• 03.01.2011 00:19

  • von Pete Fink

Who is... Denny Hamlin? (1)

Denny Hamlin lieferte Jimmie Johnson bis zum bitteren Ende einen harten Kampf: 'Motorsport-Total.com' stellt den Aufsteiger der NASCAR-Saison 2010 vor

(Motorsport-Total.com) - Kein Zweifel: Denny Hamlin war sicherlich der Überraschungsmann der Sprint-Cup-Saison 2010. Kaum ein Szenebeobachter hatte den Gibbs-Piloten auf seiner persönlichen Titelrechnung für das gerade abgelaufene NASCAR-Jahr. Und spätestens nach seinem Kreuzbandriss im Januar 2010 schien die Frage eher zu lauten, ob Hamlin überhaupt noch Chase-Chancen besitzen würde. Doch es kam bekanntlich alles ganz anders.

Titel-Bild zur News: Denny Hamlin

Denny Hamlin ist der amtierende Vizechampion der NASCAR

Bis zum allerletzten Rennen in Homestead hatte der schwarze Gibbs-Toyota mit der Startnummer 11 die Nase in der Gesamtwertung vorne und landete am Ende auf Rang zwei. 'Motorsport-Total.com' stellt den äußerst sympathischen und immer auf dem Boden der Tatsachen gebliebenen Vizechampion der NASCAR-Saison 2010, der für gewöhnlich geradeheraus sagt, was er denkt, etwas genauer vor.

In seinem Reisepass steht zwar James Dennis Alan Hamlin, doch die gesamte NASCAR-Welt nennt den heute 30-Jährigen aus Chesterfield im US-Bundesstaat Virginia nur Denny. "Ich begann wie so viele andere Jungs mit dem Kartfahren, als ich sieben Jahre alt war", erinnert er sich an seine Anfänge. "Ich gewann gleich mein erstes Rennen und das hat dazu geführt, dass ich eine Woche später wieder im Kart saß. So ging es Woche für Woche weiter, der Ball begann zu rollen."

Insgesamt stolze 186 Karterfolge konnte Hamlin auf seinem Konto verbuchen, unter anderem die Staatsmeisterschaft von Virginia. Im Alter von 16 Jahren saß er dann zum ersten Mal in einem Stockcar. Es handelte sich natürlich um eine Mini-Stockcar-Serie und der Teenager zeigte auch dort sofort auf: "Es war der Langley Speedway in Hampton, Virginia und ich gewann gleich mein erstes Rennen. Zudem holte ich in der Qualifikation einen neuen Streckenrekord."

Erst zu diesem Zeitpunkt wurde dem offensichtlichen Talent klar, "dass ich ein Rennfahrer werden möchte." Es folgte der klassische Schritt in die Late-Model-Serie, die Hamlin mit dem familieneigenen Team unternahm. "Klar waren meine frühen Erfolge maßgeblich dafür verantwortlich, dass mich meine Familie so sehr unterstützt hat." Und wie. Nicht nur Haus, Grundstück und Betrieb - Hamlins Vater führte einen lokalen Trailer-Shop - wurden beliehen, der gesamte Clan beteiligte sich an der Promotionsarbeit für Denny. Ein Beispiel?

Der Brief der Oma

Denny Hamlin

Ein gewohntes Bild 2010: Denny Hamlin feiert einen Saisonsieg Zoom

"Lieber Herr Gordon, ich bin eine 80-jährige Großmutter, die einen 16-jährigen Enkel hat. Mein Enkel fährt - wie sie - seit seinem siebten Lebensjahr Gokarts und hat mittlerweile weit über 100 Pokale gewonnen. Er lebt in Richmond und gemäß lokaler Experten macht er sich mittlerweile einen recht guten Namen. Vielleicht werden Sie eines Tages einmal gegen ihn fahren. Erinnern Sie sich bitte dann an den Namen Denny Hamlin." Diesen Brief schrieb Hamlins Großmutter Thelma Clark an keinen geringeren als Jeff Gordon.

