• 12.09.2009 23:08

  • von Stefan Ziegler

Theissen: "Die Chancen sind da"

Der BMW Motorsport Direktor im Interview über die Zukunft von BMW im Tourenwagensport, die WTCC als Option und die Bedeutung des Kundenstamms

(Motorsport-Total.com) - Beim Rennwochenende in Oschersleben startete die Tourenwagen-Weltmeisterschaft (WTCC) in den Endspurt der Saison - und prompt konnten die BMW Länderteam Piloten zwei überzeugende Heimsiege einfahren. Ob die Münchener der WTCC über 2009 hinaus treu bleiben, steht aber noch nicht fest - verschiedene Szenarien werden im Augenblick diskutiert. BMW Motorsport Direktor Mario Theissen gab in Oschersleben Auskunft zur Situation. 'Motorsport-Total.com' war dabei.

Titel-Bild zur News: Mario Theissen (BMW Motorsport Direktor)

BMW Motorsport Direktor Mario Theissen will auch künftig für die Kunden da sein

Frage: "Herr Theissen, BMW überdenkt seine Zukunft im Tourenwagensport. Gibt es diesbezüglich schon erste Schlussfolgerungen? Wann wird eine Entscheidung gefällt?"
Mario Theissen: "Wir überdenken unsere Zukunft im Tourenwagensport nicht. Wir werden definitiv eine Zukunft im Tourenwagensport haben. Die Frage ist bloß: Welchem Programm wollen wir uns in den kommenden Jahren und darüber hinaus widmen?"#w1#

"Im Augenblick schauen wir uns sämtliche Produktionswagen-Rennserien genau an - das betrifft sowohl Tourenwagen als auch GT-Fahrzeuge. Wir haben gegenwärtig ein Projekt mit dem 320si in der WTCC am Start und sind mit dem M3 in den USA in der GT2-Klasse vertreten. Momentan evaluieren wir unsere Möglichkeiten mit diesen Autos für die kommende Saison. Noch ist aber keine Entscheidung gefallen."

"Wir haben diesbezüglich keine bestimmte Deadline." Mario Theissen

Frage: "Wann wird BMW das Programm für die kommende Saison verkünden?"
Theissen: "Das weiß ich nicht. Wir haben diesbezüglich keine bestimmte Deadline. Vielleicht vor dem Ende dieser Saison, denn diese endet im November in Macao. Ich hoffe, dass wir vorher zu einer Entscheidung kommen werden."

Frage: "Fühlt sich BMW in der Tourenwagen-WM wohl?"
Theissen: "Wir haben die erste Hälfte dieser Saison sehr kritisch beäugt und haben unserem Ärger auch Luft gemacht. Wir waren ganz und gar nicht damit zufrieden, wie sich diese Serie im ersten Halbjahr entwickelt hat. Mittlerweile haben wir den Eindruck, dass es sich wieder etwas beruhigt hat."

"Jetzt hat die WTCC mehr Ähnlichkeit mit dem, was wir von einer Weltmeisterschaft erwarten. Aus diesem Grund beobachten wir diese Entwicklung noch immer und überlegen, ob es richtig wäre, dieser Serie in Zukunft treu zu bleiben. Das ist aber noch offen."

BMW wünscht sich ein stabiles Regelwerk

Frage: "Auf welche Weise müsste sich die WTCC verändern, um künftig attraktiv für BMW zu sein?"
Theissen: "Wenn man sich in Erinnerung ruft, welche Probleme wir in dieser Saison schon hatten, dann geht es im Prinzip um zwei Dinge, die geklärt werden müssen. Nummer eins ist das unterschiedliche Konzept der Autos. Es muss garantiert sein, dass jedes Fahrzeug eine Siegchance hat. Der andere Punkt ist: Sobald die Regeln einmal festgelegt sind, sollten sie auch stabil sein."

