• 05.01.2008 08:43

  • von Pete Fink

Red Bull und die NASCAR (2)

Im zweiten Teil des großen Exklusivinterviews mit der Red-Bull-Teamführung geht es ausschließlich um einen Ausblick auf die zweite NASCAR-Saison

(Motorsport-Total.com) - Viele Testfahrten stehen derzeit im Fokus des Red-Bull-Teams, um die Vorgabe von Teamchef Günther Steiner, Sportdirektor Elton Sawyer und der Technische Direktor John Probst zu erfüllen, die klipp und klar lautet, nach den ersten fünf Saisonrennen mindestens einen Toyota Camry in den Top 35 zu sehen.

Titel-Bild zur News: Brian Vickers Red Bull

Volle Kraft voraus: Wie gut hat Red Bull das CoT-Programm angeschoben?

Wie dieser Plan umgesetzt werden soll, was der Penske-Punktetausch von Sam Hornish Jr. und Kurt Busch für Auswirkungen hat, wie Jacques Villeneuve eingeschätzt wird, und wie die Zusammenarbeit mit dem neuen Toyota-Team von Joe Gibbs Racing im Detail aussieht, erfahren die 'Motorsport-Total.com'-Leser im zweiten Teil des großen Exklusivinterviews mit der Red-Bull-Teamführung.#w1#

Frage: "Zur Saison 2008 - was sind die Ziele von Red Bull?"
Steiner: "Unser ganz klares Ziel kann es nur sein, in den ersten fünf Saisonrennen in die Top 35 zu kommen, da gibt es gar nichts anderes zu sagen. Wir hatten die Zeit, unsere Lektionen zu lernen und nun liegt es an uns, diese Lektionen auch in Resultate umzusetzen. Wir haben noch einmal einen Gang hoch geschalten."

"Natürlich haben wir einige Dinge unterschätzt, aber das gehört zu einem Lernprozess dazu. Man darf ja nicht vergessen, dass wir seit langer Zeit wieder das erste neue Team waren, die von der grünen Wiese aus alles aufgebaut haben. Normalerweise geht man her und übernimmt zumindest ein Busch-Team, aber wir haben von ganz vorne angefangen, und das ist schwierig."

Denn sie wissen, was sie tun

Günther Steiner Red Bull

Teamchef Günther Steiner will nach fünf Saisonrennen unter den Top 35 stehen Zoom

"Wenn man in eine der Top-Motorsportserien der Welt einsteigt, dann besteht die Konkurrenz aus Leuten, die diesen Job schon 20 Jahre und mehr ausführen, und diese Leute sind ja nicht dumm. Wir mussten also aufbauen und gleichzeitig aufholen."

"Und dann ist es auch nicht leicht, gute Leute ins Team zu holen. Die meisten richtig guten Leute arbeiten bereits in einem Top-35-Team, sie haben ihren Bonus auf die Seite gebracht, denn sie müssen ja ihre Familien ernähren. Sie arbeiten in einem guten Team und bleiben dort, warum sollten sie auch wechseln?"

"Es gab ja andere Teams, die angefangen, in dem sie ein Busch-Team gekauft haben und nach sechs Monaten festgestellt haben, dass sie die geschäftliche Seite des Ganzen komplett unterschätzt haben. Wir haben den Leuten aber gezeigt, dass wir da sind und auch in Zukunft da sein werden. Und wir haben bewiesen, dass wir nicht ein Haufen grüner Jungs sind, die nicht wissen, was sie tun."

"Wir stellen uns gerade auf, wir entwickeln nicht nur ein Car of Tomorrow, wir entwickeln ein ganzes Team. Und natürlich: Unsere Erwartungshaltung für die neue Saison ist ganz klar, nach den ersten fünf Saisonrennen wollen und müssen wir unter den Top 35 stehen."

Am CoT wird immer noch entwickelt

Brian Vickers Red Bull

Am neuen CoT gibt es auch 2008 noch jede Menge Einstellungsbedarf Zoom

Frage: "Wie hilfreich ist es dabei, nur noch ein Auto bauen zu müssen, nämlich das Car of Tomorrow. Ist dieser Effekt groß oder nur von mittelmäßiger Bedeutung?"
Probst: "Das macht uns das Leben definitiv einfacher. Denn in der vergangenen Saison mussten wir nicht nur das Car of Tomorrow von Grund auf designen, sondern als neues Team auch noch das alte Auto. Und beide Modelle natürlich für die verschiedenen Streckenkonfigurationen."