Es war eine klassische Situation: Die Eltern Dennis und Mary Lou Hamlin beliehen ihr Grundstück gleich zweimal, sie leerten ihren Rentenfond und verkauften alle Autos im Familienbesitz, um den Sohnemann zu unterstützen. "Wir wollten eines Tages in unseren Rollstühlen sitzen und uns sicher sein, dass wir alles menschenmögliche für ihn getan haben", erinnert sich Mutter Mary Lou. "Wir wussten über das Risiko Bescheid. Und wir wussten, dass wir die einzigen sein würden, die im Fall des Misserfolgs darunter leiden würden."

Beinahe wäre es auch genauso gekommen. Bis zur Saison 2002 konnte die Hamlin-Familie ihr eigenes Late-Model-Team aufrechterhalten, dann ging ihr das Geld endgültig aus. Das Team wurde verkauft und Hamlins persönliche Zukunftsaussichten bestanden plötzlich darin, im familieneigenen Trailer-Shop als Schweißer zu arbeiten. Genau diese Neuigkeit erzählte Hamlin einem Kumpel, als er zu seinem vermeintlich letzten Late-Model-Rennen auf dem South Boston Speedway antrat.

In seiner Hörweite stand jedoch Jim Dean, seines Zeichens ein Teambesitzer der Late-Model-Serie. "Jim bekam mit, dass ich kein Geld mehr hatte, um weiterzumachen und er bot mir für das nächste Rennen eines seiner Autos an", erinnert sich Hamlin. "Er sagte zu mir: 'Wenn du nächste Woche nicht dabei bist und mein Team das Rennen gewinnt, dann haben wir den besten Piloten nicht geschlagen.'"

In allerletzter Sekunde

Denny Hamlin 2005

Denny Hamlin 2004: Babyspeck und der erste Busch-Test für Gibbs Zoom

Deans Version liest sich etwas genauer: "Ich habe ihn 2002 das ganze Jahr lang beobachtet. Er fuhr gegen meine Autos und wir hatten mit Abstand das beste Equipment. Sie hatten gar nichts, ihr Trailer sah aus wie eine Geisterstadt. Seine Eltern mussten das Auto verkaufen, weil sie eine Hypothek zurückzahlen mussten. Ich hatte zwei Möglichkeiten: Entweder ich bezahle, um ihn in Myrtle Beach fahren zu lassen, oder ich setze ihn gleich in eines meiner Autos."

Zufälligerweise trennte sich Dean am Montag darauf von einem seiner Fahrer und bat Hamlin um ein Telefonat am Dienstag. Hamlin: "Dabei hat er mir angeboten, für ihn zu fahren. Es war in Myrtle Beach. Wir holten die Pole, wir lagen jede einzelne Runde in Front und wir gewannen das Rennen. Dann fragte er mich, ob ich auch nächstes Jahr für ihn fahren wolle. Das war die Saison 2003, in der wir 25 von 35 Rennen gewannen. Es war ein unglaubliches Jahr."

Oder anders formuliert: Sein endgültiger Durchbruch. "Klar hatte er Glück", weiß Dean. "Aber er hat sich alles, was er erreicht hat, auch selbst verdient. Wenn er eine Chance bekam, dann hat er alle Erwartungen übertroffen und das Optimum herausgeholt. Er hatte keine Angst und der Erfolg ist ihm auch niemals zu Kopf gestiegen. Er hat all seine Chancen genutzt und genau das macht ihn als Mensch und Piloten aus."

Dean und Hamlin fuhren auch in der Late-Model-Saison 2004 von Sieg zu Sieg. Dann geschah das nächste kleine Wunder. NFL-Star Reggie White wollte ein Minority Development Programm starten und schloss sich dabei mit Joe Gibbs Racing zusammen. Das notwendige Equipment - drei Autos, zwei Transporter und die Ersatzteile - sollte komplett von Deans Team kommen.

