Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Pedro Acosta

Unglaublich viel Talent und tolles Charisma, aber viel zu viele Stürze - Pedro Acosta lädt zu viel auf seine Schultern und bringt nicht die notwendige Geduld mit

Liebe MotoGP-Fans,

Titel-Bild zur News: Pedro Acosta

Kein Fahrer im Feld ist so oft gestürzt wie Rookie Pedro Acosta Zoom

Phillip Island ist für mich neben Mugello die spektakulärste Rennstrecke im Kalender. Die Ducati-Dominanz war auch auf diesem flüssigen Layout erdrückend. Dass die Desmosedici wirklich auf jeder Strecke überlegen ist, mag vielleicht etwas langweilig sein, aber man muss den italienischen Ingenieuren dazu auch gratulieren.

Jorge Martin hat zwar das direkte Duell gegen Marc Marquez verloren. Aber er hat am Ende für die WM seinen Kopf eingesetzt und nichts mehr riskiert. Nun hat er wieder 20 Punkte Vorsprung auf Francesco Bagnaia. Das ist nicht wenig.

Ich hätte damit gerechnet, dass Aprilia der erste Herausforderer sein würde. Denn mit dem guten Kurvenspeed müsste Phillip Island für die RS-GP maßgeschneidert sein. Maverick Vinales konnte das wieder einmal nur im Qualifying mit Startplatz drei zeigen.

Im Grand Prix kam er dann direkt hinter Brad Binder als Achter ins Ziel. Dass Phillip Island für KTM ein schwieriges Pflaster sein würde, war im Vorfeld klar. Denn die RC16 bremst spät und tief in die Kurve hinein.

Diese Charakteristik war für Motegi optimal, aber für einen flüssigen Kurs weniger. Der siebte Platz von Binder ist deshalb in Ordnung. Aber von der Performance her war man von Ducati viel weiter weg als zuletzt in Japan.

Gar nicht dabei war Pedro Acosta. In Indonesien war der Spanier noch der "Party-Crasher" von Ducati. Mit dem zweiten Platz verhinderte er dort die totale Ducati-Dominanz. Dann hat er in Motegi stark aufgezeigt.

Im Sprint kämpfte Acosta bis zum Sturz um den Sieg. Im Grand Prix war er auch vorne dabei, ist aber wieder früh gestürzt. So mancher Beobachter meinte, dass er derjenige sein kann, der bald die Ducati-Dominanz durchbricht.

Pedro Acosta

Vier Podestplätze hat Pedro Acosta schon am Sonntag erobert Zoom

Nun kam eben Phillip Island. Wie eingangs erwähnt, war das im Vorfeld in der Theorie kein gutes Pflaster für KTM. Im Qualifying landete Acosta auf Startplatz 15. Im Sprint hat er sich bei einem Sturz die linke Schulter verletzt. Deswegen musste er den Grand Prix auslassen.

Es war von Anfang an klar, dass ein Rookie auch solche Wochenenden erleben wird. Da kann man ihm keinen Vorwurf machen. Aber Acosta führt die Sturzstatistik mit 24 an. Das ist schon ein sehr hoher Wert.

Wobei man auch festhalten muss, dass die KTM-Fahrer generell am häufigsten stürzen. Denn Binder und Jack Miller kommen auf je 17 Stürze und Augusto Fernandez auf 13. Das liegt also auch an der Charakteristik der RC16.

Acosta sagt ganz klar seine Meinung

Acosta ist ein Ausnahmetalent. Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Es ist eine Freude, ihm beim Fahren zuzusehen. Und er ist auch ein toller Charakter, der ganz klar das größere Bild versteht. Das imponiert mir.

Pedro Acosta

In Australien war von Pedro Acosta nicht viel zu sehen Zoom

Nach dem Montagstest in Misano habe ich ihn nach seiner Meinung zum kommenden Funksystem gefragt. Ich dachte mir, dass junge Fahrer von neuen technischen Gadgets begeistert sind. Aber er hat eine klar negative Meinung zum Funk.

Acosta ist jemand, der ganz klar seine Meinung sagt. Das ist gut. Er übernimmt auch Verantwortung, so wie er im Sommer einige Tage in Oberösterreich war, um sich in Ruhe mit den KTM-Ingenieuren zu unterhalten.

Bürdet sich der Youngster zu viel auf?

Das ist alles positiv! Aber ich frage mich, ob er sich selbst nicht schon zu viel aufbürdet. Das zeigen einerseits die vielen Stürze, andererseits will er natürlich die Nummer 1 sein. Ich finde, KTM-Testfahrer Pol Espargaro hat das gut ausgedrückt.

"Ich persönlich glaube, dass er sich die ganze Last von KTM auf die Schultern genommen hat", findet Espargaro. "Das ist für einen so jungen Kerl einfach zu viel, ungeachtet dessen, wie gut er ist."

"Er muss geduldig sein. Ich weiß, dass Talent und Erfolgshunger in seinem Alter nicht zwangsläufig Hand in Hand gehen mit Geduld. Aber wir tun alles was wir können, um die Lücke zu Ducati zu schließen."

Pedro Acosta

Bringt der 20-Jährige die notwendige Geduld auf? Zoom

Ob er diese Geduld aufbringt, ist fraglich. Motegi und jetzt Phillip Island sollten für Acosta eine Lehre sein. Ich bin mir sicher, dass er daraus auch seine Lehren ziehen wird. Denn Acosta hat alles, um ein ganz großer Champion zu werden.

Aktuell ist immer noch Marc Marquez das große Aushängeschild der MotoGP. Auch wenn Martin und Bagnaia den WM-Titel unter sich ausmachen, sind sie keine schillernden Persönlichkeiten. Beide ziehen nicht Fanmassen an. Das sehen wir auch an den Aufrufzahlen unserer Artikel.

Wenn sich Marquez eines Tages dazu entschließt, den Helm an den Nagel zu hängen, dann ist Acosta vom aktuellen Fahrerfeld derjenige, der diese Rolle übernehmen kann. Nämlich das große Aushängeschild unseres Sports zu werden.

Dafür muss KTM in den nächsten beiden Jahren technisch natürlich auch nachlegen. Denn mit seinem Talent und seiner Strahlkraft ist auch klar, dass Acosta für jede Marke ein ganz interessanter Fahrer ist.

Ihr,


Gerald Dirnbeck

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