powered by Motorsport.com

Wie Jeremy Burgess die MotoGP veränderte

Mechaniker Alex Briggs gibt einen Einblick in die Zusammenarbeit mit Crewchief-Legende Jeremy "JB" Burgess und erklärt, was Rossis Langzeitpartner ausmachte

(Motorsport-Total.com) - MotoGP-Ikone Valentino Rossi überraschte die Motorrad-Welt beim Saisonfinale 2013 in Valencia mit der Entscheidung, sich von Langzeit-Crewchief Jeremy Burgess zu trennen. Seit Rossis Aufstieg in die Königsklasse waren der extrovertierte Italiener und der clevere Stratege am Kommandostand das Traumgespann in der Motorrad-Weltmeisterschaft. Zwischen 2000 und 2013 gewannen Rossi/Burgess sieben WM-Titel und schrieben damit Geschichte.

Titel-Bild zur News: Valentino Rossi

Crewchief Jeremy Burgess und Valentino Rossi gehen 2014 getrennte Wege

Seit dem Nachsaisontest in Valencia kümmert sich Silvano Galbusera um die Organisation in der Rossi-Box. "JB", der im April 61 Jahre alt wird, hat mehr Zeit, um mit seiner Familie das Leben zu genießen. Im Yamaha-Werksteam hat Burgess eine Lücke hinterlassen, die so schnell nicht wieder ausgefüllt werden kann. Mechaniker Alex Briggs zählt zum erlesenen Kreis derjenigen, die mit der Crewchief-Legende zusammenarbeiten durften und die Nachricht vom Aus traurig aufgenommen haben.

"Der Motorradsport ist ein Sport, bei dem man sich nie sicher sein kann, was als nächstes passiert - auf der Rennstrecke oder in der Box. Es gibt kein Drehbuch, nichts ist endgültig. Die einzige Konstante ist, dass es real ist - so real das Leben nur sein kann", bemerkt Briggs. "Die Höhen sind so berauschend, dass man nie genug davon haben kann. Die Tiefpunkte sorgen für gehörige Bauchschmerzen und erschweren das Atmen. Doch all das sorgt dafür, dass sich die Nackenhaare aufstellen."

Briggs schwärmt von Burgess

"In diesem Sport gibt jeder alles, um am Ende ganz oben zu stehen. Was auch immer es kostet, JB weiß das besser als alle anderen. Ich habe die gesamten 21 Jahre, die ich im Straßenrennsport bin, mit ihm zusammengearbeitet. Er hatte mehr Erfolge als alle anderen in diesem Sport. Er hat mich all das gelernt, was ich über den Rennsport weiß, zudem noch eine Million Dinge mehr - er hat vermutlich mehr vergessen, als ich jemals wissen werde", unterstreicht der Rossi-Mechaniker.

"Er verlässt den Sport mit mehr Grand-Prix-Siegen als jeder andere Techniker in der Geschichte und tritt mit erhobenem Haupt ab", betont Briggs. Burgess hatte zwischen April und November meist nur wenig Zeit, sich um seine Familie zu kümmern. Durch die neu gewonnene Freizeit ändert sich das. Landsmann Briggs weiß, wie es ist, die Heimat und seine Familie für viele Monate verlassen zu müssen.

Valentino Rossi

Mechaniker Alex Briggs (re.) arbeitet seit vielen Jahren für Valentino Rossi Zoom

"Der Rennsport hat viele Vorteile, aber auch viele Nachteile, die man nicht ausblenden kann. Die Familie ist ein Punkt. JB muss dieses Opfer nicht mehr bringen und seine Mädels, seine Frau, der Hund und die Garage werden sich freuen, ihn zu sehen", ist sich der MotoGP-Mechaniker sicher, der stolz ist, an der Seite von Burgess gearbeitet zu haben. "Im Fahrerlager kennen ihn nicht viele Leute richtig. Ich kenne ihn. Wer ihn kennt, wird traurig sein, dass er nicht mehr dabei ist. Doch man darf sich glücklich schätzen, ihn gekannt zu haben, ihn getroffen zu haben oder mit ihm geredet zu haben."

Burgess revolutioniert die Abläufe

Burgess' Erfolge sind für die Ewigkeit. Weniger im Fokus stehen die Dinge, die der Australier salonfähig machte und damit die Arbeitsweise in der MotoGP revolutionierte. "Viele Leute in diesem Fahrerlager wissen nicht, warum sie bestimmte Prozesse oder Dinge so abhandeln. Sie werden sagen, dass sie "diese Dinge schon immer so gemacht" haben. Doch sie realisieren nicht, dass JB diese Abläufe eingeführt hat, seine Fahrer und Teams dadurch gewannen, jeder das mitbekam und dann übernahm", erläutert Briggs.

"Als ich anfing, kamen die Mechaniker zu unregelmäßigen Zeiten und wärmten die Motorräder zu verschiedenen Uhrzeiten auf. JB wollte immer, dass wir zwei Stunden vor dem Training an der Strecke sind, damit wir die Motorräder aufwärmen, sollte es ein Problem geben. Er meinte, dass wir im schlimmsten Fall noch immer genug Zeit hätten, um vor dem ersten Training einen Motor zu wechseln. Es kam selten vor, aber es kam vor! Nun wärmt beinahe jedes MotoGP-Team die Motorräder in dem 15-minütigen Zeitfenster um acht Uhr herum auf", veranschaulicht Briggs.


Fotostrecke: Von NSR500 bis RC213V: Alle MotoGP-Bikes von Honda in der Repsol-Ära

Die Geschichten überleben

Die Karriere von Burgess begann bereits Anfang der 1980er. Die Arbeit im Fahrerlager in den 1980ern und 1990ern kann mit den komplexen Abläufen heutzutage nicht mehr verglichen werden. Während seiner Zeit in der Motorrad-WM arbeitete Burgess mit Ikonen wie Mick Doohan, Randy Mamola oder auch Wayne Gardner zusammen. Entsprechend viele Erinnerungen und Geschichten gab der erfolgsverwöhnte Crewchief regelmäßig zum Besten.

"Ich denke, dass es nun an uns liegt, den Leuten, die ihn kannten, die Fahrerlager-Geschichten an die neuen Jungs weiterzugeben, wie es JB tat und uns Geschichten über die Isle of Man TTs, Suzuki UK, Freddie, Kevin, MR, John Brown, Barry, Wayne, Frank Spencer, Daytone, braune Papiertüten voller Geld, Frauen, Motorhomes erzählte. Die Liste ist richtig lang. Man hätte 15 Stunden pro Tag gebraucht, um in den 20 Jahren alle Geschichten zu hören", bemerkt Briggs.

Valentino Rossi Jeremy Burgess

Bei der Dutch TT in Assen feierten Burgess und Rossi ihren letzten gemeinsamen Sieg Zoom

Den Kontakt zu Burgess möchte Briggs nicht abreißen lassen. "Ich bin mir sicher, dass ich noch viele Bier mit ihm trinken werde, um mir Geschichten anzuhören. Es wird nur nicht mehr jeden Tag sein", bedauert er. "Ich weiß auch, dass er bei den meisten Rennen ein Bier trinken wird, wenn er uns zuschaut, wie wir versuchen, unseren Fahrer schneller im Kreis fahren zu lassen als die anderen Fahrer. Er wird uns sicher anfeuern. Es wird anders sein als in der Zeit, in der er uns anspornte, besser, schneller oder intelligenter zu agieren."