• 14.12.2010 12:10

  • von Stefan Ziegler

Theissen: "Unser Programm ist der BMW M3 GT2"

Auch in der neuen Saison wird sich BMW stark im GT-Sport engagieren - In seiner Medienrunde spricht Mario Theissen über die sportliche Ausrichtung 2011

(Motorsport-Total.com) - Ein erfolgreiches Rennjahr geht zu Ende: BMW erzielte in der American Le-Mans-Series (ALMS) den Titel und war auch bei den großen 24-Stunden-Rennen in Europa in der Spitzengruppe zu finden. Diese Projekte finden im kommenden Jahr ihre Fortsetzung, denn die Bayern konzentrieren sich auch 2011 wieder sehr stark auf den Langstrecken-Sport. In seiner Medienrunde erläutert BMW Motorsport Direktor Mario Theissen, wie das Programm von BMW für die neue Saison im Detail aussieht.

Titel-Bild zur News: Mario Theissen (BMW Motorsport Direktor)

BMW Motorsport Direktor Mario Theissen blickt voraus auf das Rennjahr 2011

Frage: "Mario, wie lautet Ihre Bilanz zum abgelaufenen Jahr 2010 aus sportlicher Sicht?"
Mario Theissen: " Wir hatten als Kernpunkt natürlich das BMW M3 Programm, womit wir nach 2009 auch in diesem Jahr mit Rahal-Letterman in der ALMS vertreten waren. Parallel dazu bestritten wir die großen 24-Stunden-Rennen in Europa mit dem Schnitzer-Team. Wir hatten eine Saison mit vielen Dramen, wie das im Langstrecken-Sport ganz üblich ist. Trotzdem finde ich diesen Langstrecken-Sport sehr faszinierend."

"Wenn ich auf die Saison zurückblicke, muss ich sagen: In den USA lief es sehr gut. Das Team hat sehr gut gearbeitet und war erfolgreich. Im Finale gelang es uns, den Team- und Herstellertitel zu holen. Ich sagte eben schon: Es gab dramatische Momente. Das war in diesem Fall ein solcher. Man musste kurz vor dem Ende noch einmal ein Splash & Dash machen - und unsere Konkurrenz von Ferrari hat sich da verzockt, sodass sie ein paar hundert Meter vor dem Ziel ausrollten. Wir haben dabei regelrecht den Titel geerbt."

"Umgekehrt war es bei den 24 Stunden in Spa-Francorchamps. Dort haben wir das Rennen dominiert, hatten irgendwann im Verlauf der Nacht aber einen kleinen Kontakt, wobei eine Spurstange verbogen wurde. Wie man das mit einer krummen Spurstange macht, sind wir zehn Stunden weitergefahren. Da ist ja noch nie was passiert (lacht; Anm. d. Red.)"

"40 Minuten vor dem Finale brach sie schließlich. Wir waren vorne und haben dadurch die Spitze verloren. Letztendlich belegten wir die Positionen drei und vier. Das aus sportlicher Sicht schwierigste Rennen war Le Mans, wo unser Auto einfach nicht konkurrenzfähig war. Wir waren dazu gezwungen, das Fahrzeug für Le Mans zu modifizieren und waren noch nicht komplett aussortiert. Obendrein hatten wir einen Air-Restriktor, der uns auf den Geraden chancenlos machte."

"Dass das Auto dann ausfiel, hat dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Für uns war es trotzdem eine fantastische Veranstaltung - wegen des Art Cars von Jeff Koons. Dieser Rennwagen stieß auf eine enorme Resonanz. Für uns war Le Mans - die Vorbereitung und dann die Woche vor Ort mit Jeff Koons - ein tolles Erlebnis."


Fotos: 24h-Rennen Nürburgring, Rennen


"Es ist einfach eine ganz andere Atmosphäre. Er hat sich voll reingehängt und machte sich zum Teammitglied. Im Rennoverall war er beim Start dabei. Das war auch für uns ein sehr spezielles Erlebnis. Dann bleiben noch die 24 Stunden am Nürburgring. Ein großer Erfolg. Auch dieses Rennen ging nicht ohne Dramen über die Bühne - sowohl bei der Konkurrenz als auch bei uns."

"In den zwei letzten Stunden hat beim führenden Auto das Getriebe Zug um Zug nachgegeben. Uwe Alzen und Jörg Müller trugen das Auto zuletzt wirklich ins Ziel. Wir gewannen und das war wohl der größte Einzelsieg, auch von der Resonanz. Für mich sind die 24 Stunden am Nürburgring das größte Tourenwagen- und GT-Rennen weltweit. Was Le Mans für die Prototypen ist, sind die 24 Stunden am Nürburgring für GT- und Tourenwagen."

