• 30.09.2008 17:53

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Brawn sieht Ungerechtigkeiten im Reglement

Die Homologierung der Motoren und die Einheitselektronik benachteiligen laut Ross Brawn einige Teams: "Ein sehr komplexes Thema"

(Motorsport-Total.com) - Zunächst nur aus der Renault-Ecke, in den vergangenen Wochen aber auch von anderen Teams kamen immer lauter werdende Beschwerderufe gegen die Motorenhomologierung, im Fahrerlager oft auch als "Einfrieren der Weiterentwicklung" bezeichnet. Einige Teams sollen ihre Motoren nämlich trotzdem weiterentwickelt haben.

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Honda soll motorenseitig derzeit nicht zu den am besten gerüsteten Teams gehören

Das ist grundsätzlich auch gar nicht verboten: Die Homologierung betrifft nur den Motorblock selbst, aber nicht die Peripherieelemente, und gesteht auch Änderungen zu, die sich nur auf die Zuverlässigkeit, aber nicht auf die Leistung auswirken. Das ist freilich kaum klar zu definieren - und die dadurch entstandenen Grauzonen dürften manche besser genutzt haben als andere. Vor allem Ferrari sagt man nach, die Grenzen weit nach außen geschoben zu haben.#w1#

Defizit wird bis Ende 2012 mitgeschleppt

Seit noch strengere Homologierungsauflagen gelten, ist das Kräfteverhältnis zwischen den Motorenherstellern tatsächlich so gut wie eingefroren - und zwar bis Ende 2012. Damit sind nicht alle einverstanden: "Es gibt Teams, die motorenseitig ein Leistungsdefizit haben. Ich finde es unfair, dass sie wegen der Homologierung auch die nächsten vier Jahre mit diesem Defizit leben müssen", findet beispielsweise Honda-Teamchef Ross Brawn.

"Dies ist ein sehr komplexes Thema. Ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt zu lösen ist", sagte der Brite in Singapur. "Entweder erlaubt man den Teams, etwas zu unternehmen, um das Defizit wettzumachen, oder man unternimmt etwas, um die Vorteile der anderen Teams zu reduzieren." Man müsse zunächst einmal fundiert feststellen, ob die Gerüchte, dass sich manche Hersteller einen Vorteil verschafft haben, tatsächlich stimmen. Danach sei die FIA am Wort.

Gegen den Strich geht Brawn auch die einheitliche elektronische Steuereinheit (ECU), die seit Anfang dieser Saison für alle Teams Pflicht ist. Das standardisierte System wurde ausgerechnet von der McLaren-Schwesternfirma MES entwickelt, die im gleichen Gebäude wie das Formel-1-Team stationiert ist. Bereits im Vorfeld der Einführung war daran Kritik laut geworden, in den vergangenen Wochen fehlte das Thema jedoch in den Schlagzeilen der Motorsportpresse.

Einheitselektronik: Vorteil für die Silberpfeile?

Brawn stört sich aber daran, dass erst die Motoren homologiert wurden und die FIA dann MES als Entwickler der Standardelektronik bestimmt hat. McLaren hatte so im Vergleich zu den anderen Teams zumindest günstigere Rahmenbedingungen: "Man könnte argumentieren, dass der Mercedes-Motor speziell für die McLaren-ECU entwickelt wurde", so der Honda-Teamchef. "Das könnte jetzt ein Vorteil für sie sein, wer weiß?"

"Das MES-System an sich ist gut, die Idee einer Einheitselektronik auch", fuhr Brawn fort. "Die Abfolge der Ereignisse war aber nicht besonders glücklich. Wir mussten uns mit unserem Motor und all unseren Systemen so gut wie möglich auf die McLaren-ECU einstellen. Man hätte uns jedoch Gelegenheit geben müssen, die Motoren für die ECU zu optimieren, dann erst hätte man die Motoren einfrieren dürfen."