• 09.07.2011 13:33

Stoner: "Man muss seinen eigenen Weg gehen"

Honda-Pilot Casey Stoner vergleicht die aktuellen Motorräder mit der 1.000er für das kommende Jahr - Im Interview spricht der Australier auch über seinen Fahrstil

(Motorsport-Total.com) - Casey Stoner ist im Honda-Werksteam in die Führungsrolle geschlüpft. Der Australier ist in dieser Saison der schnellste Fahrer und hat bereits die neue 1.000er für die kommende Saison getestet. Der Weltmeister von 2007 ist der erfolgreichste Fahrer der 800er-Ära. Ab 2012 wird mit 1.000er-Treibwerken gefahren. Viele Fans fragen sich, ob man mit den neuen Motorrädern wieder spannende Duelle wie in der 990er-Ära sehen wird. Stoner spricht im Interview über die Unterschiede der beiden Motoren.

Titel-Bild zur News: Casey Stoner

Honda-Pilot Casey Stoner hatte beim Test mit der neuen 1.000er viel Spaß

Frage: "Wie lässt sich die 1.000er mit der 990er von 2006 vergleichen?"
Casey Stoner: "Es ist ziemlich gleich. Als ich von der 1.000er zurück auf die 800er gestiegen bin, habe ich keinen großen Unterschied bemerkt. Es ist nur ein kleiner Unterschied, vor allem in den höheren Gängen. Man kann soviel Kraft eh nicht komplett auf den Boden bringen. Die 1.000er erinnerte ungefähr daran, was ich früher hatte. Man ist am Ende der Geraden schneller. Man kann mit einem längeren Gang fahren, weil man soviel Drehmoment von unten heraus hat. Man kann sie ein bisschen anders fahren. In den höheren Gängen kann man etwas mehr spielen."

Frage: "Werden die neuen Motoren die Rennen verändern?"
Stoner: "Ja und nein. Ich bin mir nicht sicher. Als damals mit 1.000ern gefahren wurde, gab es noch den Reifenkrieg. Es gab ihn auch noch zu Beginn der 800er-Ära. Das hat für tolle Überholmanöver gesorgt. Jetzt wird es mit den 1.000ern keinen großen Unterschied geben. Ich bin mit der 1.000er gefahren und anschließend wieder mit der 800er. Es gab keinen großen Unterschied. Man merkt hauptsächlich im vierten und fünften Gang, dass die 800er weniger Kraft hat, um die Räder durchdrehen zu lassen."


Fotos: Honda, MotoGP in Mugello


"Wenn man das macht, dann fährt man auf der Reifenschulter. Mit der 1.000 kann man das Hinterrad auch durchdrehen lassen, wenn man das Motorrad wieder aufstellt. Dann will es immer noch durchdrehen. Das wird etwas anders werden, speziell wenn man im Nassen fährt. Ich denke auch, dass man die Wheelies auf eine andere Art kontrollieren wird. Die 1.000er will in mehr Gängen Whellies machen als die 800er. Man muss das stärker kontrollieren. Aber abgesehen davon werden sich die Fahrer auf die Art einstellen, wie sie gefahren werden muss. Die Leute sind aus einem bestimmten Grund an der Spitze. Sie werden sich schnell umstellen."

Wird es mehr Überholmanöver geben?

Frage: "Einige Leute glauben, dass man mit mehr Drehmoment leichter überholen kann. Die höhere Endgeschwindigkeit führt auch zu anderen Bremspunkten. Die meisten Überholmanöver passieren jetzt auf der Bremse. Wird es mehr Möglichkeiten geben?"
Stoner: "Ich glaube nicht, dass der Rückgang der Überholmanöver an den Motorrädern liegt. Es ist ein sehr professioneller Sport geworden. Die Fahrer machen kaum Fehler. Jeder muss extrem viel trainieren, damit er diese Motorräder überhaupt fahren kann."

