• 25.05.2011 11:33

  • von Stefan Ziegler

Kolumne: Chapeaux, Chevrolet!

Stefan Ziegler schreibt über den ausgezeichneten Saisonstart von Chevrolet, den beeindruckenden Rob Huff und den Sportsgeist der Titelverteidiger

Liebe WTCC-Fans,

Titel-Bild zur News: Yvan Muller, Alain Menu, Robert Huff

Rob Huff, Alain Menu und Yvan Muller in Monza: Tourenwagen-Sport vom Feinsten!

nach den drei Auftaktevents der Saison wird es Zeit für eine erste Zwischenbilanz. Eben diese kann aus der Sicht von Chevrolet nur positiv ausfallen. Die Zahlen sprechen für sich: Fünf der sechs ersten Rennerfolge gehen auf das Konto der WM-Titelverteidiger, das Fahrertrio liegt geschlossen an der Spitze der Gesamtwertung und auch in der Hersteller-Tabelle hat Chevrolet klar die Nase vorne.

Dazu kann man die Mannschaft von Eric Neve nur beglückwünschen! Aber wenn ich ehrlich bin: Etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet, denn schließlich stand Chevrolet in dieser Saison von Anfang an auf der Pole-Position. Während man sich bei BMW im vergangenen Jahr noch nicht einmal darüber im Klaren war, wie es 2011 weitergehen würde, testete Chevrolet bereits den neuen Motor.

Chevrolet führt - nicht überraschend

Kein Wunder also, dass der Cruze, ausgestattet mit dem neuen 1,6-Liter-Turbomotor, auf Anhieb zum Klassenprimus in der WTCC avancierte. BMW hatte 2010 vergleichsweise spät mit der Entwicklung an diesem Triebwerk begonnen, SEAT und Volvo warten noch immer darauf, das neue Aggregat endlich einsetzen zu können. Dass Chevrolet das einzig verbliebene Werksteam ist, macht sich bemerkbar.

Auch dafür muss man diesen Rennstall loben, denn wie einfach wäre es im Zuge der Wirtschaftslage und der Erfolge aus der vergangenen Saison gewesen, die Mission in der WTCC als "erfolgreich" zu bezeichnen und ad acta zu legen. So geschehen vor zwei Jahren bei SEAT, die sich direkt nach dem Triumph mit Gabriele Tarquini werksseitig aus der Tourenwagen-WM verabschiedeten - urplötzlich.

Auch BMW unterhält seit 2011 kein Werksteam mehr, fördert aber - wie SEAT - den Kundensport in der WTCC mehr denn je. In diesem Bereich ist Chevrolet ebenfalls sehr engagiert und stellt seinem Partnerteam Bamboo Engineering sogar das aktuelle Fahrzeug zur Verfügung. Eine schöne Geste, wie ich finde! Darryl O'Young wusste dieses Material nämlich bereits sehr gut in Szene zu setzen.

Vom Talent zum Titelkandidaten

An die Leistung der drei Chevrolet-Werksfahrer kam der aus Hongkong stammende Rennfahrer bis dato aber noch nicht ganz heran. Rob Huff fährt in dieser Saison allerdings auch in einer eigenen Liga und ich muss gestehen: Ich bin sehr beeindruckt von seiner Reife. Schon 2010 war der Brite wohl der schnellste Fahrer in der WTCC, doch damals mangelte es ihm noch an Konstanz und Übersicht.

Stefan Ziegler

Mit großem Interesse verfolge ich den WTCC-Werdegang von Rob Huff Zoom

2011 präsentiert sich Huff absolut in Topform und hat - ganz wichtig - auch das Glück auf seiner Seite. In den drei Auftaktevents markierte er jedes Mal die Pole-Position und holte sich nicht weniger als vier Siege aus sechs Rennen. Und wäre er im zweiten Lauf von Zolder nicht mit dem in Führung liegenden Tarquini kollidiert, Huff hätte vermutlich schon in Belgien einen waschechten Doppelschlag gelandet.


Fotos: Chevrolet, WTCC in Monza


Eben diesen holte der 31-Jährige nur wenige Wochen später in Monza nach. Dort zeigte Huff seine bisher beste Gesamtleistung in der WTCC und bewies aus meiner Sicht, dass er den letzten Schritt von Talent zu Titelanwärter erfolgreich vollzogen hat. Was Huff in den beiden Sprintrennen von Italien zustande brachte, war weltmeisterlich! Entsprechend gespannt bin ich auf die weiteren WM-Läufe.

