Who is... Denny Hamlin? (2)
Fünf Jahre im Sprint-Cup und fünfmal im Chase: Denny Hamlin hat sich den Vizetitel der Saison 2010 redlich verdient - trotz Kreuzbandriss im Januar
(Motorsport-Total.com) - Wer sich heute mit Denny Hamlin unterhält, der findet einen 30-jährigen NASCAR-Star vor, der trotz aller Berühmtheit mit beiden Beinen fest im Leben steht. Vokabeln wie Arroganz oder Hochmut tauchen nicht im Verhaltensrepertoire des amtierenden Vizechampions auf, dazu ist der Gibbs-Pilot eine viel zu ehrliche Haut. Und auch seine Herkunft hat er nicht vergessen.

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Achtmal stand Denny Hamlin in der Saison 2010 in der Victory Lane
"Ich hatte kein Geld, das ich auf den Tisch legen konnte. Auch mein Nachname war nicht berühmt und hat mir daher auch niemals weitergeholfen. Meine Türe ging auf, weil ich immer Leistung gebracht habe. Und meine Geschichte zeigt, dass das Nachwuchssystem der NASCAR funktioniert. Nicht nur für mich, sondern für eine Menge anderer Piloten auch."
"Ich bin sehr zufrieden, dass sich viele große NASCAR-Teams auf den regionalen Strecken umsehen und neue Talente sichten. Das war vor ein paar Jahren noch nicht so, aber das hat sich geändert. Ich hoffe nur, dass meine Geschichte die Leute dazu ermuntert, das so etwas nach wie vor möglich ist." Wie im Fall Hamlin, der 2006 plötzlich mit den Big Boys in Daytona fuhr, nachdem er zwei Jahre zuvor nur als Special Guest von Dale Earnhardt Jr. Zugang zur Boxengasse bekam.
Seine erste volle Sprint-Cup-Saison 2006 begann er mit einem wahrhaftigen Paukenschlag, als er gleich zum Auftakt das Budweiser Shootout auf dem legendären Superspeedway in Florida gewann. Hinter ihm kamen Kumpel "Junior" und fast gleichauf sein damaliger Teamkollege Tony Stewart ins Ziel: "Ich wusste, dass Tony hinter mir lag", berichtete Hamlin danach. "Aber das war völlig okay, denn in den letzten fünf Runden erlitt ich beinahe einen Nervenzusammenbruch."
Daytona war ein klassischer Hamlin-Auftakt und der Youngster zündete sofort einige weitere Raketen: Im März 2006 gewann er das Busch-Rennen von Mexiko City und stellte damit unter Beweis, dass er auch auf Rundstrecken erfolgreich am Lenkrad drehen kann. Im Cup holte er auf dem Trioval von Pocono zweimal die Pole-Position und zweimal den Sieg, zudem qualifizierte er seinen schwarzen Gibbs-Toyota locker für den Chase.
Wie das Idol Bill Elliott

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Normal geblieben: Für die NASCAR-Fans hat Denny Hamlin immer Zeit Zoom
In 20 von 36 Saisonrennen kam der Rookie in die Top 10 - eine wahrlich phänomenale Leistung in einer Debütsaison auf dem höchsten NASCAR-Level. Lediglich mit einem Virginia-Heimsieg entweder in Martinsville oder in Richmond wollte es (noch) nicht klappen. Zweimal landete Hamlin auf Rang zwei hinter Jimmie Johnson beziehungsweise Dale Earnhardt Jr.
In beiden Fällen hätte Hamlin übrigens im jeweiligen Rennfinale die Möglichkeit gehabt, den Führenden von der Strecke zu räumen. Er tat es nicht. "Du schläfst einfach besser und du bekommst mehr Respekt, wenn du es richtig machst", unterstreicht Hamlin. Sein Crewchief Mike Ford verriet damals: "Ich weiß, wie sehr er in Martinsville gewinnen wollte. Er hat sich vorbildlich verhalten und das zeigt mir, welche Gesinnung er in sich trägt."