Der Kontakt zum Gibbs-Team

Denny Hamlin J.D. Gibbs

2010 das beste Pferd im Stall: Teamchef J.D. Gibbs und Denny Hamlin Zoom

"Wir wollten zuverlässiges Material haben", erinnert sich Teamchef J.D. Gibbs an die Aktion. "Und Jim war ein Redskins-Anhänger, das hat sicherlich nicht geschadet." NASCAR-Fans wissen: Teambesitzer Joe Gibbs führte die Washington Redskins als Chefcoach dreimal zum Gewinn des Superbowls. Gleiches gilt übrigens für Hamlin: "Ich bin seit meiner Kindheit ein Fan der Redskins. In meinem Haus gibt es sogar ein Foto von Joe Gibbs und mir. Damals war ich zehn Jahre alt."

Gibbs-intern gelangte dieses Foto später zu einigermaßener Berühmtheit: Auf einer Weihnachtsfeier wurde die Aufnahme in das offizielle Video geschmuggelt. "Bei dieser Gelegenheit erzählte der kleine Denny meinem Vater, dass er eines Tages für ihn fahren werde", lacht J.D. Gibbs. "Was er dabei vergessen hat zu erwähnen, waren die paar Millionen US-Dollar, die uns sein Vertrag heute kostet."

Insgesamt bewarben sich 15 Kandidaten für dieses Programm, unter anderem auch Aric Almirola. Die Auswahl sollte auf dem Hickory Motor Speedway über die Bühne gehen und Hamlin war dazu auserkoren, die Dean-Autos einem ersten Shakedown zu unterziehen. "Wir dachten uns, dass er das Material bestens kennt, also war er die logische Wahl", erinnert sich J.D. Gibbs. Womit jedoch keiner rechnete: Hamlin fuhr in Hickory beim Shakedown einen neuen Streckenrekord.

Darauf hin nahm Curtis Markham, seines Zeichens ein erfahrener Late-Model-Pilot und später Hamlins Spotter, J.D. Gibbs für eine kleine Unterredung zur Seite. "Curtis war derjenige, der Denny wärmstens empfohlen hat." Beim Abendessen noch am gleichen Tag lernte Gibbs Hamlin kennen. Sie gaben ihm einen Development-Vertrag und ließen ihn in der zweiten Jahreshälfte 2004 fünf Truck-Rennen mit dem damaligen Gibbs-Satellitenteam von Steve Prescott fahren.

Gleich in seinem ersten Auftritt auf dem O'Reilly Raceway Park von Indianapolis holte Hamlin einen zehnten Platz, im Oktober 2004 folgte die nötige Superspeedway-Lizenz, als er im ARCA-Rennen von Talladega Dritter wurde. Eine kleine Randnotiz aus deutscher NASCAR-Sicht: In genau diesem Rennen, dem Food World 300, wurde der BAM-Dodge von Klaus Graf in Runde 55 in einen Massencrash verwickelt und als 29. gewertet.

Schnell in die zweite NASCAR-Liga

Denny Hamlin

Sprung in die zweite NASCAR-Liga: Denny Hamlin und seine Nummer 20 Zoom

Hamlins nächster großer Durchbruch stand jedoch noch bevor: Es war der 13. November 2004, das Bi-Lo 200 auf dem Darlington Raceway, Hamlins erstes Nationwide-Rennen (damals natürlich noch die Busch-Serie). Nach einem Testunfall waren die internen Erwartungen eher niedrig, zudem hatte Hamlin auf der legendären "Black Lady" noch keine einzige Runde gedreht. Ein großes Risiko.

