• 12.05.2002 17:52

Schumacher: "So wollte ich nicht gewinnen"

Michael Schumacher über die Stallorder von Österreich und warum er sogar beinahe Barrichello nicht überholt hätte

(Motorsport-Total.com/sid/dpa) - Frage: "Ihr Teamkollege Rubens Barrichello hat Ihnen den Sieg geschenkt. Glauben Sie, dass diese Teamorder Ihren Ruf schädigen könnte?"
Michael Schumacher: "Das war natürlich nicht die Art und Weise, wie ich meinen ersten Österreich-GP gewinnen wollte. Wir waren über das ganze Wochenende klar dominant. Rubens ist ein fantastisches Rennen gefahren. Es war mir nicht möglich, an ihm dran zu bleiben, weil er schneller war. Es war wahrscheinlich die falsche Teamentscheidung, darüber bin ich nicht sehr glücklich. Aber das Team muss den Titel sichern, und man weiß nie, wie sich die Meisterschaft entwickelt. Wir haben wichtige zehn Punkte geholt."

Titel-Bild zur News: Barrichello und Schumacher

Michael Schumacher schenkt Rubens Barrichello den Siegerpokal

Frage: "Fühlen Sie mit Barrichello, der Sie hier in Österreich schon zum zweiten Mal überholen lassen musste?"
Schumacher: "Diese Geste zeigt, wie wir zusammenarbeiten und welche Beziehung wir haben. Wir hatten immer diese Philosophie, das weiß jeder. Einige Leute mögen das, einige nicht. Ich fühle mit Rubens. Ich denke, so wie er heute gefahren ist, wird er noch viele Gelegenheiten haben, Rennen zu gewinnen. Ich hoffe, dass das nächste Rennwochenende schnell kommt und wir wieder anfangen können, Rennen zu fahren."

Frage: "Sind sie glücklich über den geschenkten Sieg?"
Michael Schumacher: "Keiner von uns ist darüber glücklich, aber wir alle wollen die Meisterschaft gewinnen. Deshalb hatten wir gar keine andere Wahl. Wir wissen ja nie, was in den nächsten Rennen passieren wird. In der Formel 1 ist alles möglich. Ich muss mich bei Rubens bedanken. Er hat Fantastisches geleistet. Diese Geste war unglaublich."

Frage: "Ist denn im Vorfeld des Rennens schon über die Möglichkeit der Stallregie gesprochen worden?"
Schumacher: "Ich bin davon ausgegangen, dass es nicht passiert, da Rubens ein feines Rennen gefahren ist. Aber das Team kam auf den letzten paar hundert Metern ans Radio und sagte: 'Rubens wird dich vorbeilassen'. Ich war nicht unbedingt begeistert davon, weil ich natürlich - wie viele andere auch - denke, dass das jetzt vielleicht nicht unbedingt notwendig war."

Frage: "Hatten Sie Einfluss auf die Entscheidung des Teams?"
Schumacher: "Nein, aber man muss sie respektieren. Im letzten Jahr waren wir in der gleichen Situation. Am Ende des Jahres konnte man sagen, dass es nicht nötig gewesen wäre. Aber das weiß man vorher nicht. Man kann bei so einer Entscheidung nur verlieren. Ich hätte mir gewünscht, dass der Funkspruch nicht gekommen wäre und wir das Rennen so zu Ende gefahren wären. Ich habe das Rennen genossen, bis auf die letzten 100 Meter."

Frage: "Wer hat die Entscheidung getroffen?"
Schumacher: "Ferrari entscheidet, das Team entscheidet, die Teamleitung entscheidet. Das Team investiert sehr, sehr viel Geld für ein klares Ziel. Es ist immer unsere Philosophie gewesen, so zu fahren. Ich glaube diese Philosophie ist allen bekannt. Sie ist Teil des Sports. Manche mögen sie wahrscheinlich nicht."

Frage: "Warum haben Sie die Teamorder nicht einfach ignoriert?"
Schumacher: "Ich habe darüber nachgedacht, aber ich hatte nicht viel Zeit, um mich darauf vorzubereiten. Wenn ich es im Nachhinein anders machen könnte, würde ich es vielleicht machen."

Frage: "Hatten Sie denn eine echte Chance, Rubens zu überholen?"
Schumacher: "Es gab zu keiner Zeit wirklich eine Möglichkeit, ihn zu überholen. Er war einfach zu schnell. Ich habe alles versucht, aber es hat nichts genützt. Letzten Endes haben wir wichtige zehn Punkte für die Meisterschaft erkämpft - man weiß nie, wie der Titelkampf in Zukunft laufen wird. Ich hoffe, die Meisterschaft ist bald vorbei, und wir können dann richtig fahren."

Frage: "Was kann denn alles passieren?"
Schumacher: "Nur mal angenommen, ich breche mir ein Bein wie 1999 nach dem Unfall in Silverstone und falle für ein paar Rennen aus. Dann stehen wir da, dann brauchen wir die Punkte ganz, ganz dringend. Deshalb muss man die Teamentscheidung respektieren. Es ist sicherlich kein Paradebeispiel, wie wir es gemacht haben im Sinne des Sports - aber im Sinne des Teams ist es das."