Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Francesco Bagnaia

Francesco Bagnaia ist der Perfektionist, den Gigi Dall'Igna nach Jorge Lorenzo gesucht hat - Aber Anfängerfehler wie im Sprint dürfen ihm nicht passieren

Titel-Bild zur News: Francesco Bagnaia

Nach Portimao hat Francesco Bagnaia schon 23 WM-Punkte Rückstand Zoom

Liebe MotoGP-Fans,

der Grand Prix von Portugal war ziemlich lange ein sehr statisches Rennen. Lediglich Pedro Acosta hat wieder für Würze gesorgt. Aber an der Spitze sind die Top 3 praktisch nach der ersten Runde nur hintereinander hergefahren. Das Getriebeproblem von Maverick Vinales und der späte Ausfall waren natürlich sehr bitter.

Aber dass es zwischen Jorge Martin, Vinales und Enea Bastianini praktisch keine Duelle gegeben hat, war nicht sehr schön anzusehen, wenn wir zum Vergleich an die Action bei der Superbike-WM in Barcelona denken.

Management des Hinterreifens, Management des Drucks im Vorderreifen, die Verwirbelungen der Aerodynamik und so weiter sorgen dafür, dass bei annähernd gleich schnellen Motorrädern praktisch kaum noch Überholmanöver möglich sind.

Leider hat sich die MotoGP in diese Richtung entwickelt und wir werden wahrscheinlich noch viele solcher Rennen erleben. Hoffentlich kommt trotzdem niemand auf die Idee, eine Überholhilfe wie in der Formel 1 einzuführen.

Die Kollision zwischen Francesco Bagnaia und Marc Marquez hat dann in der 23. Runde doch noch für einen großen Aufreger gesorgt. Zunächst möchte ich vorwegschicken, dass ich Bagnaia nicht aufgrund dieser Situation für unsere traditionelle Montagskolumne nominiert habe.

Aus meiner Sicht war es ein Rennunfall, so wie das auch die FIM-Rennkommissare entschieden haben. Zu dem Schluss sind auch Bagnaia und Marquez gekommen, wobei Marquez dann doch eher Bagnaia die Schuld dafür in die Schuhe schieben wollte.

Man könnte einerseits der Argumentation von Marquez folgen, dass Bagnaia mit nachlassenden Reifen nicht mehr dagegenhalten hätte sollen. Aber andererseits, warum sollte Bagnaia seinen Platz einfach herschenken und nicht einen Konter versuchen?

Vor allem da Marquez den Scheitelpunkt verpasst hatte und innen wieder eine Lücke für Bagnaia war. "Marc hat den Überholvorgang versucht und ist weit gegangen", hat Gustl Auinger die Szene bei ServusTV analysiert. "Er hat seine Linie verlassen."

"Diese Linie hat sich dann 'Pecco' genommen. Er wäre ja dumm, wenn er es nicht machen würde. Aber der Marc wollte sie wiederhaben, aber da war sie schon belegt. Rückspiegel haben sie nicht, der Kopf wurde auch nicht gedreht. Also die Kollision war dann vorprogrammiert."

"Wenn man die Linie verlässt und wieder zurückfährt, muss man im Straßenverkehr auch schauen, ob sie noch frei ist. Deswegen bekommt der Marc von mir ein kleines Bummerl. Es ist verhext. Immer, wenn es solche Szenen gibt, ist der Marc dabei."

Marc Marquez

War die Schuld für die Kollision doch eher bei Marc Marquez? Zoom

Ich stimme mit Auingers Analyse überein. Eventuell ist doch die Schuld etwas mehr bei Marquez. Aber im Endeffekt war es ein Rennunfall. Dabei sollten wir es auch belassen. Beide sind mehrfache Weltmeister und müssten wissen, wie sie so einen Unfall verhindern könnten.

Bagnaia macht Anfängerfehler im Sprint

Kommen wir nun zu der Frage, warum ich Bagnaia heute für unsere Kolumne gewählt habe. Das ist der Anfängerfehler im Sprint. So wie am Rennsonntag in Katar hat es im Sprint danach ausgesehen, dass er wieder weltmeisterlich perfekt fährt und alles unter Kontrolle hat.

Aber bei leichter werdendem Tank seinen Bremspunkt an dieser entscheidenden Stelle nicht anzupassen, ist ein Fehler, der einem Perfektionisten wie Bagnaia einfach nicht passieren darf. Okay, als Vierter nur einen Platz hinter Martin war es immer noch Schadensbegrenzung.

Aber durch den Ausfall am Sonntag hat Bagnaia schlagartig 23 WM-Punkte Rückstand auf Martin. In drei Wochen geht es in Austin weiter. Wir erinnern uns, dass Bagnaia dort im Vorjahr in Führung liegend gestürzt ist und 25 Punkte weggeworfen hat.

Trotzdem ist Bagnaia für mich immer noch der WM-Favorit. Denn wenn alles passt, dann ist er unheimlich stark. Ducati-Mastermind Gigi Dall'Igna hat mit Bagnaia jenen Fahrer gefunden, der seine Ideen und Konzepte an guten Tagen perfekt umsetzen kann.

Bagnaia der Fahrer, den Dall'Igna gesucht hat

Werfen wir einen Blick zurück in die jüngere Ducati-Vergangenheit. Mit Andrea Iannone gab es einen Fahrer, der unglaublich talentiert war und immer noch ist, aber auch ein spezieller Charakter ist. Deswegen musste er Ende 2016 gehen.

Über Andrea Dovizioso hieß es damals selbst vom Ducati-Umfeld hinter vorgehaltener Hand, dass er zwar gut ist, aber nicht derjenige, der den WM-Titel gewinnen kann. Deswegen wollte Dall'Igna damals unbedingt Jorge Lorenzo haben.

Es hat zwar gedauert, aber als die Ducati-Ingenieure und Lorenzo alles perfekt hinbekommen hatten, war er unheimlich stark. Schade, dass die Zusammenarbeit damals nicht länger gedauert hat, denn da hätten noch viele Erfolge kommen können.

Gigi Dall'Igna

Mit Bagnaia hat Gigi Dall'Igna seinen Nummer-1-Fahrer gefunden Zoom

Ich glaube, mit Bagnaia hat Dall'Igna diesen Perfektionisten gefunden, der ihm mit Lorenzo abhanden gekommen ist. Selbst wenn es nur Nuancen sind, so wird das Motorrad für Bagnaia entwickelt und optimiert. Er bestimmt die Richtung.

Und wenn Bagnaia alles perfekt auf den Punkt bekommt, dann wird er über die Saison auch für Martin wieder schwer zu schlagen sein. Aber dafür darf sich Bagnaia nicht solche Anfängerfehler wie im Portimao-Sprint erlauben.

Ihr,


Gerald Dirnbeck

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