"Er hatte das Auto komplett zerstört", erinnert sich J.D. Gibbs. "Aber für uns gab es damals keine andere Wahl: Wir wollten ihm die Chance geben. Mit Erfolg, denn gleich im ersten Freien Training war er Zweitschnellster." Zu einer Qualifikation kam es aufgrund einsetzenden Regens nicht, weshalb Hamlin als 27. startete - und am Ende Achter wurde. "Spätestens da wussten wir Bescheid, dass Denny ein ganz spezieller Fall war. So etwas siehst du nicht oft. Ich habe auch gesagt, dass wir ihn, wenn er unter die Top 10 kommt, unser Busch-Auto für die nächste Saison geben werden."

"Zu diesem Zeitpunkt war Mike Bliss unser Stammpilot", sagt Gibbs. "Ich mag Mike sehr, aber in der Realität war Mike nicht derjenige, der in Zukunft für uns im Cup fahren würde. Also habe ich unseren damaligen Sponsor Rockwell Automation gefragt, ob sie mit Denny zufrieden wären und sie sagten 'Ja.'" Das Versprechen wurde also eingelöst und plötzlich saß Hamlin in der gesamten Zweitligasaison 2005 in einem Auto von Joe Gibbs Racing.

Die Ankündigung kam übrigens am 18. November 2004, Hamlins 24. Geburtstag. 2005 entpuppte sich als ein grundsolides Lernjahr mit elf Top-10-Platzierungen in 35 Rennen. "Ich war mit dieser Saison sehr zufrieden, denn ich kann gar nicht beschreiben, wie viel Erfahrung ich in diesem Jahr sammeln konnte. Zudem stand das Team voll hinter mir, speziell Joe Gibbs." Hamlin landete in der Gesamtwertung der zweiten NASCAR-Liga 2005 auf Rang fünf.

Hamlin oder Terry Labonte?

Denny Hamlin

Ein großer Tag: Denny Hamlin wird 2005 als neuer Gibbs-Pilot bekanntgegeben Zoom

Parallel dazu hatte Joe Gibbs Racing im Cup natürlich Bobby Labonte (18) und Tony Stewart (20) im Einsatz. Doch das neue dritte Gibbs-Team mit der 11 und Jason Leffler am Steuer wollte nicht so recht durchstarten. Leffler hatte sogar große Probleme, in die Top 35 der Ownerwertung vorzustoßen, weshalb Gibbs zur Saisonmitte reagierte, und Altstar Terry Labonte hinter das Steuer ließ.

Nach Labonte erhielt noch J.J. Yeley eine Chance, bevor der Kelch am 9. Oktober 2005 in Kansas an Hamlin weitergereicht wurde. Sein erstes Cup-Rennen stand also bevor. "Ich habe Denny im Jahr 2003 erklärt, dass er doch bitte geduldig sein sollte", verrät sein Mentor Jim Dean. "Ich war mir sicher, dass er spätestens in zwei Jahren in einem Cup-Auto sitzen würde." Die Prognose des Late-Model-Teamchefs sollte sich also als richtig herausstellen.

Die Aufgabe war denkbar schwierig: "Als ich in Kansas ins Cup-Auto stieg, lagen wir nur drei Punkte vor Platz 36", erinnert sich Hamlin an sein erstes Rennen. "Sie haben mir geradeaus ins Gesicht gesagt: 'Wenn du Platz 35 nicht halten kannst, dann setzen wir wieder Terry Labonte ins Auto, denn er hat das Championship Provisional, das ihm einen Startplatz garantiert. Nur so können wir unseren Sponsor behalten." Der übrigens schon damals FedEx hieß.

Doch der Rookie überzeugte erneut: In den letzten sieben Saisonrennen 2005 holte er drei Top-10-Resultate. "Ich konnte in der Ownerwertung sogar ein paar Plätze gutmachen, was für das ganze Team ein großer Boost war." Mehr noch: Weil Hamlin im vorletzten Saisonrennen von Phoenix, seinem erst sechsten Cup-Auftritt, eine Pole-Position holte, qualifizierte sich der Neuling sogar für das Budweiser Shootout des Jahres 2006. Dies sollte gewaltige Folgen haben, über die Teil 2 der kleinen Denny-Hamlin-Story berichten wird.