• 15.06.2009 17:14

  • von Stefan Ziegler

Technik im Detail: Rennreifen

Sie sind das "schwarze Gold" des Motorsports und nicht selten das Zünglein an der Waage, wenn es um Grip und Bodenhaftung geht: Rennreifen

(Motorsport-Total.com) - Meistens verrichten Rennreifen ihre Arbeit an einem Rennwochenende eher im Hintergrund, rücken aber spätestens in der Qualifikation und auch in den Rennen in den Fokus der Aufmerksamkeit. Nur wer seine Pneus optimal ausnutzen und ihnen die beste Leistung entlocken kann, wird sich am Ende auch über die Pole-Position oder über einen Platz auf dem Podium freuen können. So unscheinbar die Reifen zuweilen sind - sie entscheiden im Rennsport oftmals direkt über Sieg und Niederlage.

Titel-Bild zur News: Reifen von Yokohama

Nicht zum Stillstehen gemacht: In der WTCC sind Rennreifen von Yokohama am Start

In der Tourenwagen-Weltmeisterschaft (WTCC) zählt Yokohama hingegen immer zu den Gewinnern, schließlich rüstet das 1910 gegründete Unternehmen mit Stammsitz in Japan die Rennserie als exklusiver Lieferant mit Rennreifen aus. Schon seit 2006 fährt die Tourenwagen-WM auf Advan-Reifen ab und Yokohama fungiert darüber hinaus noch als Namensgeber für die Independents' Trophy, die sich immer größerer Beliebtheit erfreut.#w1#


Fotos: Die Helme der WTCC-Fahrer 2009


Kantige Kerle: Rennreifen sind fast rechteckig

Privatiers und Werkspiloten der WTCC mögen zwar in getrennten Kategorien unterwegs sein, nutzen allerdings dasselbe Reifenmaterial. Aber was genau macht eigentlich einen Rennreifen aus und wie sehr unterscheiden sich diese Gummis von ihren Pendants am Privatauto auf der Landstraße? "Für den Laien sind alle Reifen schwarz und rund", sagt Manfred Theisen, Motorsport-Manager bei Yokohama. "Das sind aber auch schon fast wieder die einzigen Gemeinsamkeiten."

Reifen von Yokohama

Alle in der WTCC eingesetzten Reifen stammen aus dem Hause Yokohama Zoom

"Schon beim Vergleich der Kontur zwischen dem profillosen Slick und Straßenreifen werden Unterschiede augenfällig", erläutert der Reifenfachmann. "Der Slick verfügt über breitere Schultern. Bei ihm ist die Konstruktion darauf ausgelegt, eine möglichst breite Lauffläche auf die Straße zu bringen. Deshalb sind Rennreifen im Winkel zwischen Lauffläche und Seitenwand fast rechteckig, während die Straßenversion an den Schultern deutlich rundere Konturen aufweist."

Einmal abgesehen von der Form, scheint die Reifenentwicklung in den vergangenen Jahrzehnten augenscheinlich aber nicht sonderlich vorangekommen zu sein. Theisen widerspricht: "Egal ob Materialmischung, Karkassenaufbau, Profil-Design oder Geometrie - seit der Erfindung des Luftreifens haben sich unzählige Revolutionen abgespielt. Am besten versteht man das, wenn man sich vor Augen hält, was ein Reifen - insbesondere im Motorsport - zu leisten hat."

Grip im Postkartenformat

Dass ein Satz Reifen viel mehr ist als einfach nur Verschleißmaterial, unterstreicht alleine schon die Tatsache, dass die Pneus den einzigen Kontakt eines Fahrzeugs zur Straße darstellen. "Ein Auto kann noch so gut sein - ohne die entsprechende Kraftumsetzung von Leistung und Drehmoment auf den Asphalt nutzt das wenig", bringt es Wolfgang Schiwietz, Leiter Technik und Tuning bei Yokohama, auf den Punkt - sprichwörtlich, denn die Auflagefläche der Gummis ist äußerst gering.

Tiago Monteiro, Curitiba, Curitiba Circuit

Tiago Monteiro behandelte seine Reifen in Curitiba nicht immer ganz optimal... Zoom

"Man muss sich nur einmal vor Augen führen, dass von einem einzelnen Reifen jeweils nur ein Areal von der Größe einer Postkarte den Boden berührt", stellt Schiwietz heraus - vier "Postkarten" haben demnach die scheinbar unlösbare Aufgabe, einen Rennwagen auf dem Asphaltband zu halten und gleichzeitig für eine optimale Kraftübertragung zu sorgen - denn nur wenn die Reifen genügend Grip aufbauen und richtig funktionieren, kann der Pilot in die Siegerstraße einbiegen.

