aus jeder Klasse, aus der man kommen kann."


Fotostrecke: Daniil Kwjat - Vollgas durch die Königsklasse

Williams-Pilot Pastor Maldonado, der genau wie Grosjean über die GP2-Serie und damit die offizielle Aufstiegsserie in die Formel 1 einstieg, stimmt dem Franzosen zu. "Es ist schwierig für diejenigen, die noch nicht über Formel-1-Erfahrung verfügen. Es hängt aber von jedem einzelnen ab, von den eigenen Fähigkeiten. Es geht darum, wie gut man sich anpassen kann. Es wird sicher schwierig. Niemand hat es einfach. Er ist ein neuer Fahrer und wird dazulernen."

Einer der gerade seine Rookie-Saison in der Formel 1 absolviert, ist Maldonados Williams-Teamkollege Valtteri Bottas. Genau wie nun Kwjat ließ auch der Finne die GP2 aus und stieg von der GP3 direkt in die Formel 1 auf. Wie beurteilt er nach knapp einem Jahr als Stammfahrer diesen Schritt? "Für jeden Rookie ist das Debütjahr nicht einfach. Du trittst gegen Piloten an, die über viel Formel-1-Erfahrung verfügen. Da spielt es eigentlich keine Rolle, ob du diverse Freitagseinsätze hattest oder nicht. Denn einfach wird es auf keinen Fall", stellt Bottas klar.

Früher Aufstieg: Button sieht große Gefahr

Der Wechsel von der GP3 in die Formel 1 war für Bottas "sicherlich der größte Schritt", wie er betont: "Eine so große Veränderung von Auto zu Auto hatte ich sonst nie in meiner Karriere. Es gab viel zu lernen. In der Formel 1 passieren die Dinge einfach so viel schneller". Was ihm entgegenkam war die Tatsache, vor dem Aufstieg ins Stammcockpit zunächst ein Jahr lang als Freitagsfahrer Erfahrung sammeln zu können. "Die Freitage sind natürlich eine Hilfe", macht Bottas keinen Hehl aus seinem Privileg und erklärt warum: "Du kennst dadurch schon einige Strecken. Außerdem war ich schon vor meinem Renndebüt gut mit dem Team vertraut. Das hilft." In Bezug auf Kwjat hält der Finne fest: "Ich bin mir sicher, er muss noch viel lernen."

McLaren-Pilot Jenson Button, der in der Saison 2000 im Alter von 20 Jahren für Williams in der Formel 1 debütierte, hat seine Zweifel, dass Kwjat die nötigen Voraussetzungen mitbringt. "Als ich hier ankam, war ich nicht annähernd bereit für die Formel 1. Ich hatte die Gelegenheit und musste sie nutzen, denn man weiß nie, ob man wieder die Chance erhält. In diesem Alter ist man in einer sehr schwierigen Position, denn es wird einem gesagt, dass man die Chance nutzen muss - und das muss man auch. Aber: Wenn ich die Wahl gehabt hätte, zwei weitere Jahre in Nachwuchsklassen zu fahren - mit der Versicherung, danach Formel 1 fahren zu können -, dann hätte ich diese Wahl getroffen."

Jenson Button

Jenson Button stieg zur Saison 2000 im Alter von 20 Jahren in die Formel 1 auf Zoom

"Es hätte beinahe meine Karriere zerstört, dass ich so früh in die Formel 1 gekommen bin", gesteht Button rückblickend. "Als ich plötzlich ein Auto hatte, das nicht konkurrenzfähig war, war es für mich sehr schwierig, ein Setup zu finden. Für die Kids, die jetzt kommen, wird es schwierig, denn 2014 stehen große Reglementänderungen bevor. Man muss KERS verstehen und auch das Drehmoment des Motors ist ganz anders. Es wird so viel Arbeit außerhalb des Autos nötig sein, bevor man einsteigt. Man kann das mit keiner anderen Rennformel vergleichen."

