Menu: "Ein kleines bisschen enttäuscht bin ich schon"
Chevrolet-Pilot Alain Menu im ausführlichen Interview über seine bisherige Saisonausbeute, das Rennwochenende in Imola und seine Titelchancen
(Motorsport-Total.com) - Zumindest theoretisch darf Alain Menu noch darauf hoffen, 2008 den ganz großen Erfolg einzufahren und sich die Krone der WTCC aufzusetzen. Realistisch betrachtet schwinden seine Chancen allerdings beträchtlich, denn nach 18 von 24 WM-Läufen hat Menu lediglich 40 Punkte auf dem Konto - just genau die Hälfte der Zähler, die sich Spitzenreiter Yvan Muller (SEAT) bislang sichern konnte. Im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com' sprach der Chevrolet-Fahrer über die jüngsten Ereignisse in der WTCC.

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Alain Menu muss drei Wochenenden vor Schluss seine Titelhoffnungen begraben
Frage: "Alain, du hast in der Qualifikation in Imola P3 belegt. Wie würdest du diese Leistung einordnen?"
Alain Menu: "Sehr positiv natürlich. Wir haben als Team zusammengearbeitet und vor allem Nic (Nicola Larini; Anm. d. Red.) hat einen guten Job gemacht. Seine Rolle war es, das Führungsfahrzeug zu sein, während ich die mittlere Position inne hatte und Rob (Rob Huff; Anm. d. Red.) den Schluss bildete. Das hat richtig gut funktioniert. Im letzten Versuch hat Nic einen kleinen Fehler gemacht und mich dann durchschlüpfen lassen. Aber alles in Allem hat es prima geklappt."#w1#
Menu im Art Car unterwegs
"Ein kleines bisschen enttäuscht bin ich ja schon, denn ich hätte auf der Pole-Position stehen können - hätte ich nur alle meine besten Sektorenzeiten in einer Runde zusammenbekommen. Aber so ist das nun einmal. Unterm Strich bin ich damit aber sehr zufrieden, denn noch am Morgen war ich mit dem Auto nicht besonders glücklich. Wir haben daran gearbeitet und am Nachmittag hat es schließlich gepasst. Das ist natürlich eine schöne Sache, sowohl für mich als auch für das gesamte Chevrolet-Team."
Frage: "Wenn man sich die Situation in der Weltmeisterschaft ansieht - fährst du jetzt für ihn oder kümmerst du dich um deine eigenen Chancen?"
Menu: "Das weiß ich noch nicht. Ich habe einen Vertrag mit RML und Chevrolet und das liegt ganz bei ihnen. Ich habe noch immer die Möglichkeit, die Weltmeisterschaft für mich zu entscheiden, wenn ich jetzt ein gutes Ergebnis einfahre. Im Idealfall wäre ich also lieber nicht der Helfer - aber das ist nicht meine Entscheidung."
Frage: "Du bist in Imola mit einem speziellen Fahrzeug, dem Art Car, unterwegs gewesen. Hat dich das besonders motiviert?"
Menu: "Nein, überhaupt nicht. Ich brauche garantiert keine Extramotivation. Ich liebe meinen Job noch immer und will jedes Mal auf's Neue mein Bestes geben. Das ist aber insgesamt eine schöne Idee und ich freue mich sehr darüber, dass ich dazu auserwählt wurde, den Art Car zu fahren. Das hatte eine tolle Wirkung, denn auf einmal haben sich viele Leute für den Wagen interessiert. Daher war es für mich auch prima, diesen Wagen zu fahren. Man pilotiert ja gerne einmal etwas anderes."
SEAT-Performance kam nicht unerwartet
Frage: "Hast du erwartet, dass die SEAT in Imola so stark sein würden?"
Menu: "Ja. Ich habe mir eigentlich schon gedacht, dass sie wohl recht gut aussehen würden. Nicht so sehr, dass sie zu zweit auf Pole-Position fahren würden, wie Rickard (Rickard Rydell; Anm. d. Red.) und Yvan (Yvan Muller; Anm. d. Red.) das getan haben. Yvan ist sehr schwer - beziehungsweise sein Auto natürlich (lacht; Anm. d. Red.)."
"Ohne Flax: Wir haben hier eine schnelle, sehr flüssige Strecke. Es gibt hier quasi kein Stop and Go. Wir wissen ja, dass die SEAT dank ihrem Drehmoment aus den Kurven heraus unglaublich stark sind. Auf den Geraden sind sie schnell, Stop and Go schaden ihnen dagegen ein wenig. Daher haben wir eigentlich schon vermutet, dass sie ziemlich gut sein würden."