"Was wir gerne hätten, wäre etwas mehr TV-Präsenz." Mario Theissen

"Sie sollten sich nicht von einem Rennen zum nächsten wieder verändern. Das sind die beiden Themen. Marketingtechnisch würden wir uns eine positive Entwicklung wünschen. Das Fahrerlager ist schon auf einem sehr hohen Standard und verbessert sich noch immer. Was wir gerne hätten, wäre etwas mehr TV-Präsenz."

Frage: "Wäre die DTM ab 2011 eine Möglichkeit für BMW?"
Theissen: "Ich sagte vorhin, dass wir uns die gesamte Palette an Serien für Produktionswagen ansehen. Wir haben im M3 im Augenblick einen GT-Wagen. In unseren Augen handelt es sich bei der DTM um eine Rennserie auf oberstem GT-Level. Wir könnten uns durchaus vorstellen, künftig ein Projekt auf diesem Niveau zu etablieren."


Fotos: WTCC in Oschersleben


"Die Voraussetzung muss aber sein, dass diese Rennwagen auch in anderen Rennserien weltweit zum Einsatz kommen könnten - im Prinzip also, wie wir es schon in der Tourenwagenszene haben. Der Name dieser Rennserie spielt keine Rolle. Sollte das klappen, sollten sich andere Hersteller ebenfalls dafür erwärmen und könnten wir weltweit einheitliche Regeln aufstellen, dann wäre das sicherlich interessant für uns."

Der Kundensport hat Priorität

Frage: "Ist die WTCC im Vergleich zu anderen Rennserien gerade aufgrund ihrer weltweiten Präsenz in Afrika, Amerika und Asien interessanter als andere Meisterschaften?"
Theissen: "Das kommt ganz darauf an, aus welcher Perspektive man das betrachtet. Für einen weltweit operierenden Hersteller ist eine Weltmeisterschaft natürlich sehr attraktiv. Aus der Sicht eines Privatteams ist der Aufwand dafür aber riesig."

"Es liegt uns am Herzen, dass sich die S2000-Fahrzeuge auch in den nationalen Serien einschreiben können." Mario Theissen

"Diese Rennställe ziehen möglicherweise eher eine nationale oder europäische Grundlage vor. Aus diesem Grund liegt es uns am Herzen, dass sich die S2000-Fahrzeuge auch in den nationalen Serien einschreiben können. Wenn wir also ein Auto entwickeln, dann können wir uns dazu entscheiden, der WTCC beizutreten. Gleichzeitig können wir uns sicher sein, dass unsere Kunden jede Menge Möglichkeiten haben."

Frage: "Welche Rolle spielen für BMW die Kundenfahrzeuge bei der Entscheidung über die Zukunft in der WTCC?"
Theissen: "Die grundlegende Entscheidung dreht sich darum, für die Kundenteams einen Wagen in der Zweiliterklasse zur Verfügung zu stellen. Ich bezeichne dieses Fahrzeug mit Zweilitern, weil es künftig anders sein wird. Das war aber schon immer da und wir haben diesbezüglich auch einen großen Kundenstamm. Für uns ist daher vollkommen klar, dass wir auch in Zukunft einen solchen Wagen haben werden."

"Die zweite Frage ist dann: Wollen wir in der WTCC ein Werksprogramm durchführen? Wir können uns vorstellen, dabei zu sein - wir können uns aber auch vorstellen, nicht dabei zu sein. In jedem Fall werden wir aber ein Auto haben, mit dem man sich in dieser Serie einschreiben kann. Der Kundenstamm wird also bedient werden. Das ist viel wichtiger, als in dieser oder jener Kategorie ein Werksprogramm zu haben."

Gewisse Zweifel waren vorhanden

Frage: "In dieser Saison gab es sehr viele politische Nebengeräusche in der WTCC. Hat BMW jemals mit dem Gedanken gespielt, diese Rennserie während des Jahres zu verlassen?"
Theissen: "Als ich vorhin sagte, dass wir noch immer beobachten und überlegen, ob wir weitermachen werden, dann ist das doch eine positive Veränderung. Zu einem früheren Jahreszeitpunkt hatten wir ernste Zweifel, ob es der richtige Weg für uns sein würde."

