• 20.08.2010 11:16

  • von Stefan Ziegler

Das neue Punktesystem: Eine Zwischenbilanz

Die WTCC hat zum Saisonbeginn das Zählerschema der Formel 1 übernommen und belohnt den Sieger seither mit 25 Punkten: Stimmen aus dem Fahrerlager

(Motorsport-Total.com) - Bis zur vergangenen Saison wurden die Fahrer der Tourenwagen-WM nach dem Schema 10-8-6-5-4-3-2-1 mit Punkten belohnt, pünktlich zum neuen Rennjahr wurden neue Regeln eingeführt: Seit 2010 darf sich der Rennsieger in der WTCC über 25 Zähler freuen, neun weitere Piloten kommen im Zuge des neuen Punktesystems (25-18-15-12-10-8-6-4-2-1) ebenfalls in den Genuss von WM-Zählern.

Titel-Bild zur News: Andy Priaulx

Auf der Jagd nach WM-Punkten: Seit 2010 erhält jeder WTCC-Rennsieger 25 Zähler

So bietet sich in der Gesamtwertung ein durchaus ungewohntes Bild, denn der aktuelle WM-Führende Yvan Muller (Chevrolet) weist nach sieben von elf Rennwochenenden bereits 199 Punkte auf. Bei einem Einzelevent schlug sich Titelverteidiger Gabriele Tarquini (SR) indes am besten: Der Italiener holte in Portugal satte 40 Zähler, als er die beiden Sprintrennen auf den Rängen eins und drei beendete.#w1#

Wer stellt den neuen Punkterekord auf?

Aber wie gut kommen die neuen Punkteregeln eigentlich bei den Protagonisten an? 'Motorsport-Total.com' hat sich im Fahrerlager der Tourenwagen-WM umgehört, um die Meinungen von Piloten und Teamverantwortlichen einzuholen. Für die meisten WTCC-Fahrer steht allerdings an erster Stelle, bloß keinen "Nuller" zu schreiben. Die Punktzahl selbst spielt für viele nur eine untergeordnete Rolle.

"Eigentlich wurden ja nur die Zahlen verändert", meint Augusto Farfus (BMW Team RBM). "Die Positionen haben nun einen anderen Wert und die Abstände sind größer. Daran muss man sich erst gewöhnen. Es ist aber schon verrückt: An einem Wochenende kannst du im Optimalfall insgesamt 50 Punkte einstreichen. Läuft es gut, können am Ende rund 500 Punkte zusammen kommen."

"Eigentlich wurden ja nur die Zahlen verändert." Augusto Farfus

"Das ist nun wirklich sehr seltsam", findet der brasilianische Rennfahrer und ergänzt: "Ich denke, in unserer Meisterschaft galt schon immer der Grundsatz, dass du bei jedem Rennen Punkte holen musst. Jeder 'Nuller' tut dir am Saisonende richtig weh. Wer am meisten Punkte sammelt, steht am Ende vorne. Dann kommt es darauf an, in Macao den Unterschied auszumachen", sagt Farfus.

Kämpft ein Fahrer nun mehr als bisher?

Für Rob Huff (Chevrolet) "geht es nicht darum, ob ich das Punktesystem mag oder nicht", so der aktuelle WM-Vierte. "Du musst einfach damit klarkommen. Für mich hat sich seit 2009 nichts verändert. Man versucht nach wie vor, möglichst viele Punkte zu holen. Du willst natürlich immer ins Ziel kommen und keine zu großen Risiken eingehen", gibt der 30-Jährige nach Brünn zu Protokoll.

Teamkollege Alain Menu (Chevrolet) kann dem neuen Punktesystem grundsätzlich einiges abgewinnen, hätte aber noch weitere Veränderungen eingeführt: "Es ist eine gute Sache, denn es belohnt den Sieger etwas mehr als vorher. Es ist nun genau so, wie es sein sollte. Ich denke aber, man hätte einen weiteren Schritt machen und weniger Punkte für das zweite Rennen verteilen sollen."

"Es ist nun genau so, wie es sein sollte." Alain Menu

"Diesen Lauf kannst du schließlich gewinnen, wenn du im ersten Rennen den achten Platz geholt hast. Vielleicht müsste man sich das noch einmal genau anschauen", erklärt der Schweizer. "Ansonsten finde ich das neue Punktesystem sehr gelungen. Die Top 10 werden mit WM-Zählern belohnt und das hat schon seine Richtigkeit. Mir ist es ohnehin egal, denn so sind die Regeln."¿pbvin|0|2994|wtcc|0|1pb¿

Ein "Nuller" schmerzt noch immer sehr...

"Ein Problem stellt das nicht dar und auf meine Rennleistung hat das keinen Einfluss", hält Menu fest. "So anders ist es gar nicht", meint auch Tarquini, der gegenwärtig den zweiten WM-Rang bekleidet. "Es gibt einen kleinen prozentualen Unterschied zwischen den Positionen eins, zwei und drei. Ein Unterschied wie Tag und Nacht ist es jedenfalls nicht", stellt der WTCC-Titelverteidiger heraus.

"Meine Herangehensweise hat sich dadurch nicht verändert und auch der Titelkampf wird sich so gestalten wie noch im vergangenen Jahr. Du musst bei jedem Rennen in die Punkte fahren. Wenn die Lücke ohnehin groß ist, spielt es keine Rolle, wenn du einmal keine Zähler holst. Im Augenblick musst du kontinuierlich punkten, um im Titelrennen zu bleiben. Nur so kannst du über die WM nachdenken."