Hamlins Kindheitsidol ist übrigens "Million-Dollar-Bill" Elliott, dessen Crewchief Mike Ford für einige Jahre ebenfalls war: "Bill war sehr geduldig. Er weiß, wie man schnell unterwegs ist, er holt das Maximum aus seinem Equipment heraus, ohne ein Foul zu begehen. Denny ist jung und natürlich etwas aggressiver. Aber im Prinzip ähneln sich die beiden sehr."
Was aber nicht bedeutet, dass in Hamlin kein unbändiger Siegeswille steckt. "Ich bin der schlechteste Verlierer der Welt", sagte er einmal über sich selbst. "Das gilt genauso für Golf oder Bingo auf einer Familienfeier." Oder für verlorene Wetten. Bei einem Test in Charlotte wettete Hamlin mit einem Crewmitglied, dass er es schaffen würde, in neun Sekunden den Team-Truck zu umrunden.
Mit der linken Hand wollte er sich in vollem Lauf an der Frontpartie des Trucks festhalten, doch die Schwerkraft und der scharfe Stahl waren stärker - Hamlin fuhr die folgenden Wochen mit einer bandagierten Hand. "Ab und zu habe ich das Gefühl, dass ich mit einem erwachsenen Zehnjährigen arbeite", witzelte Crewchief Ford damals lapidar.
2007 aggressiver als 2006

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Hamlins schwarzer Gibbs-Chevrolet des Jahrgangs 2007 Zoom
Einem höchst erfolgreichen Zehnjährigen, denn Hamlin beendete seine Debütsaison 2006 in der Gesamtwertung hinter Jimmie Johnson und Matt Kenseth auf Gesamtrang drei. Titelverteidiger und Gibbs-Platzhirsch Tony Stewart verpasste sogar den Chase und wurde blasser Elfter. Die Titelambitionen im Hause Gibbs musste der Rookie-of-the-Year 2006 aufrechterhalten. Hamlin holte in der modernen Ära der NASCAR nicht nur die höchste Punktzahl eines Neulings, er war bislang auch der einzige Rookie, der auf Anhieb in den Chase kam.
Eine Steigerung erhoffte sich Hamlin in der Winterpause durch eine strenge Diät, nach der er binnen zwei Monaten zehn Kilo abspeckte. Auch auf der Rennstrecke zeigte er sich 2007 ungewöhnlich aggressiv: Als im Frühjahr einige Boxenstopps in Folge schief gingen, forderte er massiv und in aller Öffentlichkeit personelle Veränderungen in seiner Crew. Beim Sommerrennen von Daytona geriet er dermaßen mit Teamkollege Tony Stewart aneinander, dass Teambesitzer Joe Gibbs persönlich einfliegen musste, um zwischen den beiden Streithähnen zu schlichten. In Dover gab es zu allem Überfluss noch eine handfeste Rangelei mit Kyle Petty.
"Im ersten Jahr versuchst du dir eine Menge Freunde zu schaffen und du gehst mit sehr viel Respekt an die Sache heran", urteilte Hamlin damals. "Das bin ich zweifellos immer noch, aber dieses Jahr fühle ich mich viel sicherer. Im Chase zu sein und zu wissen, wie es funktioniert, das gibt mir viel Sicherheit." Leider geriet sein persönlicher Chase-Auftakt 2007 zu einem mittelschweren Fiasko.
Die Plätze 15, 38 und 27 in den ersten drei Playoff-Events führten dazu, dass er plötzlich an der zwölften und letzten Stelle der Chase-Kandidaten rangierte. "Ich will nicht von einem verflixten zweiten Jahr sprechen, wir sind immerhin im Chase", so Hamlin. "Zu Beginn der Playoffs hatten wir einfach nur Pech, und das war etwas, was wir letztes Jahr nicht hatten." Übrig blieb ein magerer Saisonsieg im Benzinpoker von New Hampshire und Rang zwölf in der Gesamtwertung 2007.