Frage: "Bist du zufrieden mit den Änderungen, die an der Rennstrecke vorgenommen worden sind? Freust du dich über den Wegfall einer Schikane?"
Menu: "Das hätte uns unter Umständen helfen können, näher an die SEAT heranzukommen. Eine Schikane mehr wäre da sicherlich kein Fehler gewesen. Im Rennen hat ihnen das ganz sicher geholfen. Für SEAT war es unterm Strich aber besser, dass diese Schikane herausgenommen wurde. Meiner Meinung nach ist die Strecke ohne die 'Variante Bassa' deutlich besser. Diese Schikane war schon sehr eng und wenn ich mich recht erinnere, dann hat sie auch den Fluss unterbrochen. Die Rest des Kurses ist ziemlich flüssig und ohne die Schikane halte ich die Strecke für besser."
Frage: "Ihr habt eure Karten erst in der Qualifikation aufgedeckt. Hattet ihr in den Trainings Probleme oder war das einfach nur Taktik?"
Menu: "Naja, wir waren ja schon am Freitag recht schnell unterwegs. Am Samstagmorgen hatte ich aber tatsächlich ein Problem, denn ich habe in Kurve 13 die Reifenstapel abgeräumt. Dadurch habe ich meinen Splitter zerstört und musste in die Box kommen. Da fehlten mir natürlich einige Runden und ich wurde nur 17. Außerdem hatte ich einige Schwierigkeiten beim Bremsen, das Auto war einfach nicht besonders gut. Wir haben dann für das Qualifying einige Veränderungen vorgenommen und danach war alles topp. Es gibt also durchaus Gründe für unsere Leistung."
Windschattenspielerei in Monza
Frage: "Wie würdest du deine bisherige Saison zusammenfassen? Gab es gewisse Höhepunkte oder auch bestimmte negative Erlebnisse?"
Menu: "Die Tiefpunkte waren ganz klar die ersten beiden Rennwochenenden. Vor allem das erste Weekend war mies, denn da hat niemand von uns Punkte gemacht. Aus Mexiko habe ich auch nicht sonderlich viele Punkte mitgenommen. Das war für die Meisterschaft natürlich Gift - wenn man schon nach zwei Rennwochenenden fast 30 Punkte zurückliegt. Es gab natürlich auch noch ein paar andere Zwischenfälle, ich habe beispielsweise in Pau einen Fehler in der Qualifikation gemacht und das Auto in die Wand gesetzt."
"Wir hatten auch im Team einige Themen zu verhandeln und ich wurde mehrmals an das Ende der Startaufstellung geschickt. Das hat mich alles etwas gekostet. Die Höhepunkt waren aber ganz gewiss die Siege. Es ist eine feine Sache, in Brands Hatch drei Jahre in Folge siegreich zu sein. Valencia war aber fast noch besser: Ich war Dritter im Qualifying, wurde ganz nach hinten verbannt, erreichte im ersten Rennen P8 und gewann Lauf zwei. Das war sicherlich mein ganz persönlicher Saisonhöhepunkt bislang."
Frage: "Was erwartest du dir vom Klassiker in Monza?"
Menu: "Dort wird das Windschattenspiel wieder eine ganz entscheidende Rolle spielen, vor allem in der Qualifikation. Wir müssen einfach wieder sicherstellen, dass wir im Qualifying einen soliden Job machen. Die Rennen werden dann eine Art Lotterie, denn der ganze Windschatten bringt einiges durcheinander. Wir sollten sicherlich konkurrenzfähig sein, ob wir siegfähig sein werden, weiß ich nicht. Ich mag es nicht sonderlich, Vorhersagen zu machen. Wir sollten aber gewiss dazu in der Lage sein, in Monza einige gute Punkte zu machen."
Frage: "Wie siehst du deine Chancen in der Weltmeisterschaft?"
Menu: "Ich muss einfach einige Big Points machen. Wenn das nicht klappt, dann kann ich die Meisterschaft wohl ad acta legen. Sollten die Frontrunner also patzen und ich gleichzeitig reichlich Beute machen, dann sehe ich durchaus Chancen für mich. Man muss ja immer sehen: Kommt man mit etwa zwölf Punkten Rückstand auf den Führenden nach Macau, dann gehört man noch immer zu den Titelfavoriten. Wir werden also sehen."

