• 12.05.2002 16:06

  • von Fabian Hust

Ehrliche Tränen neben dem falschen Sieger

Schumacher siegt in Österreich nach Stallorder ? Horrorunfall zwischen Heidfeld und Sato geht glimpflich aus

(Motorsport-Total.com) - Wie im letzten Jahr wurde das Ergebnis des Großen Preises von Österreich auf dem A1-Ring in Spielberg von einer politischen Entscheidung des Ferrari-Teams geprägt. Musste Rubens Barrichello Teamkollege Michael Schumacher im vergangenen Jahr den zweiten Platz schenken, so war es in diesem Jahr sogar der Sieg. Von der Pole Position gestartet war der Brasilianer ein fehlerfreies und starkes Rennen gefahren und gab dem Weltmeister nie die Chance, die Führung zu übernehmen.

Titel-Bild zur News: Schumacher und Barrichello

Die Szene die alles entschied: Schumacher geht an Barrichello vorbei

Der Funkspruch kam wie im letzten Jahr wenige Runden vor Rennende, Rubens Barrichello machte langsamer und ließ Schumacher, der zu diesem Zeitpunkt rund vier Sekunden Rückstand hatte, näher kommen und wenige Meter vor dem Ziel passieren. Der zweite Sieg des Brasilianers in der Formel 1 war damit wenige Meter vor dem Ziel verloren: "Ich habe einen Vertrag unterschrieben und mich dazu bereit erklärt, so etwas zu tun", sprach Barrichello nach dem Rennen klare Worte, wenige Tage nach seiner Vertragsunterschrift bis 2004 bei Ferrari.

Der Sieger Michael Schumacher wurde von den rund 80.000 Besuchern gefeiert, wie es Fans mit einem Sportlerherz eben tun: Mit Pfiffen. Rubens Barrichello hingegen wurde mit Sprechchören als der moralische Sieger gehuldigt. Auf dem Podium flossen dem 29-Jährigen ein paar Tränen in die Augen. Michael Schumacher ließ Barrichello auf dem Podium in der Mitte stehen, er schenkte ihm den Siegerpokal und lies ihn auch in der Pressekonferenz in der Mitte sitzen. Die Sieger-Kappe von Bridgestone legte Schumacher ebenfalls vor den Fernsehkameras ab.

Ferrari legte eine extreme Überlegenheit an den Tag, aber dennoch entschied man sich bei Ferrari dafür, Michael Schumacher die vier WM-Punkte durch die Stallorder zu schenken. "Ich kann mich heute auch nicht richtig freuen", so ein alles andere als glücklich wirkender Schumacher. Ob gespielt oder nicht gespielt ? die Pfiffe der Fans sagen alles aus. Der Imageschaden für den Deutschen nicht nur in der italienischen Presse morgen ist schon gesichert.

Eine andere Rennszene, die die Formel 1 an diesem denkwürdigen Nachmittag in Österreich beschäftigte, war ein schwerer Unfall nach Ende einer Safety-Car-Phase, die durch Olivier Panis verursacht wurde, der sich nach einem technischen Defekt auf der Geraden drehte und mitten auf der Strecke liegen blieb. Nick Heidfeld verbremste sich nach Freigabe des Rennens vor der zweiten Kurve, das Heck des Saubers brach aus und der Mönchengladbacher schlitterte machtlos über die Strecke und Wiese und pflügte durch die enge Haarnadelkurve, in die gerade Juan-Pablo Montoya und Takuma Sato einlenkten.

Unter den Augen der Mütter von Heidfeld, Montoya und Sato, die sich heute das Rennen vor Ort anschauten, verfehlte der mit dem Heck voranrauschende Sauber Montoya nur knapp, krachte aber mit voller Wucht in die Seite von Takuma Satos Auto, also in jene Stelle, die am schlechtesten durch Crashstrukturen geschützt ist. Während Heidfeld aus dem Auto mit einem geprellten Knie und sichtlich geschockt geborgen wurde, mussten die Streckenposten warten, bis der Arzt vor Ort war, der Sato zunächst im Auto behandelte.

Nach dem Abtransport im Krankenwagen in das Streckenhospital wurde der Jordan-Honda-Pilot in ein Grazer Krankenhaus geflogen, wo er gründlich untersucht werden wird. Erste Erkenntnisse sorgten im Fahrerlager für Aufatmen: Der 25-jährige Japaner hat sich zumindest keine Knochenbrüche zugezogen, klagt aber über innere Schmerzen. "Es ist ein Wunder, dass er durch das doch sehr stark zerstörte Auto praktisch heil rausgekommen ist", so Teamchef Eddie Jordan.

Ein Rennen, das gerade im Mittelfeld für aufregende Überholmanöver sorgte, hatte also in doppelter Hinsicht einen negativen Touch erhalten. Besonders Jacques Villeneuve sorgte mit einem leichteren Auto für zahlreiche spannende Aktionen auf der Strecke, fiel dann aber in der letzten Runde auf Platz 10 liegend noch aus.

Bei BMW-Williams konnte sich Juan-Pablo Montoya durch die Boxenstopps an Ralf Schumacher vorbeischleichen und sicherte sich so einen dritten Platz während sich Ralf Schumacher mit Rang vier zufrieden geben musste. Die Weiß-Blauen hatten keine Chance gegen die Ferrari, die im Gegensatz zu den meisten anderen Teams auf zwei Stopps unterwegs waren und das Feld von Anfang an um mehr als eine Sekunde pro Runde deklassierten.

Eddie Jordan holte ausgerechnet in jenem Rennen, bei dem sein Fahrer Takuma Sato schwer verunglückte, dank Giancarlo Fisichellas fünften Platz die ersten WM-Punkte der Saison. Letzter Fahrer in den Punkten war David Coulthard im McLaren-Mercedes, mit über 50 Sekunden Rückstand auf Schumacher. Teamkollege Kimi Räikkönen schied bereits früh mit einem Motorschaden aus. Wieder also ein schwaches Rennwochenende der Silberpfeile und das auf einer Strecke, wo man letztes Jahr noch gewinnen konnte.

Heinz-Harald Frentzen konnte seine gute Ausgangsposition auf Punkte nicht umsetzen. Nach einem Anschieber durch seinen eigenen Teamkollegen drehte sich der Arrows-Pilot in der Folge ins Kiesbett und leistete sich später noch einen weiteren Dreher. Zum Schluss kam der Mönchengladbacher mit zwei Runden Rückstand auf dem elften Platz ins Ziel.

Bei Sauber fiel nicht nur Nick Heidfeld aus, der sogar nach dem Start auf dem dritten Platz lag, nach einem Fahrfehler aber vorzeitig zwei Plätze einbüßte, sondern auch sein Teamgefährt Felipe Massa, der bereits nach sechs Runden mit einem Aufhängungsschaden aufgeben musste.

In der WM-Wertung führt Michael Schumacher nun mit 54 Punkten nach sechs von 17 Rennen mit 27 Punkten vor Montoya. Ralf Schumacher (23) folgt auf Platz 3. Rubens Barrichello liegt mit 12 Punkten auf Platz 4 zwei Zähler vor David Coulthard (10). In der Konstrukteurswertung liegt Ferrari mit 66 WM-Punkten relativ knapp vor BMW-Williams (14). Bereits abgeschlagen rangiert McLaren-Mercedes auf Platz 3 mit 14 Punkten. Das BAR-Honda-Team ist das einzige Team, das noch keinen WM-Zähler einfahren konnte.