Doch die Saison 2007 brachte das Gibbs-Team trotzdem erheblich nach vorne: Kyle Busch wurde verpflichtet, was Hamlin zu 100 Prozent begrüßte: "Außerhalb der Rennstrecke habe ich zu keinem anderen Piloten eine bessere Beziehung wie zu Kyle", verriet er. Auch der Herstellerwechsel als neue Speerspitze bei Toyota sollte die ganze Mannschaft mittelfristig nach vorne bringen.
Die Engel von Pocono

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In Pocono gewann Denny Hamlin insgesamt vier Sprint-Cup-Rennen Zoom
Schon Ende März 2008 dominierte Hamlin sein Heimrennen von Martinsville. 371 der 500 Runden lag der Gibbs-Toyota in Front, er sicherte sich seinen ersten von heute vier Martinsville-Erfolgen. Doch dieser Sieg sollte in der gesamten Saison 2008 sein einziger Triumph bleiben. Achtmal fuhr Hamlin in diesem Jahr auf Rang drei und wurde am Ende Gesamtachter.
Knapp sieben Millionen US-Dollar an Preisgeld verdiente er in einem eher unauffälligen Jahr, in dem Jimmie Johnson, Carl Edwards und - vor allem zu Saisonbeginn - sein neuer Gibbs-Teamkollege Kyle Busch die Hauptrollen spielten. Letzterer gewann acht Saisonrennen und zog als Führender in den NASCAR-Chase, wo er jedoch kein Bein mehr auf den Boden brachte.
Gleiches galt für Hamlin. Erst im August 2009 feierte Hamlin in Pocono seinen fünften Sprint-Cup-Erfolg. Ein trauriger Sieg, denn drei Tage zuvor war Großmutter Thelma Clark im Alter von 91 Jahren gestorben. Sie schrieb den berühmten Brief an Jeff Gordon und war einer seiner glühendsten Fans. "Sie hat die ganze Woche darauf gewartet, Denny fahren zu sehen", erzählt Mutter Mary Lou gerne. "Das hat sie am Leben gehalten." Bei der Siegerehrung war Hamlin den Tränen nahe: "Heute haben mir die Engel geholfen."
50 Rennen lang konnte der Gibbs-Pilot zuvor nicht gewinnen. Nach Pocono glückte ihm dies noch in Richmond, Martinsville und zum Saisonfinale 2009 in Homestead. Rechnet man danach seine erfolgreiche Saison 2010 hinzu, war Pocono sozusagen der Wendepunkt. Ob Grandma Thelma an einem anderen Ort die Fäden fest in der Hand hält?
Wie dem auch sei, Hamlin ging mit großer Zuversicht in die Winterpause. "Ich werde nächstes Jahr eine Rolle im Titelkampf spielen", lautete sein Versprechen, das er zu den Jahresabschlussfeierlichkeiten in Las Vegas von sich gab. Auf der Rechnung hatten ihn jedoch die Wenigsten, was sich am 21. Januar 2010 noch einmal verstärken sollte.
Das vermeintliche Aus

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Ein harter Hund: Denny Hamlin und sein frisch operiertes Knie Zoom
"Ich wollte in Richtung Korb laufen, als mein linkes Knie urplötzlich nach links ausbrach", schilderte Hamlin den Unfallhergang beim Basketballspielen. Bereits im Dezember hatte er sich einer geplanten Meniskus-Operation unterziehen müssen. Die Januar-Diagnose hätte kaum schlimmer ausfallen können: Riss des vorderen Kreuzbandes.
Zunächst beschloss das Team, eine Operation - wenn möglich - bis zum Saisonende hinauszuzögern. Doch der Plan ging nicht auf: Keine einzige Top-10-Platzierung in den ersten fünf Saisonrennen und ein sehr durchwachsener 19. Gesamtrang. Vor Martinsville zog das Gibbs-Team die Notbremse und kündigte eine Operation an. Prompt gewann Hamlin in einem dramatischen Finale sein erstes Saisonrennen und legte sich zwei Tage später unter das Messer.
