Emotionaler Abschied von der GTE-Klasse: "Das Ende einer speziellen Ära"
Mit dem WEC-Finale 2023 endete eine "Goldene Ära des GT-Rennsports" - Fahrer und Teamchefs nehmen Abschied von den GTE-Boliden und schwelgen in Erinnerungen ...
(Motorsport-Total.com) - Mit dem 8-Stunden-Rennen in Bahrain, dem letztjährigen Saisonfinale der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC), ging eine Ära im GT-Sport zu Ende: Die GTE-Boliden werden in diesem Jahr von den GT3-Autos abgelöst. Die GTE-Klasse war seit der Wiedergeburt der WEC im Jahr 2012 fester Bestandteil der Serie und zog mit Porsche, Ferrari, Ford, BMW und Corvette zahlreiche Hersteller an.
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Ende einer Ära: Die GTE-Autos werden durch GT3-Boliden ersetzt Zoom
Wenngleich die GTE-Autos in den letzten Jahren bereits weniger und die GTE-Pro-Klasse nach der Saison 2022 bereits gestrichen wurde, trauern viele Teams und Fahrer um den Abschied der GTE-Boliden. "Es ist das Ende einer Ära, eine wirklich spezielle Ära im GT-Sport", bringt es Nico Varrone im Gespräch mit Motorsport-Total.com auf den Punkt.
"Die Autos sind großartig zu fahren, wenn man die Duelle und die Geschichte der Autos außen vor lässt, ist das reine Fahren wirklich großartig", sagt der Corvette-Pilot, der sich gemeinsam mit Ben Keating und Nicky Catsburg zum letzten Champion der GTE-Ära krönte. "Dieses Jahr mit Corvette in Le Mans und in der Meisterschaft zu gewinnen, war toll. Ich habe einige Erfolge erzielt und das hat mir in meiner Karriere sehr geholfen."
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Der letzte GTE-Titel geht an Corvette mit Keating, Varrone & Catsburg Zoom
"Auch die Historie und die Kämpfe in Le Mans über die Jahre waren etwas Besonderes", sagt Varrone. Die GTE- und GT3-Boliden sind leistungsmäßig zwar auf einem Niveau, allerdings handelt es sich bei den GTE-Boliden um reinrassige Rennwagen. "Es ist sehr schade, ich bin nur kurz in der GTE gefahren, aber es hat mir viel gegeben. Für mich und alle im Fahrerlager ist es sehr schade, dass es Ende hat."
"Niemals schlechte Erinnerungen an die GTE"
"Ich bin am meisten traurig darüber, dass das letzte GTE-Rennen in Bahrain stattfand, wohl die Strecke mit dem geringsten Griplevel auf dem Planeten, das war blöd", schmunzelt Teamkollege Catsburg gegenüber Motorsport-Total.com. "Aber nein, ich liebe die Klasse und es ist schade, dass sie geht. Wir alle lieben die Autos und das Rennfahren damit."
"Jetzt geht es zur GT3, eine Klasse mit großem Erfolg", weiß der Niederländer, der in den Jahren 2020 (mit Rowe-BMW) und 2023 (mit Frikadelli-Ferrari) das 24h-Rennen am Nürburgring gewinnen konnte. Nichtsdestotrotz trauert er der GTE-Klasse nach. "Die eingefleischten Rennfahrer lieben den Fakt, dass wir kein ABS in den Autos hatten, es ist schade, dass es ein Ende hat."
"Ich bin mir sicher, dass wir in ein paar Jahren an die GTE-Klasse zurückdenken werden", so Catsburg. "Es ist traurig, dass die GTE-Klasse geht, ich habe großartige Erfolge darin gefeiert. Mein bestes Erlebnis ist der Klassensieg in Le Mans im letzten Jahr, da ist ein Traum wahr geworden. Ich habe es einige Jahre probiert und ich bin froh, dass es nun geklappt hat."
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Der GTE-Auftritt von BMW kein "kein großer Erfolg" Zoom
"Ich habe noch andere schöne Erinnerungen, wie das Programm mit dem BMW M8 GTE, was kein großer Erfolg war, aber es war schön, ein Teil davon zu sein", blickt der Niederländer in die Vergangenheit. "Aber die schönsten Erinnerungen sind aus dem letzten Jahr, mit dem Corvette-Team. Ich werde niemals an die GTE zurückdenken und schlechte Erinnerungen daran haben."
Keating: "GTE hat besonderen Platz im Herzen"
"Die GTE ist eine ganz besondere Spezifikation, einfach anders", sagt Corvette-Pilot Keating zu Motorsport-Total.com. "In der IMSA-Serie in den USA habe ich sieben Jahre lang GT3-Autos pilotiert. Zu Hause in meiner Garage stehen die GT3-Version einer Viper von 2015 und auch die GTE-Version einer Viper von 2015. Somit kann ich beide Spezifikationen direkt miteinander vergleichen."