"Meine Herangehensweise hat sich nicht verändert." Gabriele Tarquini

Tiago Monteiro (SR) pflichtet seinem Stallgefährten bei: "Ich sehe nicht, dass sich durch das neue Punktesystem wirklich Gravierendes verändert. Nun haben wir es eben mit etwas größeren Zahlen zu tun. Es wäre aber natürlich klasse, wenn sich das Preisgeld an der Punkteausbeute orientieren würde, denn dann würde man auf einmal deutlich mehr einstreichen", witzelt der frühere Formel-1-Pilot.

Die Statistiken sind die großen Verlierer

"Man hat jetzt zwar größere Zahlen, doch das Verhältnis der einzelnen Positionen zueinander ist - abgesehen von den Topplätzen - recht gleich geblieben. Ich rechne also nicht mit großen Veränderungen. Wenn du Rennen gewinnst, hast du größere Chancen, am Ende auch den Titel zu holen. Das ist fair und das gefällt mir. Die einzige Schattenseite dieser Sache betrifft die Statistik."

"Ich bin ein großer Statistik-Fan und liebe es, einen Blick in die vergangenen Ergebnisse zu werfen", gesteht Monteiro. "Es interessiert mich einfach, wie viele Punkte die Leute geholt haben - und jetzt ist alles anders. In einem Jahr bringst du nun vielleicht mehr Zähler zusammen als in den vergangenen drei Jahren. Das ist sehr schade, vor allem im Hinblick auf die Vergangenheit einer Serie."

"In einem Jahr bringst du nun vielleicht mehr Zähler zusammen als in den vergangenen drei Jahren." Tiago Monteiro

"Vor einigen Jahren hat man die Punkteränge um zwei Positionen erweitert, aber das war eine vergleichsweise geringe Änderung. Jetzt haben wir es hingegen mit einer großen Veränderung zu tun", findet der Portugiese. Das ehemalige System sei einfacher gewesen - nicht zuletzt, weil man es gewohnt war, so Monteiro. Eine ähnliche Entwicklung könnte sich nun erneut einstellen.


Fotos: WTCC in Brünn


Alles nur eine Frage der Gewöhnung?

"In ein bis zwei Jahren ist uns das neue System wahrscheinlich ebenfalls in Fleisch und Blut übergegangen. Dann verschwenden wir keine Gedanken mehr an die alten Punkteregeln", sagt der 33-Jährige. "Das war ja schon so, als man die beiden zusätzlichen Punktepositionen eingeführt hat. Ich kann mich schon fast nicht mehr daran erinnern, als nur die Top 6 mit Punkten bedacht wurden."

"Es braucht einfach seine Zeit", erläutert Monteiro. Teamkollege Tom Coronel (SR) sieht die ganze Situation indes vollkommen gelassen. "Ganz ehrlich: Auf Punkte und dergleichen achte ich gar nicht", meint der "fliegende Holländer". "Ankommen, ankommen, ankommen, lautet meine Devise. In den letzten drei Rennen kannst du dann einmal einen Blick auf die Tabelle riskieren", so Coronel.

"Ganz ehrlich: Auf Punkte und dergleichen achte ich gar nicht." Tom Coronel

"Ansonsten agierst du schnell zu klug oder machst zu viel Druck. Nein, nein - ich sammle einfach die Punkte und lasse mich gewissermaßen überraschen. Damit fahre ich gut", hält der Routinier fest. SEAT-Sportchef Jaime Puig plädiert für Geduld mit den Neuerungen: "Man wird sich halt daran gewöhnen müssen", sagt der Spanier zur Halbzeit der WM-Saison bei 'Motorsport-Total.com'.

Die Weltmeisterschaften im Gleichschritt

Für Puig steht vollkommen außer Frage, dass die WTCC das Zählerschema der Formel 1 übernehmen musste: "In der Tourenwagen-Kommission haben wir ausführlich darüber beraten. Letztendlich kamen wir zum Schluss: Wenn die Formel 1 ihr Punktesystem verändert, dann müssen wir nachziehen. Es kann nicht sein, dass jede Rennserie dahingehend ihr eigenes Süppchen kocht."

Chevrolets Motorsport-Manager Eric Nève ergänzt: "In der Formel 1 hat dieses neue Punktesystem durchaus seine Berechtigung, weil es Gründe dafür gibt. Der Rallyesport hat dieses Schema ebenfalls adaptiert. Wir haben uns dann gesagt: 'Wenn zwei von vier Weltmeisterschaften auf dieses System setzen, müssen wir mitziehen.' Hintergrund ist, dass das Publikum versteht, was vor sich geht."

"Es kann nicht sein, dass jede Rennserie ihr eigenes Süppchen kocht." Jaime Puig

"Das ist wie beim Fußball: Würde man die Tore bei einer WM anders werten als bei einer EM, würde ich nichts mehr verstehen. Daher mussten wir reagieren. Ohnehin ist der Motorsport schon sehr kompliziert für den Zuschauer: Formel 1, GT-Sport, Tourenwagen, DTM... So haben wir wenigstens eine Konsistenz innerhalb der FIA-Weltmeisterschaften", gibt Nève abschließend zu Protokoll.

Folgen Sie uns!

Eigene Webseite?

Kostenlose News-Schlagzeilen und Fotos für Ihre Webseite! Jetzt blitzschnell an Ihr Layout anpassen und installieren!

Folge uns auf Facebook

Werde jetzt Teil der großen Community von Motorsport-Total.com auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über den Motorsport und bleibe auf dem Laufenden!