• 18.12.2008 18:01

  • von Stefan Ziegler

Technik im Detail: Der Chevrolet Lacetti

Vor dem erfolgreichen letzten Renneinsatz als WTCC-Werksauto in Macao stand der Chevrolet Lacetti bei 'Motorsport-Total.com' im Technik-Fokus

(Motorsport-Total.com) - Mit zwei Siegen auf dem kniffligen 'Guia Circuit' verabschiedete sich der Chevrolet Lacetti endgültig von der Tourenwagen-Weltmeisterschaft WTCC. Vier Jahre lang hatte die Truppe um Teammanager Eric Nève das Fahrzeug in insgesamt 86 Sprintrennen geschickt, ehe er beim großen Saisonfinale 2008 seine letzten Rennrunden mit einer Chevrolet-Werksmannschaft drehte. Sowohl Rob Huff als auch Alain Menu fuhren mit dem Lacetti zahlreiche Siege ein, einzig Nicola Larini ging dabei leer aus.

Titel-Bild zur News: Nicola Larini im Chevrolet Lacetti

Abschiedstournee: Nicola Larini durfte in Bologna ein letztes Mal im Lacetti fahren

Wenige Stunden vor dem letzten Renneinsatz in Macao hatte 'Motorsport-Total.com' die Gelegenheit, den Lacetti in der Chevrolet-Box noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen. Chef-Renningenieur Ron Hartvelt gab viele Erläuterungen zu dem Rennwagen ab, der in der kommenden Saison durch das neue Cruze-Modell abgelöst wird. So hieß es bei der letzten Zielflagge in China: "Byebye Lacetti..."#w1#

Der Splitter
"Der Splitter sieht etwas größer aus als bei den anderen Autos, doch das liegt an der Form unserer Fahrzeugfront. Der Spoiler an sich ist also nicht größer, das sieht nur so aus. Die untere Frontkante ist lediglich etwas zurückversetzt, dadurch entsteht dieser Eindruck."

Die Aerodynamik
"Wir haben viel Zeit damit verbracht, die Aerodynamik des Wagens zu optimieren. Die minimale Fahrwerkshöhe ist definiert und liegt recht hoch - daher versucht man immer, den Luftstrom unter dem Fahrzeug so flüssig wie möglich zu gestalten. Gleichzeitig will man den Luftstrom über dem Wagen möglichst verlangsamen, um maximale Abtriebswerte zu erhalten. Nicht aus den Augen verlieren darf man dabei aber den Luftwiderstand, der ebenfalls ein wichtiger Faktor ist. Der Gesamteffizienz kommt also eine wichtige Bedeutung zu - vor allem, weil wir auf vielen Rennstrecken fahren, wo Topspeed besonders gefragt ist."

Die Kühlerhaube
"Wir holen uns die Luft zur Kühlung des Motors hauptsächlich von der Fahrzeugfront, weil dort der dafür nötige Druck aufgebaut wird. Die Aerodynamik gibt dabei Form und Größe der Lufteinlässe vor, die wir im unteren Abschnitt der Kühlerhaube angesiedelt haben. Die Dimensionen der Lufteinlässe variieren je nach Rennstrecke und Temperatur."

Nicola Larini

Die Mechaniker-Crew bereitet Nicola Larinis Lacetti für den Renneinsatz vor Zoom

Der Motor
"Wir haben einen Fronttriebler - das bedeutet, dass der Motor des Lacetti seine Kraft nur auf die Vorderräder überträgt. Alle Bremsvorgänge und das Einlenken in die Kurven finden ebenfalls an der Vorderachse statt, was natürlich auch Auswirkungen auf die Gewichtsverteilung hat. Im Gegensatz dazu haben Hecktriebler natürlich den Vorteil, dass die Räder an der Hinterachse für die Beschleunigung verantwortlich zeichnen. Durch die Feinjustierung von Federn, Dämpfern und der Aufhängung können wir unser Konzept allerdings ebenfalls hervorragend umsetzen."

Die Reifen
"Reifenabnutzung ist bei uns kein großes Problem - in diesem Bereich sind wir sehr gut aufgestellt. Besonders gut liegt uns dabei die eine schnelle Runde in der Qualifikation. Dort sind wir für gewöhnlich immer äußerst konkurrenzfähig, was wir zuletzt im Zeittraining von Macao unter Beweis stellen konnten."

Das Cockpit
"Wenn man sich das Cockpit eines Rennwagens anschaut, dann sticht einem sofort ins Auge, dass es dort relativ spartanisch zugeht. Die Sicherheit spielt dabei eine sehr große Rolle, dementsprechend ist der Überrollkäfig deutlich zu erkennen. Dieser hilft übrigens auch der Stabilität des Chassis'. Es gibt im Rahmen der Sicherheitsbestimmungen diverse Crashtests, welche die Standfestigkeit des Wagens überprüfen."