"Es ist so eine andere Art von Rennsport. Hunderte Menschen sind von dir abhängig, werden deinen Aussagen über das Auto zuhören, um es zu entwickeln", charakterisiert Button die Formel 1 und zieht den Vergleich zu den Nachwuchsklassen: "Währenddessen hat man in einem kleinen Formel-3-Team acht bis zehn Leute, die da und dort eingreifen. Es wird also sehr schwierig. Aus meiner Sicht ist es das Beste für einen jungen Fahrer, eine gute Karriere im Formelsport zu haben und Zeit bei einem Formel-1-Team zu verbringen, um zu erfahren, was ein Fahrer an einem Rennwochenende durchmacht. Kwjat wird in Melbourne einen riesigen Schock erleben. Vielleicht schlägt er sich großartig und wir werden darüber nie wieder sprechen. Hoffentlich gelingt ihm das, aber so etwas kann auch seine Karriere zerstören."

Freitagseinsätze für Kwjat in Austin und Interlagos

Während die Konkurrenz das frühe Formel-1-Debüt von Kwjat größtenteils skeptisch betrachtet, ist Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost überzeugt, die richtige Wahl getroffen zu haben, indem er sich für den 19-jährigen Russen und gegen Antonio Felix das Costa, den Gesamtdritten der diesjährigen Formel Renault 3.5, entschieden hat. "Kwjat beeindruckte mit einer starken Performance sowohl in der Formel-3-Europameisterschaft als auch in der GP3-Serie. Dort kann er auch noch den Titel holen. Felix da Costa zeigte nicht diese Konstanz. Er belegte auch nur den dritten Platz in der Gesamtwertung der Renault 3.5 World Series", wird Tost von 'Speedweek' zitiert.

Daniil Kwjat

Beim Young-Driver-Test in Silverstone saß Kwjat erstmals im Toro Rosso Zoom

Beim Young-Driver-Test im Juli in Silverstone saß Kwjat erstmals für Toro Rosso im Cockpit. Die nötige Superlizenz fehlt dem Russen zwar noch, doch Tost ist optimistisch. Dieser Optimismus geht soweit, dass das B-Team von Red Bull im Vorfeld des Indien-Grand-Prix verkündete, Kwjat im November in Austin und Interlagos im ersten Freien Training fahren zu lassen. Die dafür nötige Superlizenz soll er bei einem zusätzlichen Test in einem Boliden aus der Saison 2011 erlangen.

Horner gesteht: Felix da Costa war eigentlich erste Wahl

"Nach den Erkenntnissen vom Nachwuchsfahrertest in Silverstone erwarte ich eine steile Lernkurve", formuliert Tost seine Erwartungen an Kwjat und hängt die Trauben schon jetzt hoch: "2014 wird wegen des neuen Reglements für alle ein Neuanfang. Bauen wir ein wettbewerbsfähiges Auto, wird er in die Punkte fahren."

Auch Christian Horner unterstützt die Toro-Rosso-Wahl pro Kwjat. "Der Junge ist richtig schnell und von Natur aus sehr talentiert. Natürlich muss er noch viel lernen, aber der Grund, warum er hier ist, ist hundertprozentig sein Talent", schlägt der Red-Bull-Teamchef gegenüber 'Reuters' Gerüchte in den Wind, wonach Kwjat als Zugeständnis an Russland ins Formel-1-Cockpit gehievt worden sein könnte.

"Wäre die Entscheidung vor zwölf Monaten getroffen worden, dann wäre Antonio der klare Favorit gewesen." Christian Horner

Horner räumt allerdings ein, dass man eigentlich mit Felix da Costa geplant hatte: "Wäre die Entscheidung vor zwölf Monaten getroffen worden, dann wäre Antonio der klare Favorit gewesen. Doch Antonio hatte ein durchwachsenes Jahr, wohingegen sich Daniil wirklich hervorgetan hat. Das gab letztlich den Ausschlag zu seinen Gunsten."

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