"Ich muss schon sagen, dass die GTE einen besonderen Platz in meinem Herzen hat", erklärt der erfahrene Privatier. "Dass ich die GTE-Ära mit zwei aufeinanderfolgenden Titelgewinnen abgeschlossen habe, das macht mich sehr stolz. Wenn es die GTE noch ein Jahr länger geben würde, müsste ich nochmals hier antreten."
"Da das aber nicht der Fall ist, habe ich jetzt tatsächlich mal ein bisschen mehr Zeit für andere Dinge und muss nicht mehr versuchen, zwei volle Saisons in einem Jahr zu fahren", so Keating, der 2024 wohl nicht mehr in der WEC starten wird.
GTE als 'Goldenen Ära des GT-Rennsports'
"Für mich wird die GTE mit Sicherheit das beste GT-Auto aller Zeiten sein", sagt Matteo Cairoli gegenüber Motorsport.com. "Natürlich ist auch der GT3 ein schönes Auto, aber der GTE ist ein professioneller Rennwagen, sodass man seinen Fahrstil mehr anpassen muss als bei einem GT3-Auto."
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Die GTE-Autos sind schwieriger zu fahren als ein GT3-Bolide Zoom
"Ich habe jede einzelne Runde genossen, die ich in den vergangenen sieben Jahren gefahren bin, und ich bin ein bisschen traurig, dass dieses tolle Auto zu Ende geht", sagt der Italiener, der 2024 für Lamborghini startet. "Die GT3-Autos sind eher ein Straßenauto. Die GTE geht mehr in Richtung Prototyp. Als Show wird es sehr gut sein, aber das Vergnügen hinter dem Lenkrad sicher nicht."
"Viele Leute sprechen von der 'Goldenen Ära des GT-Rennsports', und sie haben nicht unrecht", weiß Cadillac-Pilot Richard Westbrook, der viele Jahre im GT-Sport erfolgreich war. "Man muss sich kneifen, wenn man auf Jahre wie 2017, 2018 und 2019 zurückblickt. Man hatte diesen Zug an GTE-Pro-Autos in Le Mans, mit 20 Autos Stoßstange an Stoßstange über 24 Stunden."
"Es war wirklich ein Wettrüsten mit den Herstellern und alle waren so nah dran. Es waren Top-Marken dabei. Ich hatte das Glück, in dieser Zeit für vier Hersteller zu fahren - Porsche, Corvette, Ford und Aston Martin", erinnert Westbrook. "Es war wirklich eine besondere Zeit, daran gibt es keinen Zweifel."
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Perlenkette: 2018 lieferten sich die GTE-Boliden ein enges Rennen Zoom
"In 20 Jahren werden die Leute darauf zurückblicken und ein Vater wird seinem Sohn die Geschichte erzählen, wie er damals in Le Mans war, und der Junge wird es wahrscheinlich nicht glauben! Es war so eng, einfach ein intensives Rennen von Anfang bis Ende."
"Das beste GT-Auto, das je gebaut wurde"
"Ich bin traurig, denn das GTE-Auto war einfach ein unglaubliches Auto", klagt Lilou Wadoux gegenüber Motorsport-Total.com. "Es war eines der besten, die ich jemals gefahren habe." Markenkollege Nicklas Nielsen bestätigt: "Es ist das beste GT-Auto, das je gebaut wurde und ein Auto, das viele Fahrer gerne fahren. Darum ist es schade, dass die GTE-Klasse abgeschafft wird."
"Auf der anderen Seite ist es aufregend, wenn so viele neue Hersteller dazukommen, auch in der Hypercar-Klasse", so Nielsen, zu dessen GTE-Highlights vor allem der Gewinn der European-Le-Mans-Series, der WEC und ein Klassensieg in Le Mans gehören. "Ich habe also sehr gute Erinnerungen an die GTE, ich bin sehr glücklich, dass ich dort gefahren bin. Die GTE-Autos waren sehr wichtig für meine Karriere."
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Auch Ferrari war in der GTE-Klasse am Start Zoom
Die Karriere von Christian Ried endete gemeinsam mit der GTE-Klasse. Nach 85 WEC-Rennen hängt er seinen Helm an den berühmten Nagel. "Ich glaube, der Abschied von der GTE ist für mich wie für viele Tausende oder vielleicht sogar Millionen von Menschen das Gleiche, wirklich schade. Das war eine super Klasse."
