Nève: "Der Cruze hat noch viel Potential"
Chevrolet-Teamchef Eric Nève im Interview über die Erfolgsserie seines Teams, die Entwicklung des Cruze und die Politik in der Tourenwagen-WM
(Motorsport-Total.com) - Schon bei seinem ersten Renneinsatz deutete der Cruze an, dass er schon bald für gute Platzierungen in Frage kommen würde. In Marrakesch war es soweit - und in Pau legte das Team gleich noch einmal nach. So hat Chevrolet nach vier Rennwochenenden bereits vier Siege auf dem Konto. Eine Bilanz, die Chevrolet Europa Manager Eric Nève mehr als zufrieden stimmt, wie er im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com' betonte. Doch für den Cruze ist noch mehr drin.

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Eric Nève hat in dieser Saison viel Freude an seinen Fahrern - vor allem an Rob Huff
Frage: "Eric, sehen sie sich selbst ein wenig als 'Glücksbringer' für ihr Team? Seit sie an der Rennstrecke mit dabei sind, läuft es absolut prima..."
Eric Nève: "Nein (lacht; Anm. d. Red.). Wir haben nach Mexiko sehr hart gearbeitet und sechs Tage lang gestestet. Dabei konnten wir die Aufhängungen an Front und Heck des Fahrzeuges anpassen. Seit Marrakesch haben wir außerdem auch den flachen Unterboden im Einsatz. Nach den dortigen Ergebnissen hatten wir eigentlich schon gedacht, dass es in Pau auch gut für uns laufen würde. Valencia wird aber sicherlich eine schwierige Aufgabe für uns werden."#w1#
Chevrolet: In Marrakesch und Pau überzeugt
Frage: "Sie haben gerade ihre Leistungen aus Marrakesch angesprochen. Dort waren ihre Autos mit deutlich weniger Gewicht unterwegs als in Pau. Dennoch war Chevrolet in Frankreich genauso konkurrenzfähig. Wie erklären sie sich das?"
Nève: "Dazu muss man natürlich sagen, dass wir in Pau nicht die Pole-Position geholt haben. Wir waren ungefähr eine halbe Sekunde langsamer. Daher konnte BMW in den Rennen auch entsprechend Druck machen. In Marrakesch war die Pole noch drin für uns, aber das war sie in Frankreich nicht mehr. Die Qualifikationsrunden unserer Fahrer waren nicht ganz optimal, doch selbst wenn, hätten sie die für P1 erforderliche Rundenzeit nicht fahren können. BMW war schlichtweg stärker. Das hat natürlich auch mit dem Gewicht zu tun, ganz klar."
Frage: "Nach acht Saisonrennen hat Chevrolet bereits vier Rennsiege eingestrichen. Hätten sie das vor der Saison erwartet?"
Nève: "Nein, denn soweit haben wir gar nicht voraus gedacht (lacht; Anm. d. Red.). Aber das stimmt natürlich. Ich glaube allerdings, dass Valencia die erste richtige Rennstrecke ist. Dort werden wir wahrscheinlich zu kämpfen haben. Wir werden am Montag nach Valencia dort bleiben und testen. Das heißt, in Valencia fahren wir noch einmal mit der jetzigen Konfiguration, die aber gar nicht so schlecht ist. Dennoch werden wir es damit in Valencia sicherlich schwer haben."
Frage: "Wie lautet ihr Zwischenfazit zum neuen Cruze?"
Nève: "Wir haben alles, was wir in den vergangenen vier Jahren mit dem Lacetti gelernt haben, im neuen Auto umsetzen können. Der Cruze hat gleichwohl schon gezeigt, dass er noch viel Potential hat. Wir wollen sehr bald schon damit immer konkurrenzfähig sein."
Frage: "Bei ihren vier Rennerfolgen haben alle ihrer drei Piloten mindestens einmal gewonnen. Wie zufrieden stimmt sie diese Bilanz?"