Huff hat endlich "einen guten Lauf"

Im Autodromo Nazionale di Monza saßen dem Chevrolet-Fahrer schließlich keine Geringeren als seine beiden Teamkollegen Alain Menu und Yvan Muller im Nacken, die in WTCC-Kreisen schon seit vielen Jahren zur fahrerischen Topklasse zählen. 2010 hätte sich Huff vom Druck dieser geballten Erfahrung vielleicht noch aus dem Konzept und um den Sieg bringen lassen, aber nicht 2011.

Neben seinem unbestrittenen Talent kann Huff nun nämlich auch noch auf den Glücksfaktor bauen, der ihm in dieser Form bisher nicht eigen war. Fortuna hatte in der Vergangenheit überall hingeschaut, doch nicht immer konzentrierte sich ihr Blick dabei auf Huff und sein Agieren auf der Rennstrecke. Nun scheint sich der WM-Führende endlich die Aufmerksamkeit von "Lady Luck" gesichert zu haben.

Anders ist es wohl nicht zu erklären, dass Huff 2011 schlichtweg "einen guten Lauf" hat, wie man so schön sagt. Man denke nur an die Qualifikation von Italien, als der Chevrolet-Pilot in Q1 kurz vor dem Aus stand, sich in buchstäblich letzter Sekunde aber noch auf Platz neun nach vorne schob und damit eine Runde weiter war. Ausgerechnet Rang neun, der zweite Startplatz für das zweite WM-Rennen...

Von wegen Teamtaktik: Jeder kämpft für sich

Geschenkt wurde Huff in Monza trotzdem nichts, denn Chevrolet verzichtete darauf, seinen Fahrern irgendwelche teamtaktischen Vorschriften zu machen. An dieser Stelle vielen Dank, Eric, denn das zeugt nicht nur von Größe, sondern auch von Sportlichkeit! Chevrolet hätte in beiden Italien-Läufen locker das komplette Treppchen einnehmen und dadurch den absoluten Triumph einfahren können.

Alain Menu

Kollateralschaden: Es hätte locker auch ein Dreifach-Erfolg werden können... Zoom

Hätte - so kam es aber nicht. Stattdessen lieferten sich Huff, Menu und Muller an der Spitze des Feldes einen heißen Tanz um die Positionen, der Zuschauer und Medienvertreter gleichermaßen in seinen Bann zog. Sind sonst üblicherweise die Duelle um die Plätze das Beste an den Rennen der WTCC, so waren es in Monza zweifelsohne die Manöver der drei Chevrolet-Piloten ganz vorne.

Vorsichtige Zurückhaltung im Hinblick auf den Erfolg der Marke sieht anders aus, wie wir Fans der Tourenwagen-WM aus der Vergangenheit wissen. Wie oft hatten sich Piloten schon "teamdienlich" verhalten und waren nur mit gebremstem Schaum gefahren, um ihrem Hersteller die gewünschten Ergebnisse zu ermöglichen? Spontan kann ich mich an mehrere Szenen dieser Art erinnern.

Freies Fahren im weiteren Saisonverlauf?

Monza 2011 wird mir jedoch aus anderen Gründen im Gedächtnis bleiben, schließlich gaben sich Menu und Muller auf der italienischen Traditionsstrecke alle Mühe, Huff vom Siegen abzuhalten und selbst ganz nach vorne zu fahren. Tourenwagen-Sport vom Allerfeinsten, möchte ich behaupten! Wer angesichts dieses Thrillers nicht begeistert war, schaute wahrscheinlich auf dem falschen Sender.

Aus diesem Grund mache ich mir um den weiteren Saisonverlauf überhaupt keine Sorgen. Obwohl Chevrolet in diesem Jahr klar die Hosen anhat und die Konkurrenz nicht ganz auf dem Niveau der Titelverteidiger fährt, bietet die WTCC einen spannenden Wettbewerb um den Sieg. Real Cars, Real Racing - genau so soll es sein. Diesem Motto wurden Chevrolet und die WM in Monza sehr gerecht.

Wie es im zweiten Saisonviertel weitergeht, kann ich nicht vorhersagen. Ich würde mir aber wünschen, dass Chevrolet diesen Kurs beibehält und seinen Fahrern auch weiterhin keine Scheuklappen anlegt. Dann stünde uns nämlich - Motorensituation und Kräfteverhältnis hin oder her - mit Sicherheit eine wirklich großartige Saison bevor. Denn ich glaube fest daran: Monza 2011 war nur der Anfang!

Beste Grüße & viel Vorfreude auf mehr sportlichen Hochgenuss!
Euer


Stefan Ziegler