"Wenn man weit in die Vergangenheit zurückblickt, dann haben Fahrer geraucht bevor sie in die Startaufstellung gegangen sind. Und im Ziel waren sie nicht müde. Diese Motorräder verlangen die physisch viel mehr ab. Wenn man das Fahrerniveau mit der Vergangenheit vergleicht, dann ist es jetzt höher. Jeder weiß was er zu tun hat. Man sieht kaum, dass jemand von der Linie abkommt und andere innen vorbeiziehen. Sie halten ihre Linien, treffen ihre Bremspunkte und sie haben nicht ihre gewohnten Probleme. Ich glaube also nicht, dass sich viel verändern wird."

Casey Stoner

Die Honda RC212V vermittelt Casey Stoner viel mehr Vertrauen zum Vorderrad Zoom

"Selbst Dani Pedrosa kann mich mit dem gleichen Motorrad ausbeschleunigen. Das hängt mit seinem Fahrstil zusammen. Das ist seine Stärke. Sein Fahrstil hat aber auch Schwächen. Es gibt verschiedene Arten zu fahren, unterschiedliche Techniken. Der Rennsport hat sich aber immer in diese Richtung entwickelt. Selbst im Motocross sieht man nicht mehr so viele Überholmanöver. Es scheint auch im Motocross nur eine Linie zu geben. Alle bekommen es hin."

"Um zu überholen, muss man etwas anderes tun, eine Linie nehmen, die noch nie jemand genommen oder probiert hat und unerwartet kommt. Das ist ein großes Risiko. So ist es auch in der MotoGP. Man muss ein großes Risiko für ein Überholmanöver eingehen, weil der Motorsport das gewisse Etwas weiter gekommen ist. Die Fahrstile haben sich viel weiter entwickelt. Ich glaube, das ist die Zukunft. Es werden junge Fahrer kommen, die Dinge machen können, von denen wir nicht einmal träumen."

Fahrstil muss angepasst werden

Frage: "Kannst du anhand einer spezifischen Kurve die Unterschiede zwischen der diesjährigen und der nächstjährigen Honda erklären?"
Stoner: "Das ist schwierig zu erklären, denn es gibt keine zwei gleichen Kurven auf der Welt. Was mich vermutlich von anderen Fahrern unterscheidet ist, dass ich die Kurven so attackiere, wie sie gefahren werden müssen. Es gibt unterschiedliche Beläge in verschiedenen Bereichen. Manchmal wäre die Ideallinie nicht die richtige Linie in dieser speziellen Kurve."

"Man muss sich auf jeden Teil des Kurses einstellen. Wie man durch jede einzelne Kurve kommt, ist schwierig. Man kann nicht auf jeder Strecke so fahren, wie man es kennt, sondern muss so fahren, wie es verlangt wird. Das kann manchmal knifflig sein. Mit den 1.000ern wird das wahrscheinlich nicht so wichtig sein, weil man mit der Kraft etwas aufholen kann."

"Gleichzeitung muss man sich aber darauf konzentrieren, dass man am Kurvenausgang schnell ist und nicht wie jetzt in der Kurvenmitte. Der Scheitelpunkt wird immer noch wichtig sein, aber es wird wichtiger sein, in eine Kurve hinein- und hinauszufahren. Die Linien werden anders als in der 800er-Ära sein. Es wird den Fahrstil etwas ändern."

Frage: "Du scheinst das Gas früher aufzureißen als andere Fahrer. Man hat das in der ersten Kurve in Katar gesehen. Ist das eine Stärke von dir?"
Stoner: "Ich weiß es nicht. Es ist schwierig zu wissen, bevor man sich die Daten ansieht und die Stärken und Schwächen mit anderen Leuten vergleicht. Ich schaue selten in die Daten, außer das Team sagt mir, dass ich hier oder da etwas besser sein könnte. Wenn ich nicht weiß wo ich Zeit verliere, dann zeigt mir das Team die Daten."

"Prinzipiell machen wir das nicht. Ich weiß immer wo ich mich verbessern kann. Bezüglich Kurve eins in Katar - ich weiß es nicht. Ich fühle mich normalerweise recht gut in dieser Kurve. Mit der Honda erhalte ich viel mehr Feedback als mit der Ducati. Es hatte sich sofort besser angefühlt. Ja, ich kann das Gas sehr für aufreißen. Das hilft mir durch die Kurve und ich muss keine weite Linie nehmen."

