• 28.08.2012 11:04

  • von Roman Wittemeier

Audi vs. Toyota: Wie das Duell weitergeht

Analyse des WEC-Wettkampfes der beiden LMP1-Hersteller Audi und Toyota: Die Ingolstädter leben von Effizienz, die Japaner vom starken Hybridsystem

(Motorsport-Total.com) - Der Trend aus Le Mans hat sich Silverstone fortgesetzt. Toyota kann dem Platzhirschen Audi aus dem Stand in Sachen Rundenzeiten das Wasser reichen, aber es fehlt noch in zwei Bereichen etwas: Effizienz und Topspeed. Beim WEC-Lauf in Silverstone wurde deutlich, dass Audi den Druck von Toyota bislang mit Gelassenheit ertragen kann. Man fährt mit den beiden R18 einfach fünf Runden länger pro Stint und spart sich so mindestens einen Stopp.

Titel-Bild zur News:

Toyota vor Audi: Wenn bei einem R18 nicht alles passt, dann wird es eng Zoom

In Ingolstadt sieht man diese Szenerie gern. Die Konkurrenz schläft nicht und fordert die Le-Mans-Dauersieger heraus. "Das war kein einfaches Rennen", bilanziert Audi-WEC-Rennleiter Dieter Gass im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Toyota war erwartet stark, aber wir haben es über Effizienz und Strategie hinbekommen. Ich persönlich war von den Unterschieden in Sachen Verbrauch überrascht. Ich hatte erwartet, dass Toyota ein bisschen länger fahren könnte. In Le Mans war der Unterschied nicht ganz so groß."

Ein Blick auf die Auswertung aller Boxenstopps zeigt die klaren Vorteile im taktischen Bereich: Der Siegerwagen von Audi stand insgesamt 7:11 Minuten beim Service (inlusive Stop-and-Go-Strafe), der zweite R18 verbrachte 7:47 Minuten an der Box, der Toyota hingegen verlor trotz problemloser Fahrt in Silverstone über neun Minuten bei der Mannschaft. Die Differenz von weit über einer Minute kann man bei dermaßen ähnlichem Speed kaum zufahren.

"Realistisch gesehen war es sehr gut. Speziell zur Mitte des Rennens haben wir ein paar Schockwellen in Richtung Ingolstadt gesendet. Wir mussten dann aber einsehen, dass Audi mit besserem Spritverbrauch im Vorteil ist", fasst Alexander Wurz das Rennen zusammen. "Der Toyota-Motor ist gut, auch vom Spritverbrauch. Das Hybridsystem ist sensationell. Noch effizienter können wir es nicht machen. Da müssten wir beim ACO vielleicht fragen, ob man das Reglement etwas anpassen kann."

Steht das Toyota-Heck zu sehr im Wind?

Der Hybrid-R18 darf 58 Liter Diesel mitführen, der Leichtbau-R18 60 Liter, in den Toyota passen 73 Liter Benzin. Der Tank des TS030 ist demnach also größer. Allerdings ist es aufgrund der Brennwert-Effizienz kaum möglich, mit einem Liter Benzin die gleiche Distanz zurückzulegen wie mit einem Liter Diesel. "Wir können mit dem Setup noch ein bisschen mehr herausholen. Da sammeln wir derzeit noch Erfahrungen", meint Wurz.

Bei der Abstimmung des TS030 muss man noch den passenden Kompromiss zwischen Abtrieb und Topspeed finden. Dem Toyota fehlten in Silverstone an der Radarmessung zwischen zwölf (im Training) und acht km/h (im Rennen). Das neue Heck am LMP1-Japaner bringt zwar viel Abtrieb, aber es steht auch heftig im Fahrtwind. Dies erzeugt nicht nur einen geringeren Speed auf den Geraden, sondern auch nebenbei einen höheren Verbrauch.

