Viele Fragezeichen in Charlotte
Zum Auftakt der diesjährigen NASCAR-Medientour in Charlotte hat es wesentlich mehr Fragen als Antworten gegeben: Punkte, Chase, TV, Sponsoren
(Motorsport-Total.com) - Mit einem Besuch bei Earnhardt/Ganassi Racing, Penske Racing und Stewart/Haas Racing begann am Montag die diesjährige Medientour in Charlotte, die noch bis Donnerstag andauern wird. Höhepunkt der kleinen Rundreise ist vermutlich der Mittwochabend, wenn NASCAR-Chef Brian France Stellung zu den Themen Punkteregelung und Chase-System beziehen wird.

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EGR: Juan Pablo Montoya, Chip Ganassi, Felix Sabates und Jamie McMurray
Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass 2011 die zehn punktbesten Piloten in die Playoffs kommen sollen. Dazu die zwei Fahrer, die in den ersten 26 Rennen die meisten Einzelsiege erzielen. Sollte es tatsächlich so kommen, dann würde dieses System inoffiziell wohl als die "Jamie-McMurray-Regel" in die NASCAR-Geschichte eingehen.
Denn der Earnhardt/Ganassi-Pilot gewann 2010 das Daytona 500, das Brickyard 400 von Indianapolis und später noch das Bank of America 500 in Charlotte. Drei extrem prestigeträchtige Rennen also, doch eine Titelchance blieb ihm verwehrt. "Das Punktesystem basiert auf dem Faktor Konstanz und wenn du nicht konstant genug bist, dann kommst du halt nicht in den Chase", urteilte McMurray. "Ich habe das nie hinterfragt. Klar könnte man lamentieren, aber so etwas mache ich nicht."
Ganassi-Mitbesitzer Felix Sabates gefällt die Idee, die Punkteregelung (43 Punkte für den Sieger, dann in Einerschritten bergab) einfach zu gestalten. Seine zusätzliche Anregung wäre ein Streichsystem, in dem nur 22 der 26 Qualifikationsrennen in die Wertung kommen. Seine Begründung: "NASCAR muss etwas machen, denn jetzt gefährdet ein unverschuldeter Unfall, ein kleiner Fehler von Fahrer oder Crewchief nicht nur ein Rennen, sondern eine ganze Saison."
Kürzere Rennen am Samstagabend?

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Die TV-Stationen wünschen sich spektakuläre Saturday-Night-Races Zoom
Dabei stieß er aber auch in den eigenen Reihen nicht unbedingt auf Gegenliebe: "Racing ist keine Lotterie", widersprach etwa Juan Pablo Montoya. "Wenn du vier schlechte Rennen von all denjenigen, die vor dir liegen, abziehen würdest, dann wären die Kollegen wahrscheinlich immer noch vor dir." Wie man die Dinge auch betrachten mag: Es dreht sich immer noch um den alten Gegensatz Konstanz oder Siege.
Letzteres würde übrigens den US-Medien gefallen, wie 'Fox'-Chef David Hall betonte. Sein Sender aus dem Murdoch-Imperium überträgt die ersten 13 Saisonrennen. Hall glaubt generell: "NASCAR weiß, dass sie ein paar Probleme haben, aber sie arbeiten hart daran, diese zu lösen." Eines davon betrifft die sinkenden Einschaltquoten. Vor allem gegen Saisonende, wenn die American Footballer ihr Jahr beginnen.
"Warum fährt NASCAR nicht einfach am Samstagabend und steht damit nicht mehr in direkter Konkurrenz zum Football", lautet eine seiner Anregungen. "Außerdem sind die Rennen viel zu lang. Heute haben die Leute so viele Möglichkeiten der Unterhaltung, sie sind sehr leicht abzulenken." Für den 'Fox'-Chef sollte ein NASCAR-Rennen daher bei drei Stunden Rennzeit gedeckelt werden.
Viele Aufgaben also für den großen NASCAR-Tanker, der seit einigen Jahren in recht unruhigen Gewässern fährt. Dabei ist laut Felix Sabates ein großer Unterschied in der Konzernführung zu erkennen. "Früher hatten wir mit Bill France einen wohlwollenden Diktator", weiß der alte NASCAR-Hase. "Entweder du warst auf seiner Linie oder du bist gegangen worden."
Immer noch die Nummer zwei

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Eher der Managertyp als der Diktator: NASCAR-Chef Brian France Zoom
"Brian France versucht, sich soviel Input wie möglich von so vielen Leuten wie möglich einzuholen. Die ganze Wirtschaft, die ganze Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Das geht auch an Brian nicht spurlos vorüber. Wir alle werden erst in zwei oder drei Jahren in der Lage sein, zu beurteilen, ob sich seine Veränderungen ausgezahlt haben oder nicht."
Doch zuviel Kritik ist auch nicht die Lösung. "Wir wissen alle, dass unsere TV-Quoten nach unten gehen", erklärte Ex-Crewchief und TV-Kommentator Larry McReynolds. "Aber warum stellt sich niemand hin und sagt den Menschen, dass wir nach der NFL immer noch die Nummer zwei sind? Und wenn wir in Michigan 25.000 leere Tribünenplätze haben, warum sagt niemand, dass trotzdem über 100.000 Zuschauer da sind?"
Natürlich stand der Charlotte-Auftakt auch im Zeichen von weiteren Sponsorenbekanntgaben (Earnhardt/Ganassi, Penske, aber auch Petty und Childress). Zudem wurde bekannt gegeben, dass Kevin Conway das Daytona 500 für das kleine Team von Joe Nemechek bestreiten wird. Penske-Pilot Kurt Busch wiederum wird im März sein Dragster-Debüt geben.
Wie also lautet das Montag-Fazit? "In Sachen Wirtschaft sind wir alle noch nicht ganz über den Berg", glaubt Stewart/Haas-Mitbesitzer Tony Stewart. "Die Arbeit mit und das Finden von Sponsoren ist wesentlich härter, als es noch vor 15 oder 20 Jahren war. Das Gute daran ist aber, dass nur ganz wenige Sponsoren den Sport verlassen haben."