Es war ein kühner Schachzug, denn am folgenden Wochenende machte der NASCAR-Tross eine seiner wenigen Pausen. Nur 14 Tage nach der OP wollte Hamlin wieder fahren. Casey Mears stand als Ersatzmann bereit, falls seine Schmerzen zu groß werden würden. Doch Hamlin zeigte sich eisern: "Solange sie es schaffen, dass ich in meinem Cockpit sitzen kann, werden sie Probleme bekommen, mich da wieder raus zu holen."
Was folgte, war ganz einfach bemerkenswert: Hamlin gewann mit seinem frisch operierten Knie vier der nächsten neun Sprint-Cup-Rennen. Er machte seine oft belächelte Prognose vom Saisonbeginn wahr und erwuchs im Sommer 2010 zum großen Johnson-Konkurrenten. "Alles, was ich zu diesem Thema sagen kann: Wenn sich die Dinge so entwickeln, wie es in den letzten zehn Rennen geschah, dann wächst dein Selbstvertrauen geradezu in den Himmel."
Pünktlich zum Chase kam in Richmond Saisonsieg Nummer sechs: "In dieser Saison gehe ich mental völlig klar in die Playoffs. Wir haben sechs Siege auf dem Konto und ich sage klipp und klar: Wir können auf allen zehn Strecken gewinnen." In Martinsville und Texas setzte er dies erfolgreich um, nach Texas eroberte Hamlin sogar die Tabellenführung.
Das Beste kommt noch...

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Denny Hamlin hat noch eine lange NASCAR-Karriere vor sich Zoom
Der Rest ist bekannt: Ein fehl geschlagener Spritpoker in Phoenix und der Kontakt mit Greg Biffle in Homestead sorgten dafür, dass das Sprint-Cup-Ruder noch einmal hauchdünn in Richtung Johnson kippte. Hamlin blieb der Vizetitel, Kleinigkeiten entschieden gegen das Team mit der Startnummer 11. Doch seine Kampfansage von 2009 gilt auch ein Jahr später.
"Wir können stolz erhobenen Hauptes aus der Saison gehen. Wir werden im Winter hart arbeiten und Jimmie nächstes Jahr schlagen." So sieht es auch der Teamchef: "In jedem professionellen Sport gewinnt man nur, wenn auch das letzte Detail stimmt", erklärte Joe Gibbs. "Denny ist noch sehr jung. Er wird jetzt erwachsen. Ich bin mir ganz sicher, dass wir noch viele sehr gute Jahre vor uns haben."
Heute wohnt Hamlin in einem Anwesen am Lake Norman, etwas nördlich von Charlotte. Sein Nachbar ist nicht zufällig Joe Gibbs himself. Seine Eltern wohnen in Hamlins altem Haus, dessen Nachbar wiederum J.D. Gibbs heißt. Die Mama ist nach wie vor Vorsitzende des Hamlin-Fanclubs. Er begründet: "Ich denke, es hält dich am Boden, wenn du dich mit den Menschen umgibst, mit denen du aufgewachsen bist. Das rückt viele Dinge in eine gute Perspektive. Du kannst zwar immer noch diesen Lifestyle genießen, aber es führt dazu, dass du für alles dankbar bleibst."
Es sieht also ganz so aus, als wäre die Zusammenarbeit Hamlin/Gibbs eine äußerst langfristig angelegte Angelegenheit. Im Sprint-Cup-Team ist Denny Hamlin mit seinen 30 Lenzen sozusagen der deutliche Alterspräsident. Denn die Gibbs-Truppe mit Hamlin, Kyle Busch (25) und Youngster Joey Logano (20) ist das mit großem Abstand jüngste Sprint-Cup-Spitzenteam.
Eigentlich ist Bösewicht Kyle Busch derjenige, dem nachgesagt wird, am ehesten in die Titelfußstapfen eines Tony Stewarts treten zu können, der zwei von drei NASCAR-Titeln der Gibbs-Mannschaft holen konnte. 2010 hat gezeigt, dass auch Hamlin dazu in der Lage ist. Oder wie es sein großer Mentor Jim Dean gerne formuliert: "Das Beste von Denny haben wir noch gar nicht gesehen."