"Die neuen Teile haben gut funktioniert. Wir sind konstant und definitiv haben wir das gleiche Tempo wie die Konkurrenz. Jetzt müssen wir den nächsten Schritt machen", meint Nicolas Lapierre. "Es fehlt eben noch der letzte Schritt nach ganz oben", ergänzt sein Toyota-Teamkollege Kazuki Nakajima. "Es war gut, dass wir problemlos durchfahren konnten. Für die nächsten Rennen brauchen wir einen größeren Tank, neue Regeln oder einen geringeren Verbrauch. Es ist schade, wenn man so viel Zeit in der Box verliert. Der reine Speed ist hervorragend", meint der Japaner.


Fotos: WEC in Silverstone


Während bei Audi der WM-Titel und ein weiterer Laufsieg in der WEC gefeiert wurden, war man letztlich auch bei Toyota zufrieden. "Wir haben nach nur zwei Rennen von Toyota gesehen, dass wir uns nicht verstecken müssen. Deshalb bin ich sehr happy", meint Wurz. Der Österreicher schaut auf den silbernen Pokal und meint lächelnd dazu: "Aber wir hätten lieber gewonnen, denn wir sind ja Vollblutracer." Und diese Chance könnte in einigen Wochen kommen.

Vorteil Hybrid in Bahrain am gößten?

Bereits in zwei Wochen gibt es in Brasilien das nächste Duell zwischen Audi und Toyota. Aufgrund der Streckencharakteristik rechnen sich die Japaner allerdings in Interlagos keine allzu großen Chancen aus. Da man am Benzinverbrauch kurzfristig kaum etwas ändern kann, muss man sich auf die bisherigen Stärken besinnen. Und diese Stärken kommen eindeutig vom gut funktionierenden Hybridsystem. Dies wurde in Silverstone im dritten Sektor deutlich.

"Das war erstaunlich", meint Silverstone-Sieger Benoit Treluyer. "Als ich hinter dem Toyota fuhr, habe ich jederzeit Druck machen können, doch im letzten Sektor ist er mir einfach weggefahren. Ich brauchte dann fast die gesamten beiden nächsten Sektoren, um wieder richtig dran zu sein." Der TS030 schickt seine Hybridpower auf die Hinterachse. Die Elektromotoren dürfen das Auto sofort beim Herausbeschleunigen anschieben, während das Audi-System an der Vorderachse erst bei Tempo 120 km/h einsetzen darf.

In Silverstone konnte der Superkondensator im Toyota Ende des zweiten Sektors und zweimal im dritten Sektor aufgeladen werden. Dort stand also die meiste zusätzliche Leistung zur Verfügung. Die Sektorenzeiten belegen, dass die Japaner diesen Vorteil auszunutzen wussten. Dort war der TS030 messbar schneller als beide Audi R18. Allerdings gewinnt man kein Rennen mit einer Sektorenbestmarke allein.

Alexander Wurz rechnet sich in Bahrain und China gute Siegchancen aus Zoom

"Wir müssen schauen, dass wir immer Druck auf die Audi-Leute machen. Dann machen auch die mal Fehler", schmiedet Wurz einen Plan für die kommenden WEC-Rennen. Toyota wird die Erkenntnisse aus Großbritannien schnell umsetzen und das neue Aeropaket besser ausnutzen. "Außerdem kommen uns Strecken wie Bahrain oder Schanghai vermutlich etwas entgegen. Vielleicht können wir dort mal ganz oben auf das Treppchen steigen", so der Österreicher.

"Die machen echt tolle Arbeit, Gratulation an Toyota", lobt Treluyer die neue Konkurrenz aus Köln-Marsdorf. "Aber in gewissen Bereichen fehlt noch das letzte Stückchen. Im Motorsport weiß man, dass diese letzten Details oft schwierig in den Griff zu bekommen sind. Sicher ist aber auch, dass sie nach nur zwei Rennen verdammt stark sind. Wir müssen hoch konzentriert bleiben."