Robert Huff

Rob Huff am Arbeitsplatz: Das Interieur des Lacetti ist auf Rennbetrieb getrimmt Zoom

"Die restlichen Inneneinrichtungen des Autos wurden entfernt und stellen somit keine Gefahrenherde mehr dar, sollte beispielsweise ein Feuer ausbrechen. Außerdem können wir auf diese Weise natürlich Gewicht einsparen. Die Elektronik ist unverkleidet und wie im Motorsport üblich, speziell auf diesen Rennwagen zugeschnitten."

Das Gewicht
"Da es ein Minimalgewicht für diese Autos gibt, positionieren wir im Cockpit noch etwas Ballast, um die vorgegebenen Gewichtsbedingungen einzuhalten. Wir können diesen Ballast allerdings so einbauen, dass wir eine optimale Gewichtsverteilung erhalten. 2008 gab es den sogenannten 'Success Ballast', der pro Fahrer maximal 70 Kilogramm betrug. Das hing mit den gesammelten Meisterschaftspunkten und dem Abschneiden eines Fahrers am vorherigen Rennwochenende zusammen."

"Weil unsere Wagen eigentlich immer recht erfolgreich waren, hatten wir meistens reichlich Erfolgsballast an Bord. Auch diese Zusatzgewichte werden von uns dort platziert, wo wir sie im Sinne einer guten Gewichtsverteilung brauchen können. Wir bringen sie stets am Boden des Fahrzeugs an, um den Schwerpunkt so niedrig wie möglich zu halten."

Die Lüftung
"Die Fahrer sind ziemlich fit - daher versuchen wir immer, ihnen möglichst wenig Kühlung zukommen zu lassen. Das hängt wieder mit der Aerodynamik des Wagens zusammen. Im Innern eines solchen Fahrzeugs wird es während eines Rennens aber so heiß, dass es ein Sicherheitsrisiko darstellen würde, wenn wir den Piloten keine Kühlung verschaffen würden. Es gibt also ein paar kleine Lufteinlässe, wo etwas kühle Frischluft ins Cockpit einströmen kann."

Alain Menu vor Manabu Orido

Im Parallelflug: Alain Menu und Manabu Orido auf dem Straßenkurs von Macao Zoom

Das Lenkrad
"Das Lenkrad eines WTCC-Rennwagens ist bei Weitem nicht so komplex, wie man es zum Beispiel von einem Formel-1-Auto kennt. Die Elektronik ist in dieser Serie eingeschränkt - so haben wir vom Lenkrad aus beispielsweise keinen Zugriff auf das Motorenmanagement und auch keine Traktionskontrolle. So viele Einstellungsmöglichkeiten gibt es also gar nicht. Am Lenkrad finden sich daher grundlegende Systeme wie Boxenfunk oder der Speedlimiter für die Boxengasse. Dann gibt es noch einen Knopf, mit dem der Fahrer die Anzeige auf dem Armaturenbrett ändern kann. Alles in allem ist das Lenkrad eben auf das Wesentliche beschränkt."

Der Rennsitz
"Der Rennsitz besteht aus Kevlar und muss logischerweise den Vorgaben der FIA entsprechen. Das verwendete Material ist sehr beständig und noch dazu sehr leicht. Für jeden Fahrer werden gewisse Modifizierungen vorgenommen, insofern haben alle Piloten einen 'einzigartigen' Rennsitz, der genau auf ihren Körperbau abgestimmt ist."

Die Heckform
"In dieser Rennserie fällt sofort auf, dass jeder Hersteller eine andere Heckform benutzt. Wir haben uns für die Limousinenform entschieden, wobei die Aerodynamik des Wagens natürlich vom Frontsplitter und dem Heckflügel beeinflusst wird. Jede Form hat aber ihre Vor- und Nachteile, da muss man einfach einen guten Kompromiss finden. Insgesamt denke ich allerdings, dass alle drei Hersteller einen guten Weg für sich gefunden haben."

Alain Menu

Chevrolet setzte beim Lacetti auf einen Fronttriebler mit Limousinen-Heckform Zoom

Der Heckflügel
"Beim Heckflügel kommt ein Standardprofil zum Einsatz, das alle Teilnehmer verwenden müssen. Die Endplates kann man allerdings frei gestalten, weswegen sich die Heckflügel von Hersteller zu Hersteller also doch etwas unterscheiden. Die Effizienz des Heckspoilers ist aufgrund der Einheitsausführung bei allen Wettbewerbern sehr ähnlich. Wir haben die Möglichkeit, den Anstellwinkel des Flügels zu verändern. In Macao fahren wir beispielsweise mit viel Heckflügel, um die Kurven vor den langen Geraden gut zu erwischen und dadurch eine optimale Ausgangslage für hohe Topspeeds zu haben."

Das Fazit
"Wir haben diesen Wagen jetzt vier Jahre lang in der Tourenwagen-WM eingesetzt. Ich denke, wir konnten den Lacetti in dieser Zeit sehr konkurrenzfähig machen und haben mehrfach unterstrichen, dass er ein Siegerauto ist. Dennoch müssen wir uns vom Lacetti verabschieden, denn im kommenden Jahr werden wir den neuen Cruze einsetzen. Darauf freuen wir uns schon sehr."