"Das CoT ist aber noch immer in vielen Bereichen völlig undefiniert, denn wir entwickeln immer noch spezielle Pakete für die unterschiedlichen Strecken. Für die Short-Tracks, für die Intermediate Speedways, für die Superspeedways und natürlich auch für die Rundstrecken."

"Denn obwohl bereits ein bestimmter Zeitraum mit dem CoT vergangen ist, und auch bereits ein erheblicher Betrag von Entwicklungszeit in das Auto investiert wurde, sind wir immer noch am austesten, welche Federn, welche Stoßdämpfer und so weiter man im Detail benötigt, um das Auto in mindestens sechs verschiedenen Kategorien schneller zu machen."

Nationwide-Einsätze noch offen

Scott Speed

Cup-Tests kämen für NASCAR-Einsteiger Scott Speed noch zu früh Zoom

Frage: "Einige Teams arbeiten dabei auch mit Testfahrern. Red Bull hat jetzt Scott Speed an Bord. Ist er schon in der Lage, Tests zu bestreiten? Oder ist geplant, dass Brian Vickers und A.J. Allmendinger die gesamte Testarbeit bestreiten werden?"
Steiner: "Um Scott als Testfahrer nutzen zu können, müssen wir ihn zunächst aufbauen, bevor er uns weiterhelfen kann. Bis jetzt saß er nur dreimal in einem Stock Car, und ihn bereits jetzt als Testfahrer einzusetzen, würde für uns ein hohes Risiko darstellen."

"Wenn wir testen, dann nutzen wir unsere beiden Fahrer und falls nötig Tim Fedawa, einen ehemaligen Busch-Fahrer (333 Busch-Rennen; Anm. d. Red.). Aber wenn sich Scott entwickelt, dann werden wir auch ihn benutzen, denn er ist ein Red-Bull-Athlet, aber im Moment wäre das noch zu früh."

Frage: "Gibt es Pläne, dass Vickers und Allmendinger 2008 auch Busch-, beziehungsweise Nationwide-Rennen bestreiten werden?"
Steiner: "Das müssen wir noch erörtern, das wissen wir noch nicht."

Frage: "Wie sieht A.J. Allmendinger die neue Saison?"
Sawyer: "Ich kann natürlich nicht für A.J. sprechen, aber wenn man sieht, wie gut er sich an das Car of Tomorrow gewöhnt hat, was ja ab sofort das Car of Today sein wird, dann ist das natürlich ein großes Plus für ihn. Und auch die Tatsache, dass er nunmehr alle Strecken kennt, wird ihm zu Gute kommen. Das sieht man übrigens bereits mit einem Blick auf die Saison 2007, denn überall da, wo wir ein zweites Mal hinkamen, war seine Performance gegenüber dem ersten Besuch viel besser."

Simulationen bei den Testfahrten

A.J. Allmendinger Red Bull

Auch bei den Wintertests kann man die Qualifikation simulieren Zoom

Frage: "In der neuen Ownerwertung starten jetzt alle wieder bei Null. Wenn sich A.J. oder Brian in jedem der ersten fünf Saisonrennen qualifizieren könnten, dann wären sie in den Top 35?"
Sawyer: "Ja, davon kann man ausgehen. Wenn man sich für alle fünf Rennen qualifiziert, dann ist man ziemlich sicher in den Top 35. Oder anders ausgedrückt - man müsste schon sehr viel Pech haben, wenn man dann nicht in den Top 35 stehen würde, selbst wenn man im Rennen immer nur auf Platz 42 oder 43 landen würde."

Frage: "Anders herum gedacht, wenn Red Bull garantieren könnte, dass beide Autos im Rennen sind, dann hat man dieses so wichtige Saisonziel erreicht. Wie kann man es bewerkstelligen, dass beide Autos in Daytona, Fontana, Las Vegas, Atlanta und Bristol im Rennen sind?"
Sawyer: "Der einzige Weg, wie wir das zu 100 Prozent garantieren können, ist, wenn es beim Qualifying der ersten fünf Rennen immer regnet (beide Red Bull stehen in den Top 43; Anm. d. Red.). Alles, was wir darüber hinaus machen können, ist noch mehr erfahrene und gute Leute an Bord zu holen und uns optimal auf den Saisonstart vorbereiten. Sowohl in Sachen Vorbereitung des Autos, als auch beim Testen."