"Es war eine absolut superschöne Zeit im Motorsport, mit tollen Autos und tollen Rennen. Schade, das werde ich sehr vermissen", sagt Ried im Gespräch mit Motorsport-Total.com. "Ich glaube, es war der richtige Zeitpunkt für mich zu sagen, es macht jetzt Sinn, mit dem GTE in Rente zu gehen."
Letzter GTE-Sieg: Iron-Dames schreiben Geschichte
Den letzten Sieg der GTE-Geschichte sicherten sich Michelle Gatting, Sarah Bovy und Rahel Frey, als sie den Iron-Dames-Porsche #85 beim Saisonfinale in Bahrain als Erstes über die Ziellinie brachten. Kein Wunder, dass auch das erfolgreiche Damen-Team betrübt ist. "Das wird etwas sein, was ich sehr vermissen werde", sagt Gatting im Gespräch mit Motorsport-Total.com.
"Es ist ein Auto, das sehr gut zu meinem Fahrstil passt. Ich habe mich im Ferrari immer wohlgefühlt und konnte dort viele Erfahrungen sammeln", erinnert die Dänin. "Dann sind wir in den Porsche umgestiegen, dort habe ich mich wie eine erfahrene Pilotin gefühlt. Ja, das Auto passt sehr gut zu mir, darum werde ich es sehr vermissen."
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Die Iron-Dames feierten den letzten GTE-Sieg Zoom
Ob die GT3-Klasse einen guten Ersatz bieten kann? "Es wird schwer, aber das ist die Zukunft", so Gatting. "Wir müssen die gleiche Leidenschaft für diese Autos finden, aber es ist anders. Es ist ein anderes Fahren. Was ist bei den GTE-Autos sehr geliebt habe, ist der Punkt, dass es kein ABS gibt und mehr Downforce. Das ist pures Fahren."
"Im GT3-Auto kann man voll auf die Bremse treten und wenn du mit 140 Kilogramm bremst, bist du gut. Am Ende kann das Jeder. Im GTE-Auto kannst du einen Unterschied machen", weiß die erfolgreiche GT-Pilotin. "Wir müssen das Beste daraus machen, die GT3-Autos sind die Zukunft."
Ist die LMGT3-Klasse ein adäquater Ersatz?
"In Hinblick auf die Duelle und den Wettbewerb wird es das Gleiche sein", glaubt Ferrari-Pilot Nielsen. "Ich fahre sowohl die GTE- als auch die GT3-Autos gerne, aber man kann die Fahrer fragen, und sie werden die GTE-Boliden favorisieren. Aber es ist, wie es ist. Es sind neue Zeiten, es wird ein guter Wettbewerb sein."
"Die Autos sind nicht radikal anders", vermutet auch Tom Ferrier, Teamchef von TF Sport, im Gespräch mit Motorsport-Total.com. "Es gibt einige Änderungen zwischen der GTE- und GT3-Homologation, aber die Autos sind die gleichen, die Fahrerbesetzungen sind die gleichen, in Hinblick auf Bronze-, Silber- und Gold-Einstufungen. Ich sehe keine großen Unterschiede."
"Es ist eine großartige Klasse, wir waren exklusiv in Le Mans, es ist ein sehr spezielles Auto", erinnert Ferrier. "Aber Dinge ändern sich und es ist Zeit für Fortschritte. Es ist das Gleiche für alle. Wir werden sehen, was die Zukunft mit den GT3-Autos bringt."
"Ich war nie ein richtiger Freund von diesem Konzept", ist Ried ehrlich. "Die Idee, viele Hersteller zu haben, ist richtig. Aber alle Hersteller, mit den verschiedenen Konzepten, Frontmotor, Heckmotor oder Mittelmotor, zu balancen, ist schwierig. Und was wir in den letzten Jahren auch in der GTE gesehen haben, ist extrem schwierig für die Veranstalter, ob IMSA oder FIA mit der WEC."
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Ford war mit dem GT von 2017 bis 2019 in der GTE-Klasse vertreten Zoom
"Das wird mit mehreren Herstellern sicher nicht einfacher, das ist wirklich schade für den Sport, weil am Ende des Tages, wird vielleicht nicht das beste Auto mit dem besten Rad gewinnen, sondern das Auto mit der besten BoP", glaubt der erfahrene Proton-Teamchef. "Wir hatten dieses Jahr schon das Beispiel in der WEC, mit einem Hersteller, der war sehr überlegen."
"Wir können uns nicht beschweren, denn die GT3-Kategorie hat einen großen Erfolg auf der ganzen Welt, also sehe ich keinen Grund, warum wir nicht auch in Le Mans und der Weltmeistermeisterschaft damit Erfolg haben sollten", ist Corvette-Pilot Catsburg optimistisch. "Ich freue mich darauf!"
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