Röhrl: Das Genie auf Rädern wird 60
Walter Röhrl im Porträt: Wie er seinen Job bei der Kirche für die Rallyekarriere kündigte und was er sich zu seinem 60. Geburtstag wünscht
(Motorsport-Total.com/sid) - Wer sich auf den Weg zu Walter Röhrls Haus in St. Englmar macht, kann buchstäblich erfahren, warum sich der zweimalige Rallye-Weltmeister in der Märchenkulisse des Bayerischen Waldes niedergelassen hat. Kurvige Bergstraßen führen hinauf in den Luftkurort, durch dunkle Waldstücke und entlang an rauschenden Gebirgsbächen. Das ideale Terrain für einen Motorsportler, der abseits der Pisten die Ruhe sucht und dem üblichen Pomp der Szene gerne entflieht. Am 7. März feiert der von Niki Lauda zum "Genie auf Rädern" geadelte Röhrl seinen 60. Geburtstag.

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Walter Röhrl kann mit 60 auf eine echte Bilderbuchkarriere zurückblicken
Seine Wünsche fallen gewohnt bescheiden aus: "Ich brauche weder einen Hubschrauber noch ein Haus in Florida. Um glücklich zu sein, reicht es mir, wenn ich gesund bin und mich sportlich betätigen kann", sagt der "Lange" aus Regensburg, der es vom Chauffeur beim Bischöflichen Ordinariat in seiner Heimatstadt nach Meinung einer Expertenjury zum "besten Rallyefahrer aller Zeiten" gebracht hat.#w1#
Eigentlich wollte Röhrl Skifahrer werden
Dabei kam Röhrl zufällig zum Motorsport und strebte nach dem aktiven Rudern eine Karriere im alpinen Skisport an. Doch sein Freund und Rallyefahrer Herbert Marecek brauchte 1968 für die Bavaria-Rallye im Fiat 850 Coupe einen Beifahrer und überredete Röhrl zum Einsatz. Als Marecek bei einer Probefahrt merkte, dass dieser Mann mehr Talent hat als er selbst, ließ er seinem Kumpel und der Szene keine Ruhe mehr.
"Nach jeder Rallye hat er Leserbriefe an die Fachzeitungen geschrieben. Und tatsächlich: Nach der fünften Rallye hat der Chefredakteur von der 'Rallye Racing' die Fachleute angerufen und gesagt: 'Gebt dem Verrückten aus dem Bayerischen Wald doch ein Auto. Ich glaube, das ist wirklich ein Talent'", erinnert sich Röhrl. "Am 23. Dezember 1970 kam ein Telegramm: Vertragsabschluss für 1971/72 perfekt. Bitte Termin zur Unterschrift. Da habe ich gesagt: 'Okay, kündige ich bei der Kirche und unterschreibe.' Meine Mutter ist durchgedreht. Rückblickend war das aber gar nicht so verkehrt."
Zwei WM-Titel und der noch immer ungebrochene Rekord von vier Siegen bei der legendären Rallye Monte Carlo auf vier verschieden Fabrikaten - nur eine kleine Auswahl seiner langen Erfolgsliste. "Geschwindigkeit hat mich nie interessiert, sondern immer dieser Perfektionswahn. Das Auto musste mir gehorchen wie der kleine Finger", erklärt Röhrl. Nach Meinung von Experten und Kollegen gelang ihm das wie keinem anderen Rallyefahrer zuvor und danach. Neun Millionen Kilometer sind mittlerweile in seiner rund 40 Jahre andauernden Karriere zusammengekommen, noch immer ist er unter anderem für Porsche die Hälfte des Jahres in Sachen Motorsport unterwegs.
Loeb und Alonso sind Röhrls WM-Favoriten
Das Geschehen in der Szene verfolgt er ebenfalls weiterhin aufmerksam. Sebastian Loeb (Rallye) und Fernando Alonso (Formel 1) sind für ihn in dieser Saison die Favoriten. Michael Schumacher sei ein Besessener, dem nach seinem Rücktritt etwas fehlen werde, aber ein Comeback "wäre das Dümmste, was er machen könnte." Ralf "ist nicht vergleichbar mit seinem Bruder, das ist eine andere Kategorie." Nun sei es aus deutscher Sicht an Nick Heidfeld, Biss zu zeigen.
Vielleicht, so Röhrls Hoffnung, entpuppt sich das Karriereende des siebenmaligen Weltmeisters Schumacher sogar als Starthilfe: "Für die gesamte Szene ist sein Rücktritt gar nicht mal schlecht, denn es war ja alles auf ihn konzentriert." Zudem dürfte es für seinen Geschmack ein bisschen weniger Show im Motorsport sein: "Das Entscheidende des Sports bleibt doch, dass man nah am Volk ist, sonst entschwebt das und wird irgendwann zum Zirkus", findet Röhrl.
Noch immer sagt der Bayer, was er denkt. Und auch zu seinem 60. Geburtstag bleibt er sich treu: Statt ein rauschendes Fest zu geben und sich feiern zu lassen, hat sich Röhrl zu seinem Ehrentag eine Skitour auf einen österreichischen Alpengipfel in der Nähe seiner Hütte in Saalbach/Hinterglemm vorgenommen. Allein, oder im ganz kleinen Kreis.

