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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Jack Miller

Der Favorit nur auf Platz neun: Ducati-Werkspilot Jack Miller kann die hohen Erwartungen nicht erfüllen, während seine Markenkollegen aufs Podium fahren

Titel-Bild zur News: Jack Miller

Platz neun beim MotoGP-Saisonauftakt war für Jack Miller ein enttäuschendes Ergebnis Zoom

Liebe Freunde der MotoGP,

126 Tage haben wir geduldig warten müssen, bis die Startampel der MotoGP wieder aktiviert wird. Gestern Abend war es dann endlich soweit.

Klar, es gab schon spannendere Katar-Rennen, was den Sieg angeht. Dennoch verfolgte ich das Rennen von Anfang bis Ende mit erhöhtem Puls. Ich hoffe, dass der MotoGP-Saisonstart Ihnen ähnlich viel Freude bereitet hat.

Unter uns: Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mein Geld definitiv nicht auf Maverick Vinales gesetzt hätte, der mit einer überzeugenden Leistung in die Saison 2021 gestartet ist und einige Kritiker verstummen ließ. Zu diesen Kritikern zähle ich mich zweifellos dazu. Chapeau, Maverick! Nun gilt es, diesen Schwung mitzunehmen und im Jahr eins nach Valentino Rossi bei Yamaha endlich die Führungsrolle zu übernehmen.

Johann Zarco, Maverick Vinales, Francesco Bagnaia

Das Podium: Maverick Vinales (mitte) gewinnt vor Johann Zarco (links) und Francesco Bagnaia (rechts) Zoom

Die Führungsrolle bei Ducati sollte in diesem Jahr Jack Miller übernehmen, womit wir beim Hauptakteur der heutigen Kolumne wären. Platz neun beim Saisonstart in Katar: Das ist sicher nicht das Ergebnis, was sich Miller auf der Ducati-Paradestrecke unweit der Hauptstadt Doha erhofft hatte.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass der Australier nicht gut geschlafen hat. In seiner Medienrunde in der vergangenen Nacht wirkte Miller enttäuscht. Das hatte natürlich seinen Grund.

Bei Ducati steht Jack Miller unter dem größten Druck seiner Karriere

Mit flapsigen Scherzen und seiner lockeren Art lenkte Miller vor dem ersten Rennen in Ducati-Werksfarben von der Verantwortung ab, die auf seinen Schultern lastet. Bei Ducati steht der Australier unter dem bisher größten Druck in seiner MotoGP-Karriere.

Bei Pramac agierte Miller stets im Schatten der Ducati-Werkspiloten. Es wurde erwartet, dass Andrea Dovizioso und Danilo Petrucci die führenden Ducati-Piloten sind. Jack Miller brachte diese Reihenfolge einige Male durcheinander und empfahl sich damit für den Aufstieg ins Werksteam. Doch vereinzelte Podestplätze reichen in diesem Jahr nicht mehr aus.

Jack Miller

Bei Pramac erwartete von Jack Miller niemand konstante Spitzenergebnisse, im Ducati-Werksteam schon Zoom

Jack Miller mit gebrauchten Reifen nicht schnell genug

Als Werkspilot muss Miller jetzt derjenige sein, der für Ducati regelmäßig um Siege und um die WM kämpft. Mit der Bestzeit beim Test ging die Erwartungshaltung sicher nicht nach unten.

Doch beim Saisonauftakt war Miller hinter Pramac-Nachfolger Johann Zarco und Ducati-Teamkollege Francesco Bagnaia nur drittbester Ducati-Pilot. Seine große Schwäche, die Performance gegen Rennende, wurde auch beim Grand Prix von Katar offensichtlich. Und das sogar sehr deutlich.

Hätte ich vor dem Wochenende mein Geld auf einen Fahrer setzen müssen, dann hätte ich wohl auf Miller getippt. Von allen Ducati-Piloten wirkte Miller am stärksten. Zudem sprach die Erfahrung für ihn. Mental wirkte er sehr stark und auf Grund der Ergebnisse der zurückliegenden Katar-Rennen hatte Ducati zweifellos die besten Karten.


Fotos: MotoGP: Grand Prix von Katar (Doha) 2021


Vergleiche mit Casey Stoner schmeichelhaft, aber auch belastend

Vor dem Wochenende fühlten sich viele Leute an Casey Stoner erinnert. Die Parallelen zu Jack Miller waren offensichtlich: Ein Australier auf einer Ducati, die in Sachen Topspeed und Innovationen überlegen ist. Miller fühlte sich von den Stoner-Vergleichen sichtlich geschmeichelt, doch irgendwie waren sie auch lästig.

Was dann schlussendlich beim Rennen am Sonntagabend passierte, hatte so gar keine Parallelen mehr zu dem, was Casey Stoner beim Katar-Grand-Prix 2007 veranstaltete. Damals setzte sich der Ducati-Rookie klar gegen Favorit Valentino Rossi durch. Was viele damals noch nicht wussten: Es sollte nur der Anfang sein.

Casey Stoner

Casey Stoner ist der nach wie vor einzige Fahrer, der mit Ducati die WM gewinnen konnte Zoom

Mit Platz neun konnte der Jack Miller die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Im finalen Renndrittel wurde Miller regelrecht durchgereicht. Dabei hielt er zu Beginn alle Trümpfe in der Hand. Nach dem Start diktierten die Ducati-Piloten das Rennen und konnten das Tempo kontrollieren.

Beim Start lässt Ducati die Konkurrenz hinter sich

Beim Sprint zur ersten Kurve zeigte sich, dass Ducati der Konkurrenz erneut einen Schritt voraus ist. Die neue Startvorrichtung der 2021er-Desmosedici ließ die Systeme der Konkurrenz lächerlich erscheinen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie Gigi Dall'Igna in der Ducati-Box gegrinst hat, als seine Fahrer an die Spitze stürmten.

Die Herausforderer mit den Yamahas und Suzukis fanden nach der Startphase des Rennens das denkbar ungünstigste Szenario vor und mussten sich durchs Feld kämpfen. Und trotz des Topspeed-Nachteils setzte sich mit Maverick Vinales schlussendlich eine Yamaha durch. Damit ging Ducatis Erfolgsserie auf dem Losail International Circuit zu Ende. Das hatte ich so wirklich nicht erwartet.

Francesco Bagnaia, Fabio Quartararo, Maverick Vinales

Beim Start schossen vier Ducatis an die Spitze Zoom

Jack Miller ein WM-Kandidat?

Und ich frage mich: Kann Ducati mit Miller wirklich um die WM kämpfen? Ich weiß, viele von Ihnen werden jetzt darauf hinweisen, dass wir nach dem ersten Rennen noch keinen der Fahrer abschreiben sollten.

Aber ich behaupte, dass Ducati mit Miller nicht Weltmeister werden kann, wenn auf der Ducati-Paradestrecke nur Platz neun herausspringt. Hier hätte er Punkte gutmachen müssen, die er für die Rennen auf den Strecken benötigt, auf denen die Ducati nicht so gut funktioniert.

Aber ich lasse mich natürlich gern eines Besseren belehren. Am besten schon in einer Woche, wenn die MotoGP erneut auf dem Kurs in Losail gastiert. Vielleicht macht es Jack Miller ja dann so wie Casey Stoner vor 14 Jahren.

Jack Miller

Die Stürze im Training haben Jack Millers Selbstvertrauen angekratzt Zoom

Sportliche Grüße,

Sebastian Fränzschky

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