• 10.03.2005 08:48

Peter Sauber: "Es gibt noch viel zu tun"

Teamchef Peter Sauber ist nach dem Saisonauftakt enttäuscht, vor seinem technischen Stab liegt noch sehr viel Arbeit

(Motorsport-Total.com) - Peter Sauber hatte schon bessere Momente in seiner langen Karriere als Rennstallchef erlebt. Der Saisonauftakt in Melbourne jedenfalls geriet für das Team von Sauber Petronas zu einem herben Rückschlag, nachdem man in der letzten Saison immer stärker geworden war. Unsere Kollegen des 'emagazine' der 'Credit Suisse' sprachen mit dem Zürcher wenige Augenblicke nach dem Rennen.

Titel-Bild zur News: Peter Sauber

Peter Sauber kann mit dem Saisonauftakt nicht zufrieden sein

Bereits vor dem Beginn der neuen Saison vollführte das Euphorie-Barometer im Schweizer Formel-1-Rennstall große Sprünge. Noch Ende des vergangenen Jahres war das Quecksilber weit oben. Man hatte eine gute Saison hinter sich, mit Jacques Villeneuve einen Ex-Weltmeister verpflichtet und vor allem mit dem neuen Windkanal endlich ein Instrument, um konkurrenzfähige Autos zu bauen - der im Laufe der letzten Saison immer stärker auftrumpfende C23 bewies es. Entsprechend groß war die Spannung, als der neue C24 im Januar auf den Rennstrecken Spaniens ausrollte.#w1#

Die Ernüchterung folgte auf dem Fuß: Die erste Schöpfung aus dem neuen Windkanal fuhr den Konkurrenten teilweise hinterher, genauso wie Jacques Villeneuve seinem Teamkollegen Felipe Massa - der Kanadier verlor auf den Brasilianer im Durchschnitt eine Sekunde. Der erste Grand Prix der Saison in Melbourne am letzten Sonntag lieferte schließlich die Bestätigung für die mittlerweile gedämpften Erwartungen bei Sauber Petronas.

"Das Resultat ist ernüchternd"

Frage: "Peter Sauber, die Plätze 10 (für Felipe Massa) und 13 (Jacques Villeneuve) sind wahrlich nicht das Höchste der Gefühle. Sind Sie enttäuscht?"
Peter Sauber: "Natürlich wussten wir bereits im Vorfeld der Saison, dass das Auto nicht auf dem Stand ist, auf dem wir es gerne gehabt hätten. Aber das Training am Freitag hat uns doch wieder Mut gemacht (Felipe Massa fuhr auf Platz 6, Anm. d. Red.). Insofern ist das Resultat ernüchternd.

Frage: "Insbesondere Ihr neuer Fahrer, Jacques Villeneuve, hat noch nicht überzeugt. Wie beurteilen Sie seine Leistung?"
Sauber: "Ich bin da zurückhaltend im Urteil. Es war das erste Rennen der Saison, ein extrem spezielles Rennen zudem - nicht nur für Sauber Petronas. Es gab eigentlich nur ein Team, das den Erwartungen gerecht wurde, Renault. Ein anderes Team, Red Bull Racing, schoss weit über die Erwartungen hinaus. Daneben gab es solche, die extrem enttäuschten, allen voran BAR Honda. McLaren ist im Mittelfeld etwas versunken, von Ferrari spricht fast niemand, obwohl Barrichello aufs Podest gefahren ist. Kurz: eine eigenartige Situation."
Frage: "Und Villeneuve?"
Sauber: "Am liebsten würde ich dazu nichts sagen. Wenn Sie aber auf einer Antwort bestehen: Das Qualifying meisterte er gut. Die Bedingungen waren schwierig, denn er war der Erste, der mit Trockenreifen hinausfuhr. Danach hatte er Probleme mit den kalten Reifen, holte am Schluss dennoch den hervorragenden vierten Platz. Im Rennen hatte er einen recht guten Start, ließ sich dann gleich in der ersten Runde von fünf Fahrern überholen - eine herbe Enttäuschung."

Villeneuves Probleme mit dem Sauber C24

Frage: "Wie kam es zu diesem Rückschlag?"
Sauber: "Das müssen wir noch analysieren. Villeneuve selbst ist im Moment wenig zu entlocken. Er habe in bestimmten Phasen des Rennens Probleme mit dem Auto gehabt - mehr hat er uns bis jetzt nicht verraten."