Dabei gehen Fahrzeug und Rennstrecke Hand in Hand, denn nur wenn das Setup des Wagens perfekt auf die Bedürfnisse des jeweiligen Kursverlaufs eingestellt ist, erfüllen die Yokohama-Einheitsreifen in der WTCC ihre Aufgabe ohne Einschränkungen. So ist bei den Einstellungen des Autos vor allem das Fingerspitzengefühl von Fahrern und Ingenieuren gefragt - und die umfangreiche Erfahrung der Reifentechniker von Yokohama, die nur zu gerne beratend tätig sind.

¿pbvin|64|978|wtcc|0pb¿

Auch Reifen müssen mit (Erfolgs-) Druck umgehen...

"Bei der Suche nach der richtigen Abstimmung helfen unsere Techniker, die den Teams bei Trainingssitzungen und Rennen mit ihrem Fachwissen jederzeit zur Seite stehen", bestätigt Theisen und fügt an: "Je nach Einsatzzweck und Fahrzeug empfehlen unsere Mitarbeiter den Teams andere Setups. Wir stehen permanent im Dialog." Demnach ist beispielsweise der richtige Luftdruck im Reifen ein heißes Thema - buchstäblich, denn die Pneus kommen erst nach und nach in Fahrt.

Reifentechniker von Yokohama

Mobile Werskstatt: Yokohama ist bei der WTCC stets mit vielen Technikern vor Ort Zoom

Zwar dürfen die Gummis in der Tourenwagen-WM mit Heizdecken vorgewärmt werden, den optimalen Druck erhalten die Reifen aber erst während ihres Einsatzes auf der Rennstrecke. Yokohama empfiehlt den Rennställen deshalb, die Piloten mit einem Luftdruck von 1,5 bis 1,8 bar auf den Kurs zu schicken. Aufgrund der großen enormen Belastungen während des Fahrbetriebes erhitzen sich die Pneus sehr stark, wodurch auch der Reifendruck auf bis zu 2,3 bar ansteigen kann.

Das ist nicht weiter verwunderlich, wirken auf der Strecke doch viele unterschiedliche Kräfte auf einen Rennreifen ein. "Die zahlreichen harten Schläge sowie die warme Abluft der Bremsen wirken wie eine Luftpumpe", sagt Theisen. "Deshalb optimieren wir unsere Rennprodukte auf einen Arbeitsbereich zwischen 80 und 100 Grad Celsius" - nur in diesem Fenster entfalten die Yokohama-Pneus ihre Eigenschaften und bescheren dem Rennfahrer ein bestmögliches Gripniveau.

Von der Rennstrecke auf die Landstraße

Doch wenn die Protagonisten der WTCC ihre Runden auf der Strecke drehen, ist ein Großteil der Reifenarbeit bereits erledigt. Akribisch haben sich die Ingenieure und Techniker von Yokohama auf die Herausforderungen im Renneinsatz vorbereitet und an den Gummimischungen getüftelt, damit die Piloten den Zuschauern am Rennsonntag auch eine gute Show bieten können. Dabei sind es manchmal nur Nuancen, welche einem Reifen eine hervorragende Qualität verleihen.

Reifen von Yokohama

Ein Satz für alle Fälle - auch in der WTCC soll es gelegentlich Regenrennen geben... Zoom

"Bereits der Winkel, in dem die Textileinlagen unter der Lauffläche verlaufen, beeinflusst die Festigkeit und die Geradeauslauf-Eigenschaften eines Pneus", erläutert Theisen exemplarisch - Stabilität, Stützfunktionen und auch Streckeneigenschaften werden bei der Entwicklung eines Rennreifens in Betracht gezogen. Letztendlich gewinnen die Ingenieure von Yokohama durch die Einsätze auf der Rennstrecke viele Daten, die auch dem Endverbraucher auf der Landstraße zugute kommen.

"Trotz teilweise unterschiedlicher Anforderungen hinsichtlich Haftung, Komfort, Abriebsfestigkeit oder Wettertauglichkeit der beiden Bereiche gibt es eine beachtliche Schnittmenge", gab Theisen abschließend zu Protokoll. "Der Motorsport ist das ideale Umfeld, um neue Materialien, optimierte Produktionsprozesse oder geänderte Konstruktionen zu testen" - und um mit brandneuen Advan-Pneus von Yokohama herrliche schwarze Gummispuren auf dem Asphalt zu hinterlassen...