Honda vermittelt mehr Vertrauen

Frage: "Du fährst generell eine sehr hohe Kurvengeschwindigkeit. Kannst du durch das bessere Gefühl für das Vorderrad der Honda mit mehr Vertrauen fahren?"
Stoner: "Mit der Honda habe ich viel mehr Vertrauen zum Vorderrad. Nicht immer, aber wenn wir alles korrekt einstellen, dann weiß ich, wie es sich verhält. Sollte das Vorderrad wegrutschen, dann gibt es dir eine Vorwarnung. Das ganze Chassis ist auf eine andere Art flexibel. Man spürt, wie das Vorderrad wegrutscht und kann es wieder zurückziehen."

Casey Stoner

Casey Stoner ist in der Honda-Familie mit offenen Armen aufgenommen worden Zoom

"Es ist so erfrischend auf einer Honda zu fahren, weil ich in den Kurven richtig attackieren kann. Mein Kurveneingang war immer einer meiner Schwachpunkte. Meine erstes Jahr in der MotoGP, in der 250er und der 125-Klasse, war mein Bremspunkt schwach. Ich habe das jetzt zu einer Stärke gemacht. Ich kann die Bremse bis tief in die Kurve ziehen und das Motorrad trotzdem umlegen. Ich habe viel an meinen Schwächen gearbeitet. Als Fahrer ist es das Beste, seine Schwachstellen zuzugeben und dann an diesen Dingen zu arbeiten, anstatt dein Material zu beschuldigen."

Frage: "Woran arbeitest du derzeit?"
Stoner: "Das verrate ich nicht. Rennen für Rennen, Wochenende für Wochenende arbeitest du an Bereichen, wo du Schwächen hast. Jede Kurve ist auf jeder Strecke anders. Bremsen war einer meiner größten Schwachpunkte. Es war ein großer Schwachpunkt im Vergleich zu meinem restlichen Fahrstil. Also habe ich mich darauf konzentriert, an der Abstimmung gearbeitet und bin einer der besten Bremser geworden. Jetzt habe ich keinen großen Schwachpunkt."

Kaum Datenvergleich mit Teamkollegen

Frage: "Dein Teamkollege Andrea Dovizioso dachte, dass euer Fahrstil sehr ähnlich ist. Aber dann hat er einen großen Unterschied gesehen."
Stoner: "Ich denke nie daran, dass zwei Fahrer gleich sein könnten. Jeder Fahrer hat seine eigene Technik. Ich widerspreche da vielen Fahrtrainern, Jeder Pilot hat sein eigenes Potenzial, das von selbst herauskommen muss."

"Sie sollten versuchen ihren eigenen Speed zu fahren und nicht versuchen, auf eine Art zu fahren, die für sie nicht natürlich ist. Man muss seine eigene Abstimmung finden. Deshalb schauen wir nicht auf andere Fahrer. Ab und zu vergleiche ich, wenn ich in ein oder zwei Kurven Zeit verliere und nicht weiß warum. Ich vergleiche nie Abstimmungsdaten, weil wir unterschiedlich fahren. Man muss seinen eigenen Weg finden."

Frage: "Wie beeinflussen die unterschiedlichen Fahrstile die Entwicklung der neuen 1.000er?"
Stoner: "Ich finde es ist eine Stärke, wenn mehrere Leute ein Motorrad entwickeln. Ich denke, dass es ein großes Fehlkonzept ist, wenn jemand ein Motorrad nur für sich entwickelt. Denn manchmal werden persönliche Schwächen in ein Motorrad eingebaut. Dann hat man kein Allroundpaket."

"Wenn mehrere Topfahrer Informationen liefern können, dann kommt alles zusammen und man hat ein ausbalanciertes Paket. Anschließend kann man dann seinen eigenen Weg bei der Abstimmung gehen. Es geht hauptsächlich um die Steifigkeit des Chassis. Bei der Fahrwerksgeometrie können wir selbst viel verändern. Ich glaube, es ist der bessere Weg, wenn man Daten von unterschiedlichen Richtungen hat."