Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Ducati

Seit 15 Rennen steht mindestens ein Ducati-Fahrer auf dem Podest - Aber in der Fahrerwertung fehlen schon mehr als 50 WM-Punkte - Es fehlt ein Alphatier

Liebe MotoGP-Fans,

Titel-Bild zur News: Enea Bastianini, Francesco Bagnaia

Bastianini und Bagnaia: Gemeinsam fünf Siege, aber zu viele Ausfälle Zoom

Barcelona war wieder ein ereignisreiches Rennwochenende! Fabio Quartararo hat nach seiner Vertragsverlängerung mit Yamaha eine weltmeisterliche Leistung gezeigt und souverän gewonnen. 22 WM-Punkte Vorsprung unterstreichen seine derzeitige Form und Klasse.

Für unsere traditionelle Montagskolumne würden heute mehrere Personen infrage kommen. Da wäre zunächst Aleix Espargaro. Er hat selbst gesagt, dass so ein Fehler nicht passieren darf. Dass er eine Runde zu früh geglaubt hat, das Rennen sei zu Ende, ist ein unglaublicher Fauxpas.

Aber das ist in der Vergangenheit auch schon anderen Rennfahrern passiert. Wir haben gesehen, wie sehr er sich geärgert und sich auch gleich bei seinem Team entschuldigt hat, weil er den guten zweiten Platz selbst verschenkt hat.

Irren ist menschlich, wie man so schön sagt. Jeder macht Fehler. Deshalb würde ich mit dem Aprilia-Fahrer nicht zu hart ins Gericht gehen. Er hat sich selbst maßlos geärgert und hat nach seinem Fehler bestimmt nicht gut geschlafen.

Sturz: Francesco Bagnaia, Takaaki Nakagami, Alex Rins beim Start zum GP Katalonien 2022 in Barcelona

Takaaki Nakagami hat für den Startunfall keine Strafe erhalten Zoom

Der zweite Kandidat wäre Takaaki Nakagami. Er hat vor der ersten Kurve zu spät gebremst und damit den Unfall ausgelöst. Dass Alex Rins, der sich dabei das linke Handgelenk gebrochen hat, und Francesco Bagnaia wütend waren, ist absolut nachvollziehbar.

Beide kritisierten die Rennkommissare, dass es keine Strafe gegen Nakagami gegeben hat. Ich bin der Meinung, dass die Rennkommissare richtig entschieden haben. Beim Start können solche Dinge passieren. Das ist Teil des Rennsports.

Alle Ducati-Fahrer haben großen Punkterückstand

Wer hat also nach Barcelona schlecht geschlafen? Wir haben nun neun von 20 Rennen erlebt und sind fast bei Saisonhalbzeit. Werfen wir einen Blick auf einige interessante Zahlen, die harten Fakten im Rennsport.

Enea Bastianini ist WM-Dritter und hat 53 Punkte Rückstand auf Quartararo. Johann Zarco folgt als Vierter und liegt 56 Zähler zurück. Bagnaia ist WM-Fünfter. Sein Defizit beläuft sich mittlerweile auf 66 Punkte. Das ist alles eine Menge Holz.

Jorge Martin, Johann Zarco

Bei allen neun Rennen stand mindestens ein Ducati-Fahrer auf dem Podest Zoom

Die nächste interessante Zahl ist die 15. Seit Aragon im Vorjahr war bei jedem Rennen mindestens ein Ducati-Fahrer auf dem Podest. Das untermauert auch der Blick auf die Herstellerwertung. Ducati hat schon 54 WM-Punkte Vorsprung und wird diesen Titel locker gewinnen.

Das heißt im Klartext, die Desmosedici ist gut genug, um praktisch auf allen Rennstrecken vorne mitzumischen und auf dem Podium zu sein. Auch, dass verschiedene Fahrer konkurrenzfähig sind, spricht für die Qualität des Motorrads.

Stellen wir uns vor, dass immer der gleiche Ducati-Fahrer bei den ersten neun Rennen auf dem Podest gestanden wäre. Dann würde die Situation in der Fahrer-WM ganz anders aussehen und Ducati wohl mit einem komfortablen Vorsprung in die Sommerpause gehen.

Alle Ducati-Fahrer machen zu viele Fehler

Aber alle Ducati-Fahrer erleben eine Achterbahn. Niemand schafft Konstanz. Klar, für den Ausfall in Barcelona kann Bagnaia nichts. Aber der Sturz in Le Mans war unnötig. Dazu ist er in Katar gestürzt und hat auch noch Jorge Martin abgeräumt. Er hat viel zu viele WM-Punkte liegengelassen.

Bastianini hat drei großartige Siege gefeiert. Aber die restlichen sechs Rennen waren nicht berühmt. Zudem stürzt er in letzter Zeit sehr häufig. Martin hat abgesehen von zwei zweiten Plätzen in den restlichen Rennen auch eine schlechte Bilanz.

Enea Bastianini

Auch in Barcelona ist Enea Bastianini durch Sturz ausgefallen Zoom

Zarco wartet immer noch auf seinen ersten MotoGP-Sieg. Seine Konstanz war bisher recht gut, aber doch zu wenig, um Quartararo herausfordern zu können. Aus Erfahrung wissen wir, dass Zarcos Ergebnisse in der zweiten Saisonhälfte schlechter werden.

Und Jack Miller zeigt in einem Jahr auch nur zwei, drei gute Rennen. Der Rest ist durchwachsen. Deshalb wird es für ihn im nächsten Jahr keinen Platz mehr im Werksteam geben. Bastianini wird voraussichtlich der neue Teamkollege von Bagnaia werden.

Ducati hat sich mit acht Fahrern breit aufgestellt. Aber trotzdem muss man festhalten, dass die Fahrer-WM wieder in weite Ferne gerückt ist. Aus eigener Kraft diesen Punkterückstand aufzuholen ist zwar nicht unmöglich, wird aber sehr schwierig.

Ducati fehlt ein Alphatier

Deswegen haben heute perspektivisch gesehen die Ducati-Verantwortlichen rund um Gigi Dall'Igna, Paolo Ciabatti und Davide Tardozzi schlecht geschlafen. Einerseits wissen sie, dass sie ein Motorrad haben, das auf jeder Strecke konkurrenzfähig ist.

Gigi Dall'Igna

Der Traum von der Fahrer-WM rückt für Gigi Dall'Igna wieder in weite Ferne Zoom

Andererseits haben sie keine klare Nummer 1, die wirklich um den WM-Titel kämpfen kann. Sich breit aufzustellen, finde ich prinzipiell eine gute Idee. Wenn man nur von einem Fahrer abhängig ist, dann ist das auch sehr riskant, wie die Situation von Marc Marquez und Honda zeigt.

In jüngerer Vergangenheit hat Yamaha mit Valentino Rossi und Jorge Lorenzo bewiesen, dass man auch mit zwei Fahrern um den WM-Titel kämpfen kann. Die Desmosedici ist gut genug, damit beide Werksfahrer aus eigener Kraft im WM-Kampf mitmischen können.

Aber Ducati fehlt so ein Alphatier. Ein Casey Stoner oder ein Lorenzo. Vielleicht braucht es am Ende des Tages doch ein so ein Ausnahmetalent, wenn man die Fahrerweltmeisterschaft gewinnen will.

Ihr,


Gerald Dirnbeck

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