Frage: "Es gab keine Pläne, während der Saison auszusteigen?"
Theissen: "Es gab keine Entscheidung, die Serie zu verlassen. Wir haben aber darüber nachgedacht. Wir machen uns noch immer einige Gedanken. Es hat sich aber zum Positiven gewandelt."

"Wir hatten aufgrund der Umstände natürlich einen sehr schwierigen Start." Mario Theissen

Frage: "Wie würden sie die Saison der BMW Länderteams in der WTCC bislang einordnen und was erwarten sie sich noch von den verbleibenden Rennen?"
Theissen: "Wir hatten aufgrund der Umstände natürlich einen sehr schwierigen Start. Ich war damals sehr skeptisch, dass unser Wagen unter diesen Bedingungen konkurrenzfähig werden könnte. Es gab mittlerweile einige Korrekturen und unsere Teams haben bei den jüngsten Veranstaltungen gute Arbeit geleistet."

"Wir haben aufgeholt. Die Chancen sind da. Imola wird schwierig für uns, Okayama sollte in Ordnung sein. Macao ist hingegen ohnehin eine Lotterie. Wenn wir vor Macao also eine ähnliche Position einnehmen wie hier in Oschersleben, dann haben wir eine gute Chance."

Frage: "Spielt der Ausgang dieser Meisterschaft eine Rolle für die Pläne von BMW?"
Theissen: "Nein, überhaupt nicht. Vielleicht werden wir unsere Entscheidung nicht nach Macao fällen."

Die BMW Länderteams ziehen an einem Strang

Frage: "Das Länderteamkonzept von BMW hat zuweilen zu Rivalität unter den Rennställen geführt. SEAT hingegen sagt von sich, den Titel nur aufgrund von Teamwork geholt zu haben..."
Theissen: "...nur haben sie dabei den Motor vergessen (lacht; Anm. d. Red.)."

"Die Teams sind gut koordiniert. Ich sehe also keinen Nachteil mehr." Mario Theissen

Frage: "Denken sie, die BMW Länderteams müssten noch besser zusammenarbeiten, um SEAT herauszufordern?"
Theissen: "Wenn wir uns über die Saison 2008 unterhalten, dann würde ich zustimmen. Da waren wir diesbezüglich nicht perfekt aufeinander abgestimmt. SEAT hatte in gewisser Weise einen Vorteil dadurch, dass sie alle Fahrzeuge von einem Kommandostand aus überwachten. In diesem Jahr sind wird in diesem Punkt gut aufgestellt. Die Teams sind gut koordiniert. Wir haben in den vergangenen Rennen gesehen, dass es funktioniert. Ich sehe also keinen Nachteil mehr."

Frage: "Die Tourenwagen-WM wird 2011 den Wechsel zum 1,6 Liter Benzinmotor vollziehen. Ist dieses Konzept interessant für BMW?"
Theissen: "Die Debatte um diesen Motor ist keine WTCC-Debatte. Diese Diskussion betrifft den gesamten Motorsport. Dieses Aggregat wird Weltmotor genannt. Die Idee dahinter ist, einen Motor zu haben, der in verschiedenen Rennsportkategorien eingesetzt werden kann. Diese Herangehensweise wird von uns prinzipiell unterstützt. Wir denken, dass es aus zwei Gründen Sinn macht: Erstens wird es vielleicht Geld sparen, wenn man einen Basismotor nur an verschiedene Kategorien anpassen muss."

"Denn so bräuchte man nicht für alles und jeden ein spezielles Triebwerk. Andererseits gibt es einen Trend im Bereich der Straßenwagenmotoren - diese Aggregate sollen effizienter werden. Das bedeutet weniger Verdrängung und weniger Zylinder, dafür aber turbogeladen. Da ist es doch nur normal, dass sich auch der Motorsport dieser Herangehensweise anpasst. Wir unterstützen das."