"In diesem Jahrzehnt waren wir mit Schnitzer viermal am Start und gewannen dreimal, darunter zwei Doppelsiege. Es war wirklich fantastisch, bei der Rückkehr diesen Sieg zu holen, obwohl wir nicht der große Favorit waren - auch von der Einstufung her."

"Vor ein paar Wochen hatten wir noch ein Finale in Zhuhai, das ebenfalls von Schnitzer und mit einem Auto bestritten wurde. Jörg Müller und Dirk Werner gewannen dieses letzte Rennen und das war sozusagen das Tüpfelchen auf dem i für die Saison mit dem BMW M3 GT2."

Stefan Wackerbauer und Mario Theissen

Stefan Wackerbauer hat die Sichtung des Formel BMW Talent-Cups gewonnen Zoom

"Ich kann noch ein paar Takte zur Formel BMW sagen. Wir haben uns frühzeitig in diesem Jahr dazu entschieden, die Rennserien, die wir in Europa und Pacific im Rahmen der Formel 1 hatten, nicht weiterzuführen. Es wurde einfach zu teuer - zu teuer für die Fahrer. 300.000 Euro kostete es mittlerweile. Es war zu teuer für die Teams und auch zu teuer für uns."

"Deswegen haben wir ein neues Konzept erstellt, das auf den Namen Formel BMW Talent Cup hört und im kommenden Jahr beginnt. Die Eckwerte sind: 100.000 statt 300.000 Euro und es ist eher eine Schulserie als eine Rennserie. Die Streckenzeit ist mindestens so umfangreich wie bisher und größer als in jeder anderen Nachwuchs-Rennserie."

"Es wird eine sehr fundierte Ausbildung für den Nachwuchs geben, der dieses Programm durchaus auch parallel zur letzten Kartsaison abwickeln kann. Damit starten wir im neuen Jahr. Die Sichtung ist gerade abgelaufen. Ich bin sehr gespannt, wie sich das entwickelt. Wir kriegen sehr positive Rückmeldungen zum Konzept - von jedem, der es sich näher angeschaut hat. Das Ganze muss jetzt natürlich erst einmal bekannt werden."

GT: Ähnliches Programm wie 2010

Frage: "Das war nun schon ein kleiner Ausblick auf 2011. Was erwartet uns denn noch alles im kommenden Jahr?"
Theissen: "In Bezug auf die Formel BMW war's das schon. Auf der GT-Schiene wollen wir ein sehr ähnliches Programm fahren, wie in diesem Jahr. Das heißt: Wir fahren wieder die komplette American Le-Mans-Series und wieder mit Rahal-Letterman. Wir möchten auch erneut bei den drei 24-Stunden-Klassikern am Start sein, doch hierbei sind einige Fragen offen, auch was das Reglement angeht."

"Es ist der Plan, Spa nur für GT3- und GT4-Autos auszuschreiben. Damit wären wir mit dem BMW M3 nicht startberechtigt. Im Hinblick auf den Nürburgring und Le Mans müssen wir einfach noch abwarten, wie unser Auto eingestuft sein wird. Eine Situation wie in Le Mans 2010 wollen wir sicherlich nicht mehr erleben. Wenn das aber alles funktioniert, dann werden wir diese Rennen wieder fahren - auch mit den entsprechenden Vorbereitungsläufen."

Frage: "Was können Sie schon zu den Engagements der Fahrer sagen?"
Theissen: "Wir haben in diesem Jahr einen Fahrerkader, von dem ich begeistert bin. Es hat sowohl von der Performance als auch von der Teamarbeit her perfekt funktioniert. Wir hatten viel Spaß zusammen und das wollen wir beibehalten."

Andy Priaulx, Augusto Farfus

2011 werden Andy Priaulx und Augusto Farfus wieder im M3 GT2 sitzen Zoom

"Das heißt: Für die Europasaison werden wir auch im kommenden Jahr dieselben acht Fahrer haben: Andy Priaulx, Jörg Müller, Augusto Farfus, Dirk Müller, Dirk Werner. Dann die Spezialisten für die Nordschleife, Uwe Alzen und Dirk Adorf, und als achten Mann Pedro Lamy, der ja immer auch ein anderes Engagement hat, aber bei uns einfach eine feste Größe ist. Er ist so erfahren und kennt das Team, die Kollegen, das Auto. Ihn kann man quasi 'unvorgewärmt' ins Auto setzen."

"Damit stehen die Acht für Europa. In den USA werden wir zwei US-Amerikaner am Start haben: Bill Auberlen und Joey Hand. Dirk Müller wird - wie schon in diesem Jahr - dort fahren. Der vierte Mann wird 2011 Dirk Werner sein. Er wird die komplette ALMS bestreiten."

