• 26.07.2010 18:37

  • von Stefan Ziegler

BMW: Die Hintergründe zur "Autofrage" von Brands Hatch

In Großbritannien wollte das BMW Team RBM ein älteres Automodell einsetzen, doch soweit sollte es nicht kommen: Die Hintergründe zur "Autofrage"

(Motorsport-Total.com) - Der WM-Event von Brands Hatch stand ganz im Zeichen der Frage, welches Fahrzeug das BMW Team RBM an den Start bringen würde. Am Samstagmorgen hoben sich schließlich die Garagentore und damit wurde das Geheimnis gelüftet: Augusto Farfus und Andy Priaulx rückten mit dem "alten" BMW 320si aus - zunächst, denn bereits nach nur einer Session war dieses Kapitel schon wieder abgeschlossen.

Titel-Bild zur News: Andy Priaulx

Dunkle Wolken über Brands Hatch: Was hatte es mit den BMW Autos auf sich?

Die Stewards hatten sich bis nach der ersten Einheit ausführlich Gedanken über den neuen Ansatz des BMW Teams RBM gemacht und kamen noch am Vormittag zu dem Schluss, dass Farfus und Priaulx - im Gegensatz zu ihren privaten Markenkollegen - nicht auf die "alte" Wagenversion zurückgreifen durften. Ein an sich geschickter Schachzug entpuppte sich also als Fehlschlag.#w1#

Die ersten Ideen keimen noch vor Portimão

Teamchef Bart Mampaey schildert seine Eindrücke aus Großbritannien: "Eine Stunde vor dem zweiten Freien Training wurden wir darüber informiert. Es gab nichts, was darauf hingedeutet hätte, dass die Dinge nicht in unserem Sinne verlaufen würden. Uns war klar, dass die Stewards die endgültige Entscheidung treffen würden. Aber überrascht waren wir dennoch", so der Belgier.

"Eine Stunde vor dem zweiten Freien Training wurden wir informiert." Bart Mampaey

Aber was hatte das BMW Team RBM eigentlich dazu bewogen, seine Fahrer mit einer früheren Version des BMW 320si auf die Strecke zu schicken? Die Antworten auf diese Frage sind in den jüngsten Entwicklungen im WTCC-Starterfeld zu finden, wie Mampaey erläutert. Man habe sich "schon vor Portimão" erstmals Gedanken über eine alternative Herangehensweise gemacht.


Fotos: BMW Team RBM, WTCC in Brands Hatch


Diese manifestierte sich schließlich darin, dass man einer "alten" Autovariante den Vorzug gegenüber dem "Neuwagen" geben wollte. "Wenn man sich vor Augen führt, mit welchem Gewicht die einzelnen Fahrzeuge unterwegs sind und welche Vorteile sich daraus ergeben, ist das doch ganz einfach", sagt Mampaey. Ausschlaggebend war aber nicht zuletzt die Einstufung eines Konkurrenzautos.

Corthals-Einstufung regt zum Nachdenken an

"Als Teamchef des BMW Teams RBM war ich sehr überrascht, dass Pierre-Yves Corthals in Zolder einen Gewichtsnachlass erhielt, der nicht den Regeln entsprach. Das Reglement sagt ganz klar, was zu erfolgen hat, wenn ein neues Auto in die Meisterschaft kommt", bringt es Mampaey auf den Punkt. Demnach hätte Corthals 40 kg Ballast an Bord seines SEAT León TFSI mitführen müssen.

Augusto Farfus

Augusto Farfus im "alten" BMW 320si während des ersten Freien Trainings Zoom

Das tat der belgische Rennfahrer auch - durfte nach der Testsession aber sämtliche Extragewichte wieder ausbauen lassen. "Ich könnte mir denken, dass das Team um eine Erleichterung gebeten hat. Das Auto wurde schließlich ohne Zuladung ins Rennen geschickt. Die Erklärung dafür, die damals mündlich abgegeben wurde, war: Es handelt sich nicht um ein neues Auto", so Mampaey.

Das stimmt aber nur zum Teil, denn als SEAT-Benziner hatte dieser Rennwagen zwar bereits in den vergangenen Saisons in der WTCC firmiert, trat 2010 aber erstmals am Rennplatz der Tourenwagen-WM auf. "So etwas erweckt natürlich deine Aufmerksamkeit und du beginnst damit, dich noch intensiver mit dem Regelwerk auseinander zu setzen", sagt der BMW Team RBM Teamchef.

Welche Rolle spielen die Privatier-Rundenzeiten?

Parallel dazu sorgten Privatfahrer wie Kristian Poulsen (Poulsen) und - ab Portimão - auch Colin Turkington (eBay Motors) für Furore, indem sie mit ihren "alten" BMW 320si Fahrzeugen konstant schnelle Rundenzeiten auf den Asphalt knallten. Auswirkungen auf die Pläne des BMW Teams RBM hatten diese Leistungen laut Mampaey aber nicht: "Wir schauen einzig und alleine auf unsere Autos."

"Davon mussten wir nicht erst überzeugt werden." Bart Mampaey

"Unser Blick ist nach vorn gerichtet und nicht zurück. Das Potenzial eines leichteren Autos wurde indes sehr wohl ersichtlich, als Poulsen in Zolder einige Sektorbestzeiten gefahren ist. Davon mussten wir aber nicht erst überzeugt werden", hält Mampaey fest und fügt hinzu: "Wir wissen, was der Unterschied zwischen 50 zusätzlichen Kilogramm und einem Auto ohne Zuladung ist."