Frage: "Also können Sie auch noch nicht erklären, warum der Kanadier in seiner schnellsten Runde fast eine Sekunde langsamer fuhr als sein Teamkollege Felipe Massa?"
Sauber: "Diese Differenz kann ich nicht erklären. Denn eigentlich ist sie noch größer, als es scheint. Felipe Massa fuhr nach dem Start und dem Boxenstopp jeweils mit einem schweren Auto los - im Gegensatz zu allen andern Fahrern, die zwei Boxenstopps machten, war er mit einer Ein-Stopp-Strategie unterwegs. Wir mussten ihn sogar mit leicht reduzierter Drehzahl fahren lassen, damit das Benzin bis am Schluss reichte. In einem regulären Rennen mit zwei Stopps wäre er noch schneller gefahren."

Frage: "Felipe Massa lag in seiner schnellsten Runde rund eine Sekunde hinter dem Sieger Giancarlo Fisichella, jedoch nur eine halbe Sekunde hinter den McLarens. Ist der C24 also gar nicht so langsam, wie es das Resultat suggeriert?"
Sauber: "Nein. Zufrieden sind wir trotzdem nicht. Das sind wir ohnehin erst, wenn wir unseren ersten Sieg in der Formel 1 erringen (lacht). Wie gesagt: Der C24 ist noch nicht dort, wo wir ihn haben wollen. Das sagen auch die Resultate aus dem Windkanal. Dennoch sind wir sehr zuversichtlich, dass wir das Auto weiterentwickeln können, denn wir machen wöchentlich, wenn nicht täglich, Fortschritte im Windkanal. Schon im nächsten Rennen in Malaysia werden wir komplett neue Teile am Auto haben, die mehr als kosmetischer Natur sind."

"Das Geheimnis ist und bleibt die Aerodynamik"

Frage: "Welche Verbesserungen erhoffen Sie sich konkret?"
Sauber: "Das Geheimnis ist und bleibt die Aerodynamik. Die neuen Teile werden für mehr Abtrieb sorgen, der infolge der neuen Regeln stark reduziert wurde. Damit sollte das Auto vor allen in den Kurven stabiler werden."

Frage: "Giancarlo Fisichella fuhr im letzten Jahr noch für Sauber. Kaum hat er zu Renault gewechselt, erringt er gleich einen Sieg, den zweiten in seiner Karriere. Haben Sie sich trotzdem gefreut?"
Sauber: "Bestimmt, denn ich mag Giancarlo als Menschen sehr gut. Dennoch ist das weinende Auge bestimmt größer als das lachende. Wir haben ja auch nie verheimlicht, dass wir Fisichella am liebsten behalten hätten. Doch er hatte diese berühmte Ausstiegsklausel im Vertrag..."

Frage: "Ist er nun ein heißer Anwärter auf den Weltmeistertitel?"
Sauber: "Wenn er das richtige Material hat, ist er immer ein heißer Anwärter auf den Titel. Ob es diesmal mit Renault klappen wird, muss sich allerdings noch weisen."

Frage: "Schon spricht man von einem bevorstehenden Zweikampf zwischen Ferrari und Renault. Zu Recht?"
Sauber: "Auch das ist noch lange nicht sicher. Nehmen Sie McLaren. Die haben in Melbourne ein Mauerblümchendasein gefristet. Das wird sich bestimmt noch ändern."

Frage: "Red Bull hat bewiesen, dass auch vermeintlich kleine Teams groß auftrumpfen können. Ist das Feld insgesamt zusammengerückt?"
Sauber: "Wenn man sich die Zeiten anschaut, dann haben Sie Recht. Vor allem Felipe Massa fuhr in seiner schnellsten Runde eine Zeit, die sehr nahe bei derjenigen der beiden Red Bull-Piloten lag. Aber auch Nick Heidfeld (BMW WilliamsF1 Team, d.Red.) oder Jarno Trulli (Toyota, d. Red.) fuhren in diesem Bereich."

Frage: "Noch ein letztes Wort zu den neuen Regeln. Mit den Änderungen hat man sich nicht zuletzt spannendere Rennen erhofft. Zumindest in Melbourne war das nicht der Fall. Wer sich die Mühe nahm und morgens um 4 Uhr den Fernseher einschaltete, erlebte wenige Überholmanöver. Ein Fehlschlag?"
Sauber: "Dieser Eindruck ist im Fahrerlager weit verbreitet. Es ist niemand wirklich glücklich über den neuen Austragungsmodus. Ich würde aber auch hier vorschlagen, dass wir noch etwas zuwarten. Ein Rennen reicht da noch nicht."