Nève: "Das ist sehr gut - speziell für Nicola. Das zeigt aber auch, dass es ein sehr gutes Teamwork bei uns gibt. Die Fahrer tauschen sämtliche Daten untereinander aus und für uns heißen diese Ergebnisse, dass wir den Piloten gutes Material an die Hand gegeben haben. So hat jeder Fahrer seine Chance bekommen und das spricht doch auch für die Einheit des Teams."
WTCC als Marketing-Plattform bewahren
Frage: "Das Wochenende in Frankreich hatte einen politischen Beigeschmack. Was ist ihr Kommentar zur gegenwärtigen Lage?"
Nève: "Diese politische Geschichte kam zwischen unseren beiden Hauptgegnern auf. Wir haben das etwas aus der Distanz beobachtet. Natürlich waren wir auch involviert, denn letztendlich ging es dabei ja auch um die Meisterschaft und wie diese Meisterschaft reglementiert ist."
"Wir haben aber immer gesagt, dass wir diese Sache konstruktiv angehen wollen. Wir sind davon überzeugt, dass die WTCC eine hochkarätige Plattform darstellt, die richtig spannende Rennen bietet. So soll es natürlich bleiben. Ich glaube nicht, dass man so weit von der Wahrheit entfernt ist, wenn man sieht, dass wir aufgeladene Motoren, Heckantrieb, Frontantrieb, Dieselaggregate und Benziner ausgleichen wollen. Das ist gewiss nicht einfach."
"Bis jetzt ist es der FIA aber gelungen, diese künstliche Balance ziemlich in der Mitte zu halten. Allerdings muss jetzt eine bessere Balance zwischen normalen und aufgeladenen Motoren gefunden werden. Ich befürchte aber, dass man zu brutal von einem Extrem zum anderen Extrem gegangen ist. Hoffentlich finden wir schon bald einen geeigneten Mittelwert. Wenn ich 'wir' sage, dann meine ich die FIA. An ihr ist es, einen gerechten Mittelweg aufzutun."
Frage: "Haben sie Angst um die Zukunft der WTCC?"
Nève: "Nein. Die Marketingplattform, die hiermit angeboten wird, ist einfach einmalig. Wir sind schließlich beinahe mit Serienautos unterwegs und die Händler unterstützen das sehr. Man muss einfach eine gute Lösung finden. Ich bin überzeugt davon, dass sie nicht so weit von uns entfernt ist. Vielleicht braucht man einfach ein bisschen Abstand von einem Rennwochenende, um das Ganze in Ruhe zu analysieren. Ich sehe aber nicht, dass die Meisterschaft dadurch in Gefahr gerät."
Chevrolet nimmt Kurs auf den Titelkampf
Frage: "Würde sich für sie etwas ändern, sollte ein anderer Hersteller plötzlich aussteigen?"
Nève: "Ja. Wenn es aus rein sportlichen und nicht aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten geschehen würde, dann wäre das sicherlich ein falsches Zeichen. Das würde der Tatsache widersprechen, dass die WTCC eine gute Meisterschaft ist."
Frage: "Apropos Wirtschaftslage: Wie ist ihr Team aufgestellt? Sie persönlich waren in Übersee ja nicht dabei..."
Nève: "Wir haben wirklich das Glück, dass der Cruze jetzt gerade in den Markt eingeführt wird und parallel auf der Rennstrecke erfolgreich ist. Die Händler können letztendlich davon profitieren. Wir müssen einfach unserem Kurs treu bleiben. Das Programm, so wie es jetzt besteht, ist auf jeden Fall gesichert. Aber was ist heutzutage schon sicher - es kann durchaus passieren, dass ich morgen eine Email bekomme, die mir sagt, dass wir einpacken können. Im Moment ist der Tenor allerdings, dass wir weitermachen werden - auch aufgrund der jüngsten Ergebnisse und den positiven Auswirkungen, die wir dadurch verzeichnen konnten."
Frage: "Was kann man von Chevrolet in diesem Jahr noch erwarten?"
Nève: "Im vergangenen Jahr ist Rob in der Meisterschaft Dritter geworden. Wir wollen, dass unsere Fahrer auch in dieser Saison eine Chance auf die Meisterschaft haben. Wir müssen uns also so orientieren, dass unsere Piloten zum Schluss noch mit dabei sind."