Und genau deshalb begannen sich die Planungen des BMW Teams RBM zu konkretisieren: "Wir haben uns ausführlich mit dieser Thematik beschäftigt und alle kommunikativen Möglichkeiten mit der Sportbehörde ausgeschöpft, um diese Chance zu nutzen. Wir wussten aber, dass eine letzte Bestätigung ausstehen würde. Das alles hat uns gewiss nicht unvorbereitet getroffen."

Drei unterschiedliche BMW Autos in der WTCC

"Gemäß unserer Interpretation der Regeln haben wir aber alle notwendigen Arbeiten vorgenommen, weil wir glaubten, eine Möglichkeit zu haben", erklärt Mampaey. "Unterm Strich arbeitet man mit den sportlichen Regeln, den technischen Regeln und den Regeln bezüglich der Homologierung. Da gibt es ganz sicher einen Spielraum zur Interpretation, allerdings auch Widersprüche", so der Belgier.

Andy Priaulx

Andy Priaulx am Steuer des "neuen" BMW 320si in der Qualifikation von Brands Hatch Zoom

Denn in der Tourenwagen-WM gehen nicht weniger als drei unterschiedliche BMW Modelle an den Start, wie Mampaey anführt: Neben dem "alten" BMW 320si und dem "neuen" Auto kann auch noch ein BMW 320si mit sequentiellem Getriebe eingesetzt werden. Alle drei Varianten des bewährten BMW 320si haben im Verlauf dieser Saison bereits einige WTCC-Kilometer abgespult.

"Jedes dieser Fahrzeuge wird in der Berechnung der Zusatzgewichte als separates Automodell aufgeführt", erläutert Mampaey. "'Alt' bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das betreffende Auto ein anderes Chassis aufweist. Dieses Chassis muss vor über 25 Monaten in der WTCC eingeführt worden sein. Unsere beiden Autos wurden von den technischen Delegierten als 'alt' eingestuft."¿pbvin|0|2957|wtcc|0|1pb¿

BMW akzeptiert die Entscheidung der FIA

"Anschließend stellte sich die Frage: Dürfen wir diese Autos einsetzen oder nicht? Das war nicht klar", meint der BMW Team RBM Teamchef. "Unser Anliegen wurde aber letztendlich im Hinblick auf Artikel 84A abgelehnt. Dieser besagt - in groben Zügen: Wenn du einmal eine gewisse Autospezifikation an den Start gebracht hast, kannst du nicht wieder auf eine frühere Fahrzeugversion zurückwechseln."

"Unser Anliegen wurde letztendlich im Hinblick auf Artikel 84A abgelehnt." Bart Mampaey

"Wir hatten diesen Passus anders interpretiert", meint Mampaey. Nur: Auch die Privatiers von Engstler und Wiechers hatten auf die "alte" Autovariante gewechselt - und durften den kompletten Event in Großbritannien mit eben diesem Fahrzeug bestreiten. Farfus und Priaulx mussten indes zum zweiten Freien Training wieder in ihren gewohnten WTCC-Einsatzwagen Platz nehmen.

Auf eine Begründung für diese kuriose Situation wartet nicht nur das BMW Team RBM bis heute, von einem Einspruch hat die Mannschaft um Teamchef Mampaey aber abgesehen: "Auf diese Diskussion haben wir uns nicht eingelassen. Wir haben die Entscheidung akzeptiert. Damit ist die Sache für uns erledigt." Ab Brünn übrigens auch für die Privatfahrer - die FIA hat ihren Beschluss überdacht.

Die Fahrer zeigen sich verständnisvoll

Für Farfus und Priaulx bedeutete der nicht gestattete Autowechsel einen "Rückschritt zum Neuen": "Wir konnten unser Vorhaben nicht umsetzen, was sehr schade ist", sagt Farfus im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Vielleicht hätten wir unsere Situation dadurch verbessern können. Es wäre bestimmt nicht viel gewesen, aber zumindest ein kleines bisschen", meint der 26-Jährige.

Augusto Farfus

Augusto Farfus und Andy Priaulx zu Beginn des zweiten Rennens von Brands Hatch Zoom

"Mit 75 Kilogramm weniger an Bord fliegt das Fahrzeug nur so um die Kurven. Insgesamt ist der Wagen dann viel angenehmer zu fahren und deutlich agiler. Im direkten Vergleich fühlt man sich im 'neuen' Modell mit 75 Kilogramm mehr, als habe man einen Passagier mit an Bord. Außerdem bremst du früher und musst ein anderes Setup fahren", erläutert Farfus im Hinblick auf sein aktuelles Auto.

Laut Ex-Champion Priaulx wären aber selbst diese 75 kg "nicht genug gewesen. Es bräuchte noch mehr, damit wir es in der Qualifikation mit Chevrolet aufnehmen könnten", findet der Brite und fügt hinzu: "Ich respektiere die Entscheidung, es einfach zu versuchen. Wenn wir ein um 75 kg leichteres Auto gehabt hätten, okay. So müssen wir uns eben mit der Situation arrangieren", sagt Priaulx.