Frage: "Wie ist das in der NASCAR, kann man beim Testen die Situation in der Qualifikation simulieren?"
Probst: "Das Problem ist, dass man nicht die Reifen bekommen wird, die man am Rennwochenende im Qualifying fahren wird, und man darf auch nicht auf den Strecken testen, auf denen später gefahren wird. Aber es gibt Strecken, die denen, wo später gefahren wird, sehr ähnlich sind."

"Für uns hat das tatsächlich die Konsequenz, dass wir beim Testen hauptsächlich Short Runs fahren. Wir machen zwar auch ein paar Long Runs, aber meistens fahren wir nur zwei oder drei Runden. Dann rufen wir die Autos herein und nehmen Änderungen vor."

"Aber wir müssen eben auch das große Bild im Auge behalten, denn - wie Elton vorher sagte - wenn wir ins Rennen kommen und dann im Rennen immer nur auf Platz 42 oder 43 landen, dann könnte es zumindest theoretisch passieren, dass wir dann trotzdem nicht in den Top 35 stehen."

Kurt Busch und Villeneuve als neue Konkurrenz

Kurt Busch

Mit Ex-Champion Kurt Busch taucht plötzlich ein starker Konkurrent auf Zoom

Frage: "Das Problem ist aber doch, dass vier der ersten fünf Rennen entweder auf einem Superspeedway oder aber auf einem schnellen Intermediate-Oval gefahren werden, bevor mit Bristol ein Short-Track kommt. Nur sind mit dem CoT noch nicht viele Rennen auf einem großen Speedway gefahren worden. Wie beeinflusst dies die Vorbereitungen von Red Bull?"
Probst: "Beim einzigen Superspeedway-Rennen mit dem CoT in Talladega haben wir uns recht gut qualifiziert, wir waren Dritter und Neunter. Und auch bei den offiziellen CoT-Tests in Atlanta hatten wir am Ende beide Autos in den Top 10. Von daher sieht es eigentlich ganz gut aus, aber wir lassen uns da nicht aufs Glatteis führen. Aber wir können schon davon ausgehen, dass zumindest unsere einzelnen Teile wettbewerbsfähig sind."

Frage: "Ganz aktuell hat Penske die Punkte getauscht. Daher ist Sam Hornish Jr. fix qualifiziert und mit Kurt Busch taucht plötzlich ein echtes Kaliber im Kreis der Zeitqualifikanten auf. Wie geht ihr mit dieser Situation um?"
Steiner: "Ganz klar, das macht uns die Sache nicht einfacher. Aber wenn man auf diesem Level Motorsport betreibt, dann ist nichts einfach. Wir arbeiten über Weihnachten und Neujahr durch und versuchen ab Daytona einfach besser zu sein."

Frage: "Jacques Villeneuve stößt ebenfalls in diesen Kreis dazu. Er hat schon aus seinen alten IndyCar-Tagen den Ruf, auf dem Oval verflixt schnell zu sein. Und er hat in beiden Qualifikationsversuchen zum Nextel-Cup in Talladega und in Phoenix den Sprung ins Hauptfeld geschafft. Er kann also durchaus ebenfalls ein Faktor werden..."
Sawyer: "Ja, ich glaube auch, dass man davon ausgehen kann. Ich kann ihm für seine Qualifikation in Phoenix auch nur gratulieren, denn das ist ein reiner Fahrerkurs. Aber man muss auch sagen, dass der Glückwunsch für Talladega eher zum Team gehen sollte, denn im Qualifying von Talladega kommt es sehr auf das Auto an. Den wirklichen Unterschied in Talladega sieht man erst im Rennen."

