"250 U/min sind nichts" - Mehr Drehzahl ist laut Rea kein Vorteil für Kawasaki

Die Maximaldrehzahl der Kawasaki in der Superbike-WM wird erneut angehoben: Jonathan Rea erklärt im Exklusiv-Interview, welchen Effekt die Änderung hat

(Motorsport-Total.com) - Unmittelbar vor dem Beginn des WSBK-Wochenendes in Imola (Italien) haben die Verantwortlichen der Superbike-WM die Maximaldrehzahlen von zwei der fünf Motorräder angepasst. Während Yamaha, Honda und BMW wie bisher weiter machen können, muss Ducati 250 U/min opfern und Kawasaki erhält 250 U/min mehr (zur Meldung mit der Übersicht der Drehzahlen aller Motorräder). Im Lager von Ducati herrscht Unverständnis, denn lediglich ein Fahrer fährt an der Spitze.

Titel-Bild zur News: Jonathan Rea

Jonathan Rea erwartet durch das neue Drehzahl-Limit keine neuen Kräfteverhältnisse Zoom

Aber wie sieht die Situation bei Kawasaki aus? Helfen die Zugeständnisse, um die in die Jahre gekommene ZX-10RR wieder siegfähig zu machen? Wir haben uns in Imola exklusiv mit Rekord-Weltmeister Jonathan Rea getroffen.

"Ich bezweifle, dass wir diese Drehzahl nutzen können", grübelt Rea im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Wir haben in Barcelona bereits 250 U/min mehr erhalten und konnten das nicht nutzen. Es ist auf unsere Motorspezifikation zurückzuführen. Unser Motor erreicht seine Spitzenleistung bereits bei niedrigeren Drehzahlen."

Kawasaki-Teammanager Guim Roda bestätigte in Imola, dass Kawasaki weiterhin mit der Drehzahl vom Saisonstart fährt. Um die zusätzlichen 500 U/min nutzen zu können, muss Kawasaki einige Änderungen am Motor vornehmen. Es wird erwartet, dass es im finalen Teil der Saison ein umfassendes Upgrade gibt.

Werden die Drehzahl-Anpassungen überbewertet?

In der Vergangenheit gab es einige Kontroversen rund um die maximalen Drehzahlen. Als Kawasaki drei Titel in Folge sicherstellte, reagierten die WSBK-Verantwortlichen und entwarfen ein Balance-System, das mit der Maximaldrehzahl arbeitet. Doch diese Änderung stoppte Kawasaki nicht. Es folgten drei weitere WM-Titel.

Jonathan Rea

WSBK 2017: Jonathan Rea testete beim Saisonfinale die reduzierte Drehzahl und gewann trotzdem Zoom

"Sie haben uns damals 1.400 U/min genommen. Das war von 2017 zu 2018", erinnert sich Rea, der den Titel schon vor dem Saisonfinale sichergestellt hatte. "Beim finalen Rennen 2017 in Katar bin ich bereits mit der reduzierten Drehzahl gefahren, um es zu testen. Ich konnte damals beide Rennen gewinnen."

Jonathan Rea

Jonathan Rea im Gespräch mit Redakteur Sebastian Fränzschky Zoom

"Natürlich verbessert mehr Drehzahl die Beschleunigung. Doch andererseits ist das Motorrad mit weniger Drehzahl einfacher zu fahren. Die Kawasaki liefert ihr Drehmoment bei niedrigeren Drehzahlen. Klar, mit mehr Drehzahl hat man mehr Spielraum, was die Übersetzung angeht und kann sich vielleicht einige Gangwechsel sparen. Aber 250 U/min sind nichts", winkt Rea ab.

Wie Jonathan Rea mit der neuen Situation in der WSBK umgeht

Nach sechs Titel kämpfte Rea 2021 mit Toprak Razgatlioglu um den Titel und unterlag beim Saisonfinale in Indonesien nur knapp. Im Vorjahr hatte Rea stärker zu kämpfen und verlor in der zweiten Saisonhälfte den Anschluss an Alvaro Bautista. In diesem Jahr ist Rea kein WM-Anwärter, denn bereits zur Halbzeit der Saison liegt der Brite 194 Punkte zurück.

Alvaro Bautista, Jonathan Rea

Alvaro Bautista hatte zuletzt leichtes Spiel bei den Duellen mit Jonathan Rea Zoom

Wie hat sich das auf Reas Motivation ausgewirkt? "Zu Beginn war es frustrierend, vor allem im Vorjahr. In der Saison 2021 duellierte ich mich mit Toprak und verlor die Meisterschaft nur um 13 Punkte. Doch 2022 war es wirklich schwierig. Es war nicht einfach, zu akzeptieren, einen so großen Rückstand zu haben. Doch irgendwann schließt man damit seinen Frieden."

"Man realisiert, dass man ein anderes Paket hat. Ich kann nur mit dem fahren, was ich habe. Man muss die Motivation aus kleinen Dingen ziehen und sollte nicht nur an Siege denken, denn das ist mit unserem Motorrad und den aktuellen Regeln nicht realistisch. Man muss sich mit seinen Ingenieuren kleine Ziele stecken, wie die Verbesserung der Wheelie-Control, der Motorbremse oder solchen Dinge", erklärt Rea.


Fotos: Superbike-WM 2023: Imola (Italien)


"Wenn man dann ein Podium anpeilt und dieses Ziel erreicht, dann hat man seine Arbeit gut gemacht", schildert der sechsmalige Weltmeister. "Es war schwierig, sich darauf einzustellen. Doch sobald man damit seinen Frieden schließt, dann hat man den neuen Normalzustand erreicht."

Alvaro Bautista hat laut Jonathan Rea noch "viel in der Hinterhand"

Während Rea und Razgatlioglu am absoluten Limit kämpfen und viel riskieren müssen, sieht es oft danach aus, als ob Bautista spielerisch von Sieg zu Sieg fährt. Bautista selbst versucht zwar immer wieder, zu betonen, dass er hart kämpfen muss, doch Rea hat einige Zweifel.

Alvaro Bautista

Ducati-Pilot Alvaro Bautista gewann bisher alle Hauptrennen Zoom

"Er hat noch einen gewissen Spielraum, um noch schneller zu fahren", ist Rea überzeugt. "Er weiß das auch, denn er sitzt auf dem Motorrad. Wenn er will, dann fährt er davon. Seine Taktik ist es, Zweikämpfe zu vermeiden. Wenn er in einem Rennen die Entscheidung trifft, davonzufahren, dann ist er weg."

Rea will die Leistungen von Bautista aber nicht schmälern. "Er ist der einzige Fahrer, der bei Ducati dieses Niveau erreicht. Er holt das Beste heraus", lobt Rea die Erfolge des Spaniers. Man sieht im Rennsport immer, ob jemand noch etwas in der Hinterhand hat. Und er hat noch sehr viel in der Hinterhand", ist Rea überzeugt.