Frage: "Was hat in der ALMS gegen Tommy Milner gesprochen und für Dirk Werner?"
Theissen: "Vom Team kam der Wunsch, einen Wechsel zu machen. Wobei ich persönlich sage: Tommy Milner hat sich sehr gut entwickelt und hatte eine gute Saison mit ein paar starken Rennen. Aus meiner Sicht wäre ein Wechsel nicht nötig gewesen. Er hat dann ein Angebot bekommen und damit ist der Wechsel vollzogen worden. Für uns war Dirk Werner in dieser Situation erste Wahl."

Frage: "Werden die GT-Einsätze in Europa wieder vom Team Schnitzer durchgeführt?"
Theissen: "Ja."

Frage: "Die 24 Stunden von Spa werden 2011 eventuell als GT3- und GT4-Event abgehalten. Was halten Sie davon?"
Theissen: "Unser Programm ist der BMW M3 GT2. Darauf konzentrieren wir uns. Wir warten jetzt einfach einmal ab, was da passiert. Ich will nicht ausschließen, dass da ein BMW Z4 GT3 fährt, aber das ist nicht unser Plan."

Kundenprogramm mit dem Z4

Frage: "Audi hat im R8 schon seit Längerem ein Kundenmodell, Mercedes macht das jetzt mit dem SLS. Wie sieht es diesbezüglich im Hinblick auf das Kundensport-Programm von BMW im GT-Bereich aus?"
Theissen: "Wir haben das auch - im BMW Z4 GT3. Wir schauen uns das Auto bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit gerade näher an. Gehen Sie davon aus, dass wir für das kommende Jahr ein Entwicklungspaket bringen werden. In der GT4-Kategorie bleibt der BMW M3 unverändert."

Frage: "Wie ist es aus BMW Sicht im kommenden Jahr um den Intercontinental Le-Mans-Cup (ILMC) bestellt?"
Theissen: "Das Ganze ist noch nicht vollkommen stabil. Es gibt schon jetzt Verschiebungen und Veränderungen im Kalender. Wir schauen uns das an. Wenn wir in Le Mans fahren, dann können wir uns auch vorstellen, das eine oder andere ILMC-Rennen, vielleicht auch die ganze Serie zu fahren. Da müssen wir einfach einmal sehen, wie die Saison verläuft. Die US-amerikanischen Rennen sind eh durch Rahal-Letterman abgedeckt, in Le Mans wären wir ebenfalls am Start - praktisch so wie in diesem Jahr."

Frage: "Das künftige Programm klingt sehr spannend. Weshalb haben Sie sich denn dazu entschieden, das Ganze in Zukunft nicht mehr als BMW Motorsport Direktor zu begleiten?"
Theissen: "Die Entscheidung liegt eigentlich schon ein Jahr zurück. Damals, als wir aus der Formel 1 ausgestiegen waren und die Saison beendet hatten, habe ich einmal sehr eingehend mit meinem Chef Klaus Draeger zu Rate gesessen. Wir haben diskutiert, wie es weitergeht."

"Schon damals haben wir vereinbart, dass ich ein bestimmtes Paket übernehme - bestehend aus der Ablösung von Sauber und der Neustrukturierung von BMW Motorsport. Es galt immerhin, 200 Mitarbeiter aus dem Formel-1-Bereich unterzubringen. Wir haben alle bei BMW untergebracht und einige sind auch jetzt wieder dabei. Dann war es ebenfalls meine Aufgabe, die Außenverhältnisse zu schaffen, dass BMW in die DTM gehen kann."

"Dabei ging es hauptsächlich um die Frage des internationalen Reglements, für das wir uns sehr stark eingesetzt haben. Als das Konturen annahm, war es meine Aufgabe, ein DTM-Programm zu entwerfen und auch intern beim Vorstand zur Entscheidung zu bringen. Weiterhin muss ich alles zum Laufen bringen, was dazu gehört, damit dieses DTM-Programm erfolgreich funktioniert. Wenn all das passiert, sagten wir, dass es Sinn machen würde, an einen Nachfolger zu übergeben, damit dieser dann nicht während der ersten Rennsaison, wenn ich wirklich 60 werde, vor vollendeten Tatsachen steht, die er nicht mehr beeinflussen kann."

"Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, dass mein Nachfolger zu Beginn des neuen Jahres kommt. Das hat genau so geklappt. Wir haben ein halbes Jahr Überlappung und Jens Marquardt kann sich - ich sage nicht in aller Ruhe, aber doch sehr gründlich - an alle Themen heranarbeiten und dann mit einem fliegenden Start übernehmen. Aus meiner Sicht ist das die perfekte Lösung. Mir ging es weniger um den Zeitpunkt. Es ist ein Jahr eher als der übliche Zeitpunkt bei BMW. Mir ging es um die beste Lösung und auch um den richtigen Zeitpunkt im Sinne des Projektes."