Über die Zusammenarbeit der Toyota-Teams

Tony Stewart

Mit Tony Stewart hat die Toyota-Fraktion plötzlich einen ganz starken Faktor Zoom

Frage: "Jetzt liegt die erste Saison hinter Team Red Bull und die Zweite steht vor der Türe. Wie schätzen sie ihre Ausgangslage ein. Ist die Situation zu Saisonbeginn eher leichter oder schwerer, als noch vor der Debütsaison?"
Steiner: "Gleich. Denn man geht ja mit derselben Einstellung an das neue Jahr heran. Man will im Wettbewerb bestehen. Wir wissen ja nicht, wie schnell wir entwickeln können, das können wir erst nach den ersten fünf Saisonrennen erkennen, ob wir dann in den Top 35 stehen, oder eben nicht."

"Wir müssen ganz einfach nach diesem Ziel ausgerichtet arbeiten. Wir können nur das Maximum dessen geben, was in uns steckt und dann müssen wir den Qualifikationsfreitag abwarten. Wir kennen grob unsere Konkurrenz, denn in diesem Winter kommen nicht so viele neue Teams dazu, wie noch im Vorjahr."

Frage: "Ein ganz wichtiges Thema ist noch die Aussage von Jim Aust, dem Präsidenten von Toyota Racing Developments, der kürzlich in einem Interview sagte, dass alle Toyota-Teams eine Art strategischer Partnerschaft eingehen werden. Die Rede war unter anderem von Datenaustausch mit Joe Gibbs Racing. Kann Red Bull diese Aussage bestätigen?"
Steiner: "Ja, das können wir bestätigen. Wir teilen die Daten, wir arbeiten mit Gibbs und Toyota zusammen. Das ist aber grundlegend nichts besonderes, denn das machen alle Hersteller. Die Frage ist, in welchem Umfang das geschieht."

"In wie weit uns das helfen wird, müssen wir noch sehen. Wir respektieren Gibbs als Team und sind glücklich, dass sie nun bei Toyota sind. Was wir feststellen werden, ist, wie gut unser Paket ist, denn Gibbs ist ein erfahrenes Siegerteam. Alle anderen Toyota-Teams sind entweder ganz neu oder gehören nicht unbedingt zur Spitze. "

Gibbs als Realitätscheck

Kyle Busch Joe Gibbs

Auch Kyle Busch stößt 2008 zur Toyota-Armada bei Joe Gibbs Zoom

"Ich nenne diese Möglichkeit gerne einen Realitätscheck für uns. Denn wenn man im Motorsport auf diesem Level operieren will, dann muss man in der Lage sein, gegenhalten zu können, ansonsten hat man hier nichts zu suchen. Und sicher ist Gibbs ein sehr gutes Team. Sie haben Rennen gewonnen, sie haben Meisterschaften gewonnen, sie werden für uns eine starke Meßlatte darstellen."

"Viele haben vielleicht gedacht, dass uns das nicht recht sein könnte, wenn wir plötzlich starke Konkurrenz im eigenen Camp haben. Aber das Gegenteil ist der Fall. Wir freuen uns darüber, denn wir können davon nur lernen und profitieren."

Frage: "Wie weit geht diese Zusammenarbeit? Werden nur Motorendaten geteilt, oder betrifft das auch andere Bereiche?"
Probst: "Nein, das betrifft auch Fragen des Chassis und der Aerodynamik. Wir haben zu Gibbs eine ganz ähnliche Mentalität, wir legen sehr viel Wert auf den technischen Aspekt, das passt sehr gut zu uns. Ich selbst habe mich schon mindestens fünfmal mit ihren Ingenieuren getroffen."

Frage: "Viele Leute sind der Ansicht, dass in der kommenden Saison Hendrick wieder die Nummer eins sein wird, aber als erster Herausforderer fällt oft der Name Gibbs. Wie ist die Sichtweise von Red Bull zu diesem Thema?"
Steiner: "Bevor man einmal beim Testen war, ist so etwas ganz schwer vorauszusagen. Natürlich hofft das jeder, denn wenn sie das können, dann sollten auch wir in der Lage sein, ähnliches zu erreichen. Aber meine persönliche Meinung zu diesem Thema ist: Wenn man so etwas prognostiziert, worin genau besteht die Begründung?"

"Ich hoffe natürlich, dass es so sein wird, und ich sage nicht, dass es nicht so kommen sollte, aber leider liegen noch keine Fakten auf dem Tisch. Wir jedenfalls haben für diese Aussage leider noch nicht die dazugehörigen Informationen."