Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Aleix Espargaro

Die Rüpel-Aktion von Aleix Espargaro gegenüber Franco Morbidelli war unangebracht - Aber wie viele Emotionen sind in der heutigen Zeit noch angemessen?

Liebe MotoGP-Fans,

Titel-Bild zur News: Aleix Espargaro

Die Aktion gegen Morbidelli hätte sich Aleix Espargaro sparen können Zoom

wenn mir vor der Übersee-Tournee jemand gesagt hätte, dass Fabio Di Giannantonio aus eigener Kraft ein normales Rennen, also kein Flag-to-Flag-Chaos, gewinnen würde, dann hätte ich wahrscheinlich nur müde darüber gelächelt.

Aber schon in Australien war seine Leistung super und jetzt in Katar phantastisch. Davor kann ich nur meinen Hut ziehen und dem Italiener gratulieren! Man möge sich nur vorstellen, er hätte solche Rennen schon in der ersten Saisonhälfte gezeigt.

Dann hätte Gresini womöglich schon vor der Sommerpause die Option auf ihn gezogen und Marc Marquez hätte keine Option B zu Honda gehabt. Stand heute hat Di Giannantonio immer noch keinen Job für das nächste Jahr.

Seine Leistungsexplosion ist ein gutes Beispiel dafür, welche Kräfte man freisetzen kann, wenn man nichts mehr zu verlieren hat und mit der Einstellung "jetzt will man es allen beweisen" zu einem Rennen kommt.

"Diggia" hat schon in Indonesien, dann in Australien und jetzt in Katar für emotionale Szenen nach dem Rennen gesorgt. Szenen, die wunderschön sind und ein wichtiger Teil des Motorsports sind. Denn auch ein "Underdog" kann an seinen Tagen Großartiges vollbringen.

Aleix Espargaro reagiert manchmal über

Keine schönen Szenen haben wir am Samstag im Training gesehen. Bei Aleix Espargaro gingen die Emotionen durch und er gab Franco Morbidelli einen Schlag auf den Helm. Ja, das hätte sich Espargaro sparen können. Denn solche Reaktionen sind unangebracht.

Vor allem vom ältesten Fahrer im Feld. Seit Andrea Dovizioso nicht mehr dabei ist, hat Espargaro quasi die Rolle des Rädelsführers übernommen. Wenn es zum Beispiel um Sicherheitsbelange geht, dann reißt oft der 34-Jährige das Zepter an sich und wird zum Wortführer.

Abseits der Rennstrecke ist Espargaro besonnen, reflektiert und sieht das große Ganze des Sports. Auch wir Journalisten können mit ihm offen über solche Dinge sprechen und ihn nach seiner Meinung aus Fahrersicht zu diversen Belangen fragen.

Aber sobald er den Helm aufhat, dann ist Espargaro super emotional. Ein jüngeres Beispiel war Indien. Sein Team hatte es verabsäumt, dass das Qualifying ein paar Minuten später beginnt. Espargaro musste am Ende der Boxengasse an der roten Ampel warten.

Als er zurück in der Aprilia-Box war, schrie er seinen Teammanager für den Fehler an. Auch das war eine unnötige, übertriebene Aktion. Aber klar, Espargaro ist hochmotiviert, will alles für sein Team geben und jeden mitreißen, damit alle ihre Höchstleistungen abrufen.

Zu einem Teil kann ich seine Reaktion Morbidelli gegenüber sogar nachvollziehen. Die Situation war jetzt kein klassisches Bummeln, aber das Thema Verhalten auf der Strecke ist seit ewigen Zeiten Thema in der Sicherheitskommission. Vor allem mit Blick auf die Moto3-Klasse.

Die MotoGP-Stars sollten mit gutem Vorbild vorangehen. Man muss aber schon auch festhalten, dass Morbidelli einer jener Fahrer ist, die am häufigsten im Training verträumt in der Gegend herumrollen und anderen Fahrern im Weg stehen.

Ich möchte Espargaro nicht verteidigen, aber dass er nach unzähligen Diskussionen in der Sicherheitskommission die Beherrschung verliert, wenn wieder so eine Situation mit Morbidelli passiert, dann kann ich das, wie gesagt, zum Teil nachvollziehen.

WM-Duell: Heute zu wenig Rivalität?

Die Frage, die ich mir stelle, ist, wie viele Emotionen sind in der heutigen Zeit noch "angemessen"? Im Prinzip ist bei der unschönen Aktion zwischen Espargaro und Morbidelli nichts passiert. Das war jetzt nicht wie so oft in der NASCAR eine richtige Schlägerei in der Boxengasse.

Auf der einen Seite gibt es Kritik, dass die heutige Fahrergeneration langweilig ist und keine Emotionen mehr zeigt. Andererseits gehen bei einer Aktion wie von Espargaro gleich die Wogen hoch, vor allem in den Sozialen Medien und der Boulevard-Presse.

Jorge Martin, Francesco Bagnaia

Jorge Martin und Francesco Bagnaia spulen PR-Aktivitäten gekonnt ab Zoom

Kein Wunder, dass die jungen Fahrer aufpassen, ja keinen Fehler in der Öffentlichkeit zu begehen. Aber der Sport lebt auch von Emotionen, Rivalitäten und hitzigen Situationen. Es ist nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen.

Ein Beispiel dafür war Sonntag nach dem Warm-up. Im Paddock saßen Francesco Bagnaia und Jorge Martin gemütlich auf einer Couch und wurden wenige Stunden vor einem entscheidenden Rennen zur WM-Situation befragt. Beide spulten ihr PR-Programm gekonnt ab.

Es war zum Einschlafen! Wenn man es nicht gewusst hätte, dann hätte man nie geahnt, dass da zwei Fahrer sitzen, die um den wichtigsten WM-Titel im Motorradrennsport kämpfen. Null Emotion, null Spannung, null Rivalität. So reißt man Fans nicht mit.

Vor 20 Jahren hätte es das mit Valentino Rossi und Max Biaggi bestimmt nicht gegeben.

Ihr,


